#„A Letter to America“: Warum junge Menschen Osama Bin Laden feiern
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Das „Finanzjudentum“ steuere die Staatsgeschicke und 9/11 sei die Rache für getötete Palästinenser: Tausende Menschen teilen gerade einen 21 Jahre alten Brief des Terroristen Osama Bin Laden. Was es damit auf sich hat.
„Hör auf, das zu tun, was du gerade tust, und lies sofort ‚A Letter to America‘. Es ist das Verrückteste, was ich seit langem gelesen habe“, sagt ein junger Mann auf Tiktok. Eine junge Frau filmt sich dabei, wie sie auf ihr Handy starrt, dazu schreibt sie: „Erst jetzt sehe ich seinen Brief an Amerika und verstehe, dass er Recht hatte.“ Sie schlägt sich die Hand vor ihr Gesicht, tut, als würde sie zu weinen beginnen. „Jetzt kommt dank Palästina alles ans Licht“, sagt eine weitere.
So wie sie laden gerade Tausende junge Menschen ihre Reaktion auf ein über 20 Jahre altes Dokument in den sozialen Netzwerken hoch. Sie alle behaupten, jetzt etwas zu verstehen, was sie vorher nicht verstanden haben, sie zeigen sich erleuchtet, aufgeklärt, erschüttert. Verfasst hat das Papier niemand Geringeres als der 2011 von Amerika getötete Terrorist und ehemalige Al-Qaida-Anführer: Osama Bin Laden.
9/11 als Rache für Israel-Solidarität
Bei dem Dokument, das nun Abertausende bejubeln und das sich rasend schnell über das Internet verbreitet, handelt es sich um den „Brief an Amerika“, den Bin Laden 2002 an die amerikanische Jugend schrieb; damals allerdings ohne dass sich groß jemand dafür interessiert hätte. Der Brief diente im Wesentlichen dazu, die Anschläge des 11. September zu rechtfertigen und strotzt nur so vor antisemitischer Propaganda. Diese steckt weder zwischen den Zeilen noch muss man danach lange suchen. So heißt es bereits im vierten Satz: „Ich sage es gleich zu Beginn: Euer ehemaliger Präsident hat bereits vor der fatalen Kontrolle der Juden über das Kapital gewarnt und vor dem Tag, an dem ihr davon alle versklavt werdet; jetzt ist es geschehen.“
Im Weiteren führt Bin Laden über zwei Seiten aus, dass die amerikanische Regierung unter dem Druck der „jüdischen Lobby“ die „israelischen Besatzer“ unterstütze. Die Staatslenker im Weißen Haus könnten demnach die besten Absichten haben, seien unter dem Druck der Konzerne aber nichts anderes als „Zugführer“, deren „einzige Aufgabe darin besteht, den Zug auf den Gleisen zu halten, welche die (jüdischen) Lobbyisten in New York und Washington gelegt haben“.
Die vornehmlich jungen Menschen, die diese Zeilen nun feiern, tun das nicht trotz der antisemitischen Einlassungen über ein vermeintliches Finanzjudentum, das im Geheimen die Staatsgeschicke steure, wie Bin Laden behauptet, sondern genau wegen dieser. Der Knackpunkt des Briefes in ihren Augen: 9/11 sei eine Reaktion darauf gewesen, dass die USA sich mit den „israelischen Besatzern“ verbündet habe. Bin Laden schreibt: „Palästina ist seit Jahrzehnten besetzt, und keiner eurer Präsidenten hat darüber gesprochen, bis nach dem 11. September 2001, als Bush erkannte, dass eure Unterdrückung und Tyrannei gegen uns einer der Gründe für den Angriff war. Dann sprach er über die Notwendigkeit einer Zweistaatenlösung.“ Und einige Zeilen später: „Die Gründung und Aufrechterhaltung Israels ist eines der größten Verbrechen, und ihr seid die Anführer dieser Verbrecher.“
Medien seien „unterwandert“
Weiter Fahrt aufgenommen hat die Verbreitung und Solidarisierung mit den Worten Bin Ladens, nachdem die Zeitung „The Guardian“, die seine Suada schon im November 2002 in voller Länge veröffentlicht hatte, diese jetzt am 15. November plötzlich von ihrem Internetauftritt entfernte. Durch die ersten Videos auf Tiktok mit mittlerweile mehr als einer Million Aufrufen war der Brief über Stunden die meistgesuchte Publikation auf dem Auftritt der Zeitung gewesen.
Der „Guardian“ weist zwar darauf hin, das Dokument gelöscht zu haben, gibt jedoch keine Gründe dafür an. Danach überschlugen sich auch auf Plattform X die Verschwörungstheorien: Die Medien seien „unterwandert“, man wolle, dass „die Menschen unwissend bleiben“, heißt es da. Freilich ist der Brief noch auf zahlreichen anderen Websites abrufbar – wie bereits seit 21 Jahren.
Der Krieg im Nahen Osten förderte in den letzen Wochen allerlei widerwärtigen Judenhass zutage, der ganz offensichtlich nicht erst seit Anfang Oktober in den Köpfen gärt und nur darauf gewartet hat, einen Anlass zu finden, an die Oberfläche zu brechen. So auch in diesem Fall. Dass junge Menschen zurzeit tausendfach auf islamistische Verschwörungserzählungen hereinfallen, die ihnen scheinbar einfache Erklärungen für komplexe Sachverhalte bieten, und von einem Mann stammen, der damit einen grausamen Massenmord rechtfertigt, ist schwer erträglich. Es zeigt wieder einmal, wie irrational Hass die Menschen macht. Und mit welch fataler Wirkung „soziale“ Medien ihn verbreiten.
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