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#Abriss der Gesellschaft

Abriss der Gesellschaft

Dies ist eine der besten Biennalen seit Langem – und eine der seltsamsten. Seltsam ist schon einmal die vollkommene Stille, die in den Ausstellungshallen herrscht. Auch wenn der Sozialrummel bei der Architekturbiennale schon immer geringer ausfiel als bei der Kunstbiennale, bei der die Yachten der Oligarchen vor den Giardini ankerten und die Sammler die morschen alten Palazzi mieteten und mit ihren Partys fast zum Einsturz brachten – so leer und still wie jetzt war es hier noch nie.

Dieses Jahr wird die Biennale kuratiert von Hashim Sarkis, der die Architekturfakultät am MIT in Boston leitet und seine Ausstellung schon vor der Pandemie unter das Motto „How will we live together“ gestellt hatte. Die Frage ist aktueller denn je – und die Leere in den Pavillons täuscht insofern, als spätestens mit der globalen Krise klar geworden ist, dass es für die Zukunft eines Planeten mit bald zehn Milliarden Einwohnern von zentraler Bedeutung ist, wie man Häuser und Städte baut. Wenn sogar die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit ihrem „New European Bauhaus“ das Bauen zur Chefsache macht, zeigt das auch, wie die Fragen, die Architekten schon seit Jahren umtreiben, jetzt endlich die höchsten politischen Ebenen erreichen.

Die Biennale fällt mit einem politischen Neustart zusammen, bei dem Milliarden für den ökologischen und sozialen Umbau der Städte und der Gesellschaft ausgegeben werden. Aber wie soll der aussehen? Einige Antworten sind naheliegend: Ja, die Städte müssen grüner werden und kühler, es ist angesichts der Aufheizung des Planeten schön, wenn das Regenwasser wie im dänischen Pavillon in Bäche geleitet wird und Teepflanzen bewässert, und angesichts der Tatsache, dass allein die Zementherstellung für neun Prozent der globalen CO2-Produktion verantwortlich ist, ist man sich einig, dass mehr mit Holz gebaut werden muss.

Beeindruckende Holzständerkonstruktion am amerikanischen Pavillon in Venedig


Beeindruckende Holzständerkonstruktion am amerikanischen Pavillon in Venedig
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Bild: Paul Andersen und Paul Preissner

Entsprechend sieht es auf der Biennale oft aus wie im Inneren eines Baums. Die Amerikaner haben eine beeindruckende Holzständerkonstruktion errichtet, die man wahlweise als sehr schmales Haus oder als monumentalen „Front Porch“ beschreiben kann. Noch heute werden die meisten Einfamilienhäuser in Amerika auf diese Weise errichtet (und dann oft mit Kunststoff in Holzoptik verkleidet). Dass das Material allein nicht die Welt rettet, zeigen jene Fotos, wo vor den Holzgerippen zukünftiger Häuser gigantische Geländewagen parken. Man wird auch über die Art nachdenken müssen, wie man zusammenleben will, in welchen Typologien – und wie die politischen Rahmenbedingungen für dieses Zusammenleben aussehen sollen. Hier wird die Biennale interessant: weil sie soziologisch und politisch argumentiert und nicht bloß, wie sonst so oft, den herkömmlichen Büro- und Wohntürmen ein Faschingskostüm aus Holz, Gestrüpp und Sensoren überwirft und das Ganze als grüne und smarte Zukunftslösung vermarktet.

Sarkis hat die Biennale in fünf Kapitel unterteilt. Es fängt mit den Grenzen des menschlichen Körpers an und reicht über Formen des Zusammenlebens bis zu nationalen und planetaren Grenzen. Im ersten Kapitel geht es um die Frage, wie man das Zusammenleben der menschlichen Spezies mit Tieren gesünder organisieren könnte, mehrere Beiträge widmen sich den Auswirkungen der technologischen Revolution auf den menschlichen Körper. Jessica Charlesworth und Tim Parsons haben ein großartiges Horrorkabinett an erfundenen Geräten versammelt: Da gibt es etwa eines, das an eine Kaffeemaschine erinnert, aber dazu dient, die unter gestressten Plattform-Arbeitern mittlerweile übliche morgendliche Mikrodosis LSD, mit der man angeblich kreativer und leistungsfähiger wird, richtig zu portionieren, „so dass die Gefahr einer Makro-Dosis verringert wird“. Der „Catalog for the Post-Human“ ist eine brillante Satire auf das „Internet of Things“, auf die smarten Armbänder, die die Schlafperformance messen und Schritte zählen und den in Selbstoptimierungszwängen gefangenen Menschen noch irrer machen.

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