#Deprimierende Dominanz von Kanada und USA
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„Deprimierende Dominanz von Kanada und USA“
Manchmal, sagt Colin Muller, könnten diese Frauen aus seinem Heimatland wie Haie sein. „Wenn sie Blut riechen, dann kommen sie. Und du kannst nichts machen.“ Jetzt, im ersten Drittel des ersten Halbfinalspiels des olympischen Eishockeyturniers, haben sie Blut gerochen. Minute sieben: 1:0 durch Claire Thompson. Minute acht: 2:0 durch Jamie Lee Rattray. Minute neun: 3:0 durch Blayre Turnbull. Minute neun: 4:0 durch Renata Fast. Zwischen dem dritten und dem vierten Tor vergehen nur 17 Sekunden. Und in dem großen Eisbecken haben Muller und seine Mannschaft noch mehr als 50 Minuten mit den Haien vor sich.
Es ist Montagmittag im Wukesong Sports Centre in Peking. Eishockey der Frauen, Halbfinale, Kanada gegen die Schweiz. „Du kannst nichts machen“, sagt Colin Muller, als er nach dem Spiel in der Interviewzone steht. Der 58-Jährige hat das gerade schon mal gesagt. Muller kommt aus Kanada, fühlt sich aber in der Schweiz zu Hause.
Das hört man an seinem Schwyzerdütsch – und sieht man am Lebenslauf. Er hat mehr als 30 Jahre als Spieler und Trainer in der Schweiz verbracht. Jetzt arbeitet er dort seit drei Jahren als Nationaltrainer der Frauen. „Ich bin megastolz auf meine Mannschaft“, sagt er. Das darf er auch sein. Denn seine Mannschaft ist ins Finale eingezogen – also in das Finale, das man dringend erfinden müsste.
Es müsste im olympischen Eishockeyturnier der Frauen eigentlich zwei Endspiele geben. Eines für Kanada und die USA. Und eines für die anderen acht Nationen. An diesem Montag kann man den Klassenunterschied in den Halbfinals sehen. Im ersten siegt Kanada 10:3 über die Schweiz. Im zweiten siegen die USA 4:1 über Finnland. So geht das Winterspiele für Winterspiele.
In der Geschichte des Frauen-Eishockeyturniers gab es sechs Endspiele: Sechsmal spielte Kanada mit, fünfmal die USA. So fehlt diesem Wettbewerb bis zum spektakulären Schlussspiel das, was ihn wortwörtlich ausmachen soll: der Wettbewerb. Aus deutscher Sicht könnte man sogar sagen: Wenn man unter der Woche Olympia-Eishockey der Frauen schaut, kann man am Wochenende die Fußball-Bundesliga der Männer vor Spannung kaum aushalten.
54 Tore in sechs Spielen
Man kann diesen Zustand mit Humor nehmen. Doch Colin Muller fehlt er in dieser Frage mittlerweile. Er fürchtet, dass nach dem Spiel um Bronze am Mittwoch (12.30 Uhr MEZ im F.A.Z.-Liveticker zu Olympia, in der ARD und bei Eurosport)) fünf bis sechs seiner Spielerinnen nie wieder für die Nationalmannschaft auflaufen werden. „Dann muss man wieder von null anfangen.“ Das Frustrierende für Muller ist: Er kann sie sogar verstehen.
Für den olympischen Traum mussten seine Spielerinnen nicht nur Zeit investieren, sondern auch Geld. Wenn der Coach ein Training ansetzte, mussten sie die 40 Franken für den Zug selbst zahlen. „Sie zahlen, um ins Training zu kommen“, sagt Muller noch mal, als könnte er es selbst nicht glauben. Ein Reporter aus der Schweiz sagt, dass der Verband pro Jahr 14 Millionen Franken für die Männer ausgebe. Muller schweigt.
Als Muller noch auf dem Weg in die Interviewzone ist, steht dort Claire Thompson, die das 1:0 für Kanada geschossen hat, und spricht auch übers Geld, das in Europa fehlt und in Nordamerika da ist. „Wir werden extrem unterstützt“, sagt sie über die Eishockeyverbände in Kanada und den USA. „Wir können uns immer wieder treffen und trainieren.“
Das Ergebnis der Extra-Einheiten kann man in Peking sehen. Mit 54 Toren in sechs Spielen haben die Kanadierinnen schon vor dem Endspiel einen olympischen Rekord aufgestellt. Als Trainer sei man vor Spielen gegen Kanada sehr nervös, sagt Muller. „Es kann sein, dass du 15 Tore kriegst. Wenn’s einmal anfängt, weiß man nicht, wie man’s aufhalten soll.“
An diesem Montag werden es nur zehn Tore. Am Donnerstag vor der Eröffnungsfeier, als Kanada und die Schweiz in der Vorrunde gegeneinander gespielt haben, waren es noch zwölf. „Ich bin megastolz“, sagt Colin Muller. Seine Mannschaft habe sich gewehrt und sogar drei Tore geschossen. Und das nach den vier Gegentoren in zwei Minuten. „Wenn wir das wegnehmen, haben wir 3:6 verloren.“ Im olympischen Frauen-Eishockey kann man ein Halbfinale aber nicht mal mit solchen Tricks spannend reden.
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