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#Adrenalin: „Ich habe es immer wieder gemacht, ich fühlte mich dabei so lebendig“

Es gibt Menschen, die suchen nach dem Adrenalinkick im Alltag. Sie fühlen sich zu verbotenen Dingen hingezogen und brechen Regeln. Wir haben mit drei Leser:innen gesprochen, die dem nachgegangen sind, und warum sie wieder aufgehört haben. Bitte nicht nachmachen!

„Bei Schlecker war es besonders einfach“

Tobias, 40, hat als Jugendlicher Kondome geklaut und sie an seiner Schule verkauft.

„Das erste Mal war wie ein Abenteuer. Aber mit etwas Übung wurde ich immer schneller: Ich wusste genau, welchen Gang ich langgehen musste – und wo die Kondome liegen. Mit 14 habe ich angefangen, bei mir im Dorf Kondome in der Drogerie Schlecker zu stehlen und sie an meiner Schule zu verkaufen. In dem Dorf, aus dem ich komme, war nichts los und ich wollte austesten, wie weit ich gehen konnte. Über die möglichen Konsequenzen habe ich damals nie nachgedacht. Bei Schlecker war es besonders einfach. Es gab damals noch keine Überwachungskameras und nur eine Verkäuferin.  

Wenn sie mit einem anderen Kunden beschäftigt war, habe ich die Kondome in meine Tasche gesteckt. Manchmal habe ich zur Ablenkung noch eine Packung Kaugummis gekauft. Ein schlechtes Gewissen hatte ich nie – ich habe ja niemandem geschadet. Ich redete mir ein, dass meine zwei Diebstähle pro Monat nicht auffallen würden. Nach einer Weile wurden die Kondome aber in Sichtweite der Kasse gestellt. Ich machte trotzdem weiter, das Klauen wurde dadurch nur aufregender. Erwischt wurde ich nie.  

Ich war stolz, etwas Verbotenes zu tun.

Tobias

Meine Mitschüler kamen in der Schule auf mich zu und haben mich gefragt, ob ich was dahätte. Erst dann zog ich los, um die Ware zu besorgen. Einer meiner Kunden war ein Zeuge Jehovas, dem es zu unangenehm war, selbst Kondome im Laden zu kaufen. Ein Vermögen habe ich damit nicht gemacht, mir ging es eher um den Kick dabei. Meine Mitschüler wussten nicht, dass die Kondome geklaut waren. Am Anfang habe ich mich noch etwas geschämt, mit 14 hatten Kondome noch etwas Verruchtes an sich. Doch das Gefühl hat sich schnell gelegt und ich war stolz, etwas Verbotenes zu tun. Das habe ich um die zwei Jahre lang gemacht, bis es mir irgendwann zu blöd wurde. Die Aufregung war weg.“  

„Erwischt wurde ich nie“

Fridolin*, 25, kletterte mit Anfang 20 gern auf Baukräne.  

„Beim Hochklettern war ich jedes Mal nervös. Ich fragte mich, ob ich meinen Körper gut genug beherrschen konnte. Vor vier, fünf Jahren waren Baukräne ein Riesending in meinem Freundeskreis. Bevor wir auf einen kletterten, kundschafteten wir ihn einige Nächte zuvor aus. Night-Mission nannten wir das. 

Ich habe es trotzdem immer wieder gemacht, weil ich mich dabei so lebendig gefühlt habe.

Fridolin

Baustellen sind überraschend schlecht gesichert. Es war nie ein Problem, heimlich in die Nähe von Kränen zu kommen. Das letzte Mal bin ich vor vier, fünf Jahren in der Nähe des Wiener Hauptbahnhofs auf einen geklettert. Das geht so: Normalerweise kann man einen Kran wie eine Leiter hinaufklettern. Schwieriger ist es, wenn der Kran abgesichert ist.  Manche Kranfahrer verschließen die Falltüren in der Leiter mit Vorhängeschlössern. Dann mussten wir je nach Kran auf einer Höhe von 20 bis 50 Metern außen vorbei klettern – ungesichert.  

Ich habe es trotzdem immer wieder gemacht, weil ich mich dabei so lebendig gefühlt habe. Alle Alltagsprobleme schienen so weit weg. 

Oben war immer alles ruhig. Wir mussten uns behutsam bewegen und durften keinen überraschenden Handgriff machen. Wenn wir uns nicht zu blöd angestellt haben, sind wir auch mal den Kranarm entlanggelaufen. Danach war ich immer unglaublich müde, aber auch glücklich. Manchmal mussten wir eine Night-Mission auch absagen, zum Beispiel wenn der Wind zu stark war. Erwischt wurde ich nie. Aber meine Freunde mussten mal auf einem Kran übernachten, weil unten die Polizei gewartet hat. An sich würde ich auch heute noch auf Kräne klettern. Aber mittlerweile würde ich sicherlich als erwachsener Mann gelesen und nicht mehr als Teenager, der Blödsinn anstellt. Ich hätte Angst, dass mich jemand als bedrohlich wahrnimmt – und vielleicht die Polizei alarmiert. Deswegen klettere ich heute nicht mehr auf Kräne.“

„Ich rannte weg, aber wurde trotzdem festgenommen“

Toni*, 35, ist Street-Art-Künstler und malte früher illegal Graffiti.  

„Als ich 15 Jahre alt war, kam ich das erste Mal mit Graffiti in Berührung. Legal war das nicht, schön auch nicht. Aber es gab einen kleinen Adrenalinkick und Vorbilder aus Hip-Hop-Videos, die ganze Züge bemalt haben. Das war spannend. Mit der Zeit wurde ich immer geübter und meine Striche immer sicherer.  

Vor ungefähr zehn Jahren kam der Moment, der kommen musste. Ich wurde erwischt. Ein Kumpel und ich kamen gerade vom Feiern. Es war früh, niemand war zu sehen. Ein Graffiti zu sprühen, geht eigentlich schnell, je nach Größe und Details braucht man vielleicht zehn Minuten. Aber plötzlich stiegen Polizisten aus einem Zivilauto aus. Ich rannte weg, aber wurde trotzdem festgenommen. Zur Strafe musste ich 500 Euro für die Reinigung zahlen.  

Nach der Verhaftung habe ich ein paar Jahre nichts mehr gesprüht, weil ich keine Lust auf Probleme hatte. Dann zog ich nach Berlin. Hier fühle ich mich anonymer und auch sicherer als in Süddeutschland. Inzwischen mache ich Street-Art, die ich jetzt an die Wände klebe. Ich empfinde Kleben als nicht so brutal für eine Wand wie Lack aufbringen. Und man kann die Kunst leichter wieder entfernen.  

Wenn ich aber sehe, dass meine Kunst geklaut wurde und ein bisschen Putz mit abgegangen ist, freut mich das insgeheim ein bisschen.“

*Die Namen der Protagonisten wurden geändert. Die echten Namen sind der Redaktion bekannt.

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