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#Gekommen, um zu leiden

Gekommen, um zu leiden

Seit eineinhalb Jahren versucht Keir Starmer die Labour Party vom ultralinken Corbynismus zu befreien, und auf dem Parteitag in Brighton – dem ersten „physischen“ seit seinem Amtsantritt – sollten die ersten Erfolge besichtigt werden. Doch in vergangenen Tagen offenbarte sich vor allem Starmers mangelnde Kontrolle über seine Partei. Kaum ein Beobachter erwartet mehr einen Befreiungsschlag, wenn Starmer die Konferenz an diesem Mittwoch mit einer Grundsatzrede beenden wird.

Der Parteitag begann mit Widerstand gegen Starmers Plan, das interne Wahlsystem zu reformieren. Neuerungen, die unter seinem Vorvorgänger Ed Miliband eingeführt worden waren, hatten den Weg zum „Eintrittismus“ und damit zur Wahl seines Vorgängers Jeremy Corbyn geebnet. Zuvor war es jahrzehntelang der Fraktion zugefallen, den Parteivorsitzenden zu bestimmen. Die später eingeführte Mitgliederwahl geriet außer Kontrolle, als Hunderttausende, viele von ihnen linke Aktivisten ohne Labour-Bindung, von der neuen Möglichkeit Gebrauch machten, der Partei ohne nennenswerte Beiträge beizutreten und „ihren“ Parteichef zu wählen. Das wollte Starmer wieder ändern, aber die Proteste zwangen ihn zu herben Kompromissen.

Streit um Mindestlohn

Am Ende konnte er nur (knapp) durchsetzen, dass Kandidaten nicht mehr zehn, sondern zwanzig Prozent Zustimmung in der Fraktion benötigen, bevor sie an der Urwahl teilnehmen dürfen. Ursprünglich hatte Starmer die Basis weitgehend entmachten wollen; nur zu einem Drittel sollte deren Votum noch ins Ergebnis eingehen. Immerhin erreichte er noch, dass Parteimitglieder erst nach einem halben Jahr der Labour-Zugehörigkeit ein Stimmrecht erhalten. Die Reform stieß auf höhnische Kommentare seiner Widersacher. Der frühere Schattenschatzkanzler John McDonnell, ein enger Weggefährte Corbyns, fragte, was es über die Führungskraft des Parteichefs verrate, dass er seinen ersten echten Parteitag damit beginne, die Wahl seines Nachfolgers zu regeln.

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Ein Beschluss, den die Partei gänzlich gegen den Willen ihres Vorsitzenden fasste, betraf die Außenpolitik, genauer: den Verteidigungspakt AUKUS, den die britische Regierung unlängst mit den Vereinigten Staaten und Australien geschmiedet hatte. Mit überwältigender Mehrheit nahmen die Delegierten in Brighton eine Resolution an, in der die neue Verteidigungsgemeinschaft für den Indopazifik als „gefährlicher Schritt“ verurteilt wird, der „den Weltfrieden untergräbt“. Das ähnelte bis in die Wortwahl Äußerungen, die Jeremy Corbyn zuvor gemacht hatte. Starmer hatte den AUKUS-Pakt im Unterhaus dementgegen ausdrücklich „begrüßt“.

Weiteren Gesprächsstoff beschaffte Starmers Fraktionskollege Andy McDonald. Der bisher für den Arbeitsmarkt zuständige Schattenminister trat auf dem Parteitag von seinem Posten zurück, nachdem er mit Starmer über Kreuz geraten war. McDonald wollte den Forderungen der Basis folgen und das Ziel eines Mindestlohns von 15 Pfund (mehr als 17 Euro) festschreiben lassen. Bevor er abreiste, warf McDonald dem Parteichef noch eine „Spaltung“ der Partei vor und ließ sich dafür mit Ovationen von den Delegierten feiern.

Tories als Abschaum beschimpft

Starmer hat Sorge, dass eine Erhöhung des Mindestlohns über den Durchschnittslohn hinaus eine neue Debatte über die wirtschaftspolitische Kompetenz der Partei heraufbeschwört. Es stärkte sein Argument allerdings nicht, dass ein Aktivist auf dem Parteitag eine historische Aufnahme herumzeigte, auf der Starmer vor Jahren mit einem Schild für einen 15-Pfund-Lohn ein McDonald’s-Schnellrestaurant besucht hatte. Am Ende gab der Parteivorsitzende die Abstimmung über den Mindestlohn frei.

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Allenthalben war zu beobachten, dass Starmers angestrebter Mitte-Kurs die Gefolgschaft an der Basis fehlt. Die meisten „Corbynistas“ sind mittlerweile ohne Fraktionsämter; McDonald war der letzte. Auch bei seinem Vorhaben, dem Antisemitismus auf dem linken Flügel entgegenzutreten, hat Starmer einige Fortschritte zu verbuchen. Aber der Widerwille gegen seinen Kurswechsel ist überraschend präsent geblieben. Die vielleicht ärgste Widersacherin sitzt ihm sogar unmittelbar im Nacken: Angela Rayner, seine Stellvertreterin.

Auch Rayner, die ihren Aufstieg unter Corbyn gemacht hatte, produzierte auf diesem Parteitag Schlagzeilen, die Starmer nicht gefallen haben. Auf der Konferenz wurden Delegierte und Journalisten Zeugen einer wütenden Hassrede gegen die regierenden Tories. Rayner bezeichnete die Konservativen als „eine Ansammlung von Abschaum, ein Stück homophoben, rassistischen, frauenfeindlichen, absolut bösartigen, fiesen, bananenrepublikhaften, aus Eton kommenden Abschaums“.

Sind Starmer die Hände gebunden?

Nach Empörung aus der Regierung sprangen Linke in der Partei Rayner bei. David Lammy, Schattenminister für Justiz, verteidigte ihre Worte als „fruchtig“ und versuchte, sie mit Äußerungen des Premierministers gleichzusetzen. Starmer reagierte eher peinlich berührt. Er würde eine solche Sprache nicht verwenden und mit Rayner darüber reden, versicherte er. In Starmers Entourage wird befürchtet, dass derartige Ausfälle dem Ziel schaden, Wähler hinter der sogenannten roten Mauer – Labours Stammlande – zurückzugewinnen, die bei den letzten Wahlen für die Tories gestimmt haben.

Starmer will seine Wählerschaft wieder verbreitern, auch indem er versucht, der Partei extreme Ansichten auszutreiben, die außerhalb von Universitätsstädten schwer zu vermitteln sind. Aber es wirkt, als seien ihm die Hände gebunden. Auf dem Parteitag ließ er sogar eine tapfere Mitstreiterin, die Labour-Abgeordnete Rosie Duffield, im Regen stehen. Duffield hatte sich in die heftige Transgender-Debatte eingemischt und darauf beharrt, dass „nur Frauen einen Gebärmutterhals haben“. Daraufhin war sie von Labour-Aktivisten derart bedroht worden, dass sie dem Parteitag lieber fernblieb. Statt die Äußerung seiner Fraktionskollegin zu verteidigen, befand Starmer, dass dies „etwas ist, dass nicht gesagt werden sollte“.

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