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#Algenblüte oder Zementverklappung?

„Algenblüte oder Zementverklappung?“

Schätzungsweise trieben bislang etwa 100 Tonnen tote Fische die Oder hinunter. Die ersten größeren Mengen Fischkadaver waren Ende Juli südlich von Breslau gefunden worden, am 9. August gab es bei Frankfurt an der Oder auch die ersten Funde in Deutschland. Dort zeigten sich bereits am 7. August auffällige Veränderungen einiger Paramater, so stieg etwa der pH-Wert des Flusswassers deutlich an, es wurde also alkalischer. Unklar ist auch, ob die hohen Wasserstemperaturen oder die niedrigen Pegelstände etwas mit dem Phänomen zu tun haben.

Ulf von Rauchhaupt

Redakteur im Ressort „Wissenschaft“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Zur Zeit untersuchen Labore in Deutschland und Polen Kadaver und Flusswasser auf rund 300 verschiedene chemische Substanzen. Die aktuelle Datenlage sei allerdings noch lückenhaft, sagte Jörg Oehlmann, Leiter der Abteilung Aquatische Ökotoxikologie am Institut für Ökologie der Universität Frankfurt am Main, dem Science Media Center Deutschland. „Konkret fehlen selbst Basisdaten, wie zum Beispiel die Gehalte an Gesamt-Phosphor, Ortho-Phosphat und Ammonium im Wasser. Insofern ist Bewertung mit eben diesen Unsicherheiten behaftet.“

Bei der Aufklärung des Fischsterbens gebe es zwei mögliche Strategien: Einmal die „Target-Analytik“ auf Hunderte möglicherweise ursächliche chemische Verbindungen. „Das Risiko ist jedoch groß, dass angesichts von rund 350.000 Substanzen im weltweiten Gebrauch die verantwortliche Chemikalie dabei nicht abgedeckt ist“, sagt Oehlmann. Eine Alternative ist die Suche nach auffälligen Mustern mittels einer Kombination aus Flüssigchromatographie und Massenspektrometrie. „Dabei ist jedoch die Identifizierung der Chemikalie, die sich hinter einem auffälligen Peak verbirgt, sehr zeitaufwendig“. So etwas dauere typischerweise bis zu mehrere Wochen.

Die Pathologen brauchen frisches Gewebe

Die zweite Strategie, erklärt der Ökotoxikologe, analysiert Vergiftungssymptome bei den verendeten Tieren ähnlich wie bei einer menschlichen Leiche, bei der eine Gifteinwirkung als Todesursache in Frage kommt. „Dieser Ansatz ist sehr zielführend und kann über das Symptommuster – Veränderungen an Organen, inklusive feingeweblicher Untersuchungen – die Ursachen gut identifizieren. Dies dauert typischerweise drei bis fünf Arbeitstage. Bei beiden Strategien ist es jedoch essenziell, dass ‚frische‘ Proben verfügbar sind, weil Verdachtssubstanzen möglicherweise schnell abgebaut und dann nicht mehr nachweisbar sind.“

Oehlmann hält es indes für unwahrscheinlich, dass die Überlagerung mehrerer Einzelereignisse für das Fischsterben verantwortlich ist. „Auch die Theorie, dass der niedrige Wasserstand und die hohen Temperaturen über einen zusätzlichen Stress die Effekte von unter Normalbedingungen nicht toxisch wirkenden Einzelchemikalien oder des komplexen Substanz-Cocktails so sehr verstärken, dass das Fischsterben auftrat, ist für mich nicht plausibel“. Vielmehr falle das zeitliche Zusammentreffen des Fischsterbens mit der plötzlichen Veränderung mehrerer Parameter an der Messtation in Frankfurt an der Oder auf: dem Anstieg des Sauerstoffgehalts auf bis zu 160 Prozent der Sättigung, des pH-Werts, der Leitfähigkeit, der Trübung und des Gesamtchlorophyllgehalts sowie mit dem Rückgang des Nitrat-Stickstoffs. „Eine plausible Erklärung für diese gleichzeitig auftretende Veränderung der genannten Parameter ist ein massives Algenwachstum – entweder als natürliches Phänomen, begünstigt durch die hohen Temperaturen und starke Sonneneinstrahlung, oder infolge der Einleitung oder des Eintrags großer Phosphor- beziehungsweise Phosphat-Mengen, zum Beispiel aus Mineraldüngern.“

Kaskadeneffekt: Verwesung macht die Brühe noch giftiger

Das Sterben der Fische und wirbelloser Flussbewohner könne eine Folge der Freisetzung von Toxinen durch Cyanobakterien sein, die zahlreiche Substanzen bilden, die Nerven-, Leber- und Zellschäden verursachen. Solche Stoffe seien auch in der Vergangenheit schon für Fischsterben verantwortlich gewesen, sagt Oehlmann. Dabei würden oft Kaskadeneffekte beobachtet: Die Freisetzung erster Cyanotoxine führe zum Tod empfindlicher Arten und die Verwesung ihrer Kadaver zur Bildung von Ammonium. Als Folge der Algenblüte steige auch der pH-Wert und das pH-abhängige Gleichgewicht von schwach toxischem Ammonium zu stark toxischem Ammoniak werde zugunsten des Ammoniaks verschoben, „sodass weitere Arten absterben und am Ende das gesamte System ‚kippt‘.“

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