#Als Bismarck Rudolf Virchow zum Duell forderte
„Als Bismarck Rudolf Virchow zum Duell forderte“
Zwölf Radialsysteme hielten Berlin sauber. Pumpwerk V ging 1881 in Betrieb, und 1905 wurde das imposante Backsteingebäude am Ufer der Spree nochmals erweitert. Mittlerweile dient es als Kulturzentrum, in dem unter anderem eine Tanzcompagnie zu Hause ist und ein Hygienekonzept neuerdings auf 3 G besteht. Wo Besucher heute medizinische Masken tragen, weil tödliche Coronaviren die ganze Welt plagen, pumpten Maschinen bis Ende der Neunzigerjahre Fäkalien aus der Stadt: Von Friedrichshain aus floss das Abwasser nach Falkenberg, auf ein Rieselfeld, von denen es besonders im Norden und Süden Berlins einige gab.
Mehr als 10.000 Hektar wurden auf diese Weise nicht nur gedüngt, sondern im Verlauf der Jahrzehnte potentiell mit Schwermetallen verseucht. Bevor man dort aber den Anbau von Obst oder Gemüse stoppte und sich über die beste Altlastensanierung Gedanken machte, herrschte eine Win-win-Situation, die Rudolf Virchow im Dezember 1872 auch in seinem Generalbericht zur „Reinigung und Entwässerung Berlins“ berücksichtigte. Darin sind Pläne und Arbeiten einer „städtischen gemischten Deputation“ zum Thema versammelt, so wurden den Kosten für Bau und Betrieb der geplanten Radialsysteme mitsamt Pumpwerken, gemauerten Kanälen und darüber liegenden Leitungen aus gebrannten, glasierten Tonrohren die Ersparnisse entgegengehalten, die sich aus der reduzierten Straßenreinigung sowie Abfuhr ergeben, weil Senk- oder Abtrittsgruben für menschliche Exkremente entfielen, wenn auch nicht der Stallmist.
Neben der Einschätzung, wie viel Rieselfläche je 100.000 Einwohner nötig wäre, werden Versuche mit Ryegras und dessen Eignung als Grünfutter für Milchkühe erläutert, sogar die Trockensubstanz ist angegeben, die für einen Erwachsenen pro Jahr an Harn und Kot anfällt, in der Summe 95 Pfund. All diesen Berechnungen stellt der Mediziner ausführliche Analysen von Bodenbeschaffenheit, Grund- und Brunnenwasser sowie Statistiken zu Infektionskrankheiten und Sterblichkeiten in den Stadtteilen voran.
Rudolf Virchow ist den meisten nur als Pathologe ein Begriff. Er war aber auch als Politiker sehr aktiv, und seine Betrachtungen zu sozialen Aspekten von Gesundheit und Medizin machten ihn auf der ganzen Welt berühmt.
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Bild: Bettmann/CORBIS
Die Bakteriologie ist damals zwar erst in ihren Anfängen, die meisten Erreger sind noch nicht einmal bekannt, aber Virchow erkennt wichtige Zusammenhänge: „Die Zahl der Häuser, in welchen Cholera-Erkrankungen vorkamen, war ungleich größer in der Kategorie der schlechten und sehr schlechten Trinkwasser, als in derjenigen der mittelmäßigen und guten“, interpretiert er die Daten zur Cholera-Epidemie 1866, der Tausende zum Opfer fielen, was die Behörden veranlasste, die Hygiene in der Stadt bald mittels Kanalisation zu verbessern. Bestehende Pläne erwiesen sich als unzureichend, die Deputation ergänzte sie um notwendige Untersuchungen und arbeitete dann knapp vier Jahre lang an diesem Riesenprojekt.
Doch das Protokoll einer Sitzung vom 14. Mai 1873, dessen Original im Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften neben vielen weiteren Dokumenten aus Virchows Nachlass verwahrt wird, kann deshalb als Sieg für die wissenschaftliche Akribie des Sozialhygienikers, der zuvor schon die Fleischbeschau und den Bau neuer Krankenhäuser anregte, und seiner geschätzten Kollegen betrachtet werden: Es werden die Mittel für das erste Radialsystem bewilligt, No. III in Kreuzberg, die Bildung der städtischen Baukommission für die Kanalisation beschlossen und der heute dafür weltweit berühmte Baurat James Hobrecht als Chefingenieur mit der Ausführung beauftragt. Bis 1909 sollte es dauern, seine Pläne insgesamt umzusetzen, da ist der Berliner Stadtplaner schon sieben Jahre tot.
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