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#Als der „weiße Sport“ plötzlich diverser wurde

Als der „weiße Sport“ plötzlich diverser wurde

Am 28. August 1950 geschah Historisches im „weißen Sport“, wie Tennis lange Zeit genannt wurde. Auf der Anlage des West Side Tennis Club in Forest Hills, wo die US Open bis zum Umzug nach New York viele Jahre ausgetragen wurden, drängelten sich Menschen, um auf den abgelegenen Platz 14 zu gelangen und zu staunen. Angezogen hatte die Zuschauer nicht die Britin Barbara Knapp, die aussah und spielte wie andere Damen jener Zeit, sondern die Exotin von der anderen Seite.

Thomas Klemm

Redakteur im Ressort „Geld & Mehr“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Sie hieß Althea Gibson, war 23 Jahre alt und forsch. Die Sensation war aber ihre Hautfarbe. Gibson war die erste Schwarze, die nicht nur auf Turnieren unter Ihresgleichen spielen durfte, sondern auch unter den Gutsituierten auf großer Bühne. „Die groß gewachsene Schwarze mit den spinnengleichen Armen und Beinen und einem unergründlichen Lächeln“, wie Bruce Schoenfeld in seiner gerade auf deutsch erschienenen Biographie „Althea Gibson“ schreibt, schaffte es aus Harlem heraus. Und der weiße Sport war schlagartig diverser geworden.

Was vor 70 Jahren zuzeiten der Rassentrennung in den USA eine Attraktion war, ist heute Alltag. Die Siegerinnen bei den wichtigsten Tennisturnieren der vergangenen zwanzig Jahre sind so bunt gemischt wie nie zuvor: Erst haben die Williams-Schwestern Serena und Venus dominiert, dann Sloane Stephens, Li Na, Ashleigh Barty, Naomi Osaka und zuletzt Emma Raducanu Triumphe bei Grand-Slam-Wettbewerben gefeiert. Also junge Frauen mit afroamerikanischen oder asiatischem Hintergrund oder, wie die Australierin Barty, mit Aborigine-Wurzeln.

Vagabundin als Wegbereiterin

Althea Gibson, 1927 geboren und 2003 gestorben, gilt als Wegbereiterin. Sie behauptete von sich: „Ich bin die Größte.“ Doch wenn es auf dem Platz darauf ankam, blieb die Amerikanerin jahrelang hinter den Erwartungen zurück. Sie spielte unbeständig, auf Gewinnschlägen folgten Leichtsinnsfehler. Immerzu improvisierte sie: „Sie war eine Vagabundin, trug ihr Leben in einem Koffer mit sich herum und war sich ständig bewusst, dass das Karussell, auf dem sie fuhr, jederzeit anhalten konnte“, schreibt Schoenfeld.

In der zweiten Hälfte der 1950er Jahre kam das Karussell erst richtig in Fahrt. In Paris 1956 holte Althea Gibson als erste Schwarze einen Grand-Slam-Titel, triumphierte in Roland Garros auch mit der Britin Angela Buxton im Doppel wie anschließend in Wimbledon. 1957 und 1958 schrieb sie weiter Geschichte, gewann jeweils die Einzeltitel in Wimbledon und bei den US Open. Als sie 1958 ihre Karriere beendete, war sie auf elf Grand-Slam-Titel gekommen.

Große Ehre: Althea Gibson schüttelt nach dem Sieg in Wimbledon Queen Elizabeth II. die Hand.


Große Ehre: Althea Gibson schüttelt nach dem Sieg in Wimbledon Queen Elizabeth II. die Hand.
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Bild: AP

Serena Williams, die mehr als 40 Jahre später als zweite Schwarze ein Grand-Turnier gewann, preist Gibson stets als „wichtigste Pionierin“: „Sie war Schwarz, sah aus wie ich und hat viele Türen geöffnet.“ Aber anders als Arthur Ashe weigerte sich Gibson Zeit ihres Lebens, als Vorbild zu wirken und die Bürgerrechtsbewegung zu unterstützen. Und das, obwohl sie bei Turnieren oft nicht dieselben Unterkünfte, Restaurants und Toiletten benutzen durfte wie ihre Konkurrentinnen. „Ich bin einfach nur eine weitere Tennisspielerin, keine schwarze Tennisspielerin“, sagte sie.

Die Serena Williams ihrer Zeit

Was sie auch war: stolz, störrisch und in den Augen vieler arrogant. Sie schüchterte Gegnerinnen ein mit ihrem Serve-und-Volley-Spiel ebenso wie mit einem Auftreten, das jenem von Serena Williams nicht fern liegt. Wenn es mit dem Tennis nicht so lief, versuchte sich Althea Gibson als Jazzsängerin und spielte professionell Golf. Nach dem Ende ihrer Sportkarriere jahrelang vergessen, krank und so gut wie verarmt, rettete ihr ein Spendenaufruf ihrer früheren Doppelpartnerin Buxton das Leben. Das vom Verlag als Gibson-Biografie verkaufte Buch handelt fast zur Hälfte von der Engländerin, die als Jüdin auch eine Außenseiterin im Tennis war.

Was Schoenfelds Buch lesenswert macht, sind die Schilderungen aus den wilden Fünfzigern im Tennis: „Die Turnierserie glich einer wandernden Pyjamaparty, mit Tennismatches am Tag und Galapartys am Abend. Die Frauen spielten Poker, Bridge und Rommé miteinander und duellierten sich am nächsten Tag auf dem Platz.“ Sobald sie einen Mann zum Heiraten fanden, beendeten sie den Spaß.

So schillernd die über 400 Seiten verstreuten Porträts und Anekdoten auch sind – bei der Lektüre schwirrt der Kopf vor lauter neuen Namen. Die große Schwäche des Buches jedoch ist, dass es aus der Zeit gefallen ist. Fragen von Rasse und Geschlecht behandelt Schoenfeld bestenfalls oberflächlich, die Aufregung und die Fortschritte der vergangenen Jahre rund um Black Lives Matter und die Diversity-Debatten fehlen komplett. Das kann nicht überraschen, erschien das amerikanische Original doch schon 2004. Damals hatte Amerika noch keinen schwarzen Präsidenten Barack Obama und Althea Gibson noch keine Bronzestatue auf der Anlage der US Open gehabt. Die deutsche Ausgabe kommt zu spät.

Bruce Schoenfeld: Althea Gibson. Gegen alle Widerstände. Die Geschichte einer vergessenen Heldin. Verlagsgruppe HarperCollins, 416 Seiten, 22 Euro.

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