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#Alt gegen Jung in der Pandemie

Alt gegen Jung in der Pandemie

Wenn sich das Coronavirus im menschlichen Körper ausbreitet, kann es dort Verheerendes anrichten. Fast alle der sogenannten Corona-Toten sterben nicht mit dem Virus, sondern an seinen unmittelbaren Folgen. Doch der Schrecken dieser Pandemie beschränkt sich nicht auf medizinische Befunde, er zeigt sich nicht nur in den Krankenakten. Die zweite Tücke des Erregers besteht darin, dass er an den Grundfesten der Gemeinschaft rüttelt. Corona provoziert die Frage, welche Strategie nicht nur wirksam ist, sondern auch gerecht – beim Lockdown, beim Impfen, bei der Vorstellung, was danach kommt.

Dass bei der Bewältigung dieser Krise medizinische und ethische Fragen so oft kollidieren, hat einen Grund. Das Risiko, schwer an Covid-19 zu erkranken, ist ungleich verteilt, vor allem das Alter ist maßgeblich. Auch Junge können schwer an Covid-19 erkranken, aber es trifft vor allem die Älteren. Es braucht keine Pandemie, um darüber zu streiten, ob der Generationenvertrag noch beiden Seiten gerecht wird. Doch die Gesundheitskrise wirft ein gefährliches Schlaglicht darauf.

Zweitklassige Impfstoffe für junge Leistungsträger?

Seit dem ersten Lockdown hält sich die Wahrnehmung, dass die Regierung vor allem die Jungen zum Verzicht zwingt, um die Alten zu schützen. Je mehr Existenzen durch den Lockdown bedroht wurden, desto lauter wurde die Frage nach der Verhältnismäßigkeit gestellt. Ausgerechnet die Impfdebatte hat den Graben dann noch tiefer werden lassen. Während die als überlegen geltenden mRNA-Impfstoffe für Ältere zurückgehalten werden, wird der unbeliebte Vektorimpfstoff von Astra-Zeneca an Jüngere verabreicht, derzeit vor allem an medizinisches Personal.

Dass der Impfstoff von Astra-Zeneca für Senioren nicht empfohlen wird, hat der Diskussion nicht die Schärfe genommen, im Gegenteil. In den sozialen Netzwerken machen viele ihrem Unmut darüber Luft, dass gerade die jungen Leistungsträger mit dem angeblich zweitklassigen Impfstoff abgespeist würden.

Unter dem Rubrum der Ungerechtigkeit wird auch die Debatte über sogenannte Privilegien für Geimpfte geführt. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) betont immer wieder, dass er es unfair fände, wenn eine Gruppe nicht nur zuerst geimpft würde, sondern dann auch zuerst wieder Restaurants und Theater besuchen dürfte. Dabei wäre das nicht nur pragmatisch, sondern auch gut begründbar. Die Sorge vor gesellschaftlichem Unfrieden treibt Verantwortliche bereits zu sachlich unvernünftigen Einschätzungen.

Es gibt berechtigte Mahnungen, dass die Folgen des Lockdowns für Jüngere stärker in den Blick genommen werden sollten. Vor allem der Wegfall von sozialen Kontakten setzt den Seelen von Kindern und Jugendlichen stärker zu als zunächst gedacht. Erst vor wenigen Tagen wandten sich Mediziner in einem offenen Brief an die Bundesregierung. Sie warnten darin vor verstärkten „Angststörungen, Depressionen, Schlafstörungen, Essstörungen und Substanzmissbrauch“ bei jüngeren Patienten. Das sind ernste Probleme, keine Lappalien.

Das größte Risiko in der Pandemie tragen die Älteren

Ohne Zweifel zahlt die Gesellschaft seit Monaten einen hohen Preis, um die besonders Gefährdeten so gut wie möglich vor einer Ansteckung zu schützen. Die zynische Frage, ob die Regierung in einer solchen Rechnung eine Preisgrenze setzen muss, ist keineswegs neu. Vor bald zwei Jahrzehnten glaubte der inzwischen verstorbene CDU-Politiker Philipp Mißfelder einen „Generationenverrat“ erkannt zu haben. Er sagte: „Ich halte nichts davon, wenn 85-Jährige noch künstliche Hüftgelenke auf Kosten der Solidargemeinschaft bekommen.“ Den Satz haben damals viele als Entgleisung aufgefasst, als Affront gegenüber den Senioren. Zu Recht.

Dieser Fehler darf sich jetzt nicht wiederholen. Und es gibt Wege, ihn zu vermeiden. Wer damals den Sinn einer Hüftoperation in Zweifel zog, hätte sich ein Bild davon machen sollen, wie viel Lebensqualität verlorengeht, wenn jeder Schritt Schmerzen hervorruft. Gleiches gilt unter anderen Vorzeichen für die gegenwärtige Situation von Senioren. Auf einer Intensivstation wollen sicher auch Jüngere nicht landen.

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In dieser Pandemie steht über allem die Gefahr, dass der Erreger weiterhin Leben beendet und Familien zerreißt. Bald werden 70.000 Menschen bundesweit im Zuge von Corona gestorben sein, das entspricht der Einwohnerschaft von Städten wie Celle, Fulda oder Kempten. Das größte Risiko tragen die Älteren, und die große Mehrheit ist seit einem Jahr zu einem Leben in Isolation gezwungen. Schon vor Corona mahnten Psychiater, dass Depressionen bei Senioren oft nicht erkannt und darum auch nicht behandelt werden. Nicht nur Jugendliche brauchen ihre Mitmenschen, auch Ältere sind auf den Kontakt zur Familie und zu Freunden angewiesen. Das ist keine Frage des Alters, sondern des Menschseins.

Und noch etwas kommt hinzu. Gewiss wird diese Krise irgendwann vorüber sein. Die Jungen haben dann eine Chance. Sie können Verlorenes nachholen, Zeit genug haben sie ja. Viele Alte können das nicht.

Kim Björn Becker

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