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#Altermagnetismus experimentell bestätigt

Bisher gab es zwei Grundarten des Magnetismus – den beispielsweise bei Kühlschrankmagneten gängigen Ferromagnetismus und den Antiferromagnetismus. Doch nun ist es Forschenden gelungen, eine dritte Art des Magnetismus experimentell nachzuweisen: den Altermagnetismus. Bei diesem sind die magnetischen Spins der Atome nicht gleich ausgerichtet wie bei einem Ferromagneten, sondern abwechselnd, wie bei einem Antiferromagneten. Dennoch wirkt auf die Elektronen in diesem Material ein starkes Magnetfeld. Diese Felder können elektrische Ströme ähnlich wie bei Ferromagneten modulieren und könnten daher neue Anwendungen in der Elektronik und Spintronik ermöglichen.

Das Phänomen des Ferromagnetismus ist schon seit Jahrtausenden bekannt: Schon unsere Vorfahren stellten fest, dass bestimmte Materialien anziehend beispielsweise auf Eisen wirken und dieses ebenfalls magnetisch machen können. Später wurde diese Eigenschaft unter anderem für Kompassnadeln genutzt. Das Magnetfeld eines Ferromagneten entsteht, weil die magnetischen Spins seiner Atome alle in dieselbe Richtung ausgerichtet sind. Die zweite, seit gut einem Jahrhundert bekannte Art des Magnetismus ist der in der Natur weit häufiger vorkommende Antiferromagnetismus. In Antiferromagneten wechseln sich die Richtungen der atomaren Magnetfelder an benachbarten Atomen wie weiße und schwarze Farben auf einem Schachbrett ab. Weil sich ihre magnetischen Momente dadurch ausgleichen, haben Antiferromagnete kein äußeres Magnetfeld – Kühlschrankmagnete aus diesem Material würden einfach vom Kühlschrank herunterfallen. So weit, so bekannt.

Merkmale von Ferro- und Antiferromagneten kombiniert

Doch im Jahr 2019 postulierten Physiker der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und des Instituts für Physik der Tschechischen Akademie der Wissenschaften die Existenz von Materialien, die eine unkonventionelle Form des Magnetismus aufweisen. 2021 charakterisierten sie diese als eine dritte Art des Magnetismus, den Altermagnetismus – was in etwa so viel heißt wie „verändernder Magnetismus“. „Die Altermagnete verbinden quasi die Eigenschaften von Ferromagneten und Antiferromagneten. Mit Antiferromagneten haben sie gemeinsam, dass die benachbarten magnetischen Momente immer antiparallel zueinander stehen, also keine makroskopische Magnetisierung auftritt, mit Ferromagneten, dass es einen spinpolarisierten Strom gibt“, erläutert Hans-Joachim Elmers von der Universität Mainz. Ähnlich wie Antiferromagneten erzeugen Altermagneten kein äußerlich messbares Magnetfeld, denn über den gesamten Altermagneten betrachtet heben sich die magnetischen Effekte auf. Engt man das „Sichtfeld“ jedoch ein und betrachtet lediglich Elektronen, die sich in eine bestimmte Richtung bewegen, haben diese einen einheitlichen Spin und unterliegen starken magnetischen Kräften.

„Dieses Ordnungsphänomen hat nichts mit der räumlichen Ordnung zu tun – also mit dem Aufenthaltsort der Elektronen –, sondern nur mit den Richtungen der Elektronengeschwindigkeiten“, erklärt Elmers. Das Interessante daran: Wissenschaftler haben anhand bestimmter Merkmale der Kristallstruktur mehr als 200 Kandidaten für Altermagnetismus identifiziert, die Eigenschaften von Isolatoren, Halbleitern, Metallen und sogar Supraleitern aufweisen. Dies eröffnet ganz neue Möglichkeiten für nanomagnetische und spintronische Anwendungen – theoretisch. „Altermagneten können eine ganze Reihe neuer Phänomene hervorrufen, die es weder bei konventionellen Ferromagneten noch bei Antiferromagneten gibt“, erklären Erstautor Juraj Krempasky vom Paul-Scherrer-Institut in Villigen und seine Kollegen. Allerdings fehlten bisher Methoden, um den Altermagnetismus auch experimentell eindeutig nachzuweisen. Dies ist Krempasky und seinem Team nun gelungen.

Nachweis der altermagnetischen Spin-Auftrennung in Mangantellurid

Für ihr Experiment verwendete das Forschungsteam die kristalline Verbindung Mangantellurid (MnTe). Sie galt bisher als klassischer Antiferromagnet, weil die magnetischen Momente benachbarter Manganatome in entgegengesetzte Richtungen zeigen und somit kein externes Magnetfeld um das Material herum erzeugen. Doch Krempasky und sein Team vermuteten, dass es sich bei Mangantellurid in Wirklichkeit um einen Altermagnet handelt. Um dies nachzuweisen, nutzten die Physiker zunächst theoretische Vorhersagen, um vorherzusagen, welche Signaturen das Material als Antiferromagnet und Altermagnet bei der Röntgen-Photoemissions-Spektroskopie erzeugen müsste. Den Vorhersagen nach müsste sich der Altermagnet durch eine Aufspaltung seiner Elektronen in Energiebänder mit unterschiedlichem Spin verraten – ähnlich wie bei Ferromagneten. Tatsächlich zeigte sich im anschließenden Experiment genau dieser Effekt. Das Ausmaß und die Form der Spinaufspaltung stimmten mit der durch quantenmechanische Berechnungen vorhergesagten altermagnetischen Aufspaltung überein.

„Dies ist ein direkter Beweis dafür, dass MnTe weder ein herkömmlicher Antiferromagnet noch ein herkömmlicher Ferromagnet ist, sondern zu einem neuen, altermagnetischen Zweig der magnetischen Materialien gehört“, sagt Co-Erstautor Libor Šmejkal von der Universität Mainz. Die Messungen belegen zudem, dass der Altermagnetismus eng an die Kristallsymmetrien und Atomformen im Material gekoppelt ist. „Diese Basis in der Kristallsymmetrie macht den Altermagnetismus zu einer der grundlegenden Phasen der Materie – die bemerkenswerterweise fast ein Jahrhundert lang in der Bandtheorie der Festkörper fehlte“, konstatieren die Physiker.

Quelle: Juraj Krempasky (Paul-Scherrer-Institut, Villigen) etal./ Nature, doi: 10.1038/s41586-023-06907-7

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