#Amerikas Handelspolitik: Der Mief des Merkantilismus
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Führende Vertreter der amerikanischen Regierung haben den Abschied von der herrschenden Weltwirtschaftsordnung verkündet, die die Vereinigten Staaten selbst nach dem Zweiten Weltkrieg in Kraft gesetzt hatten. Im Zentrum dieser Ordnung stand die Vorstellung, dass Freihandel den Wohlstand mehrt. Dem Prinzip wurde, im Widerstreit mit anderen Interessen und Vorstellungen stehend, zwar nie komplett Geltung verschafft. Es blieb aber richtungsweisend. Jüngste Äußerungen lassen sich nur so verstehen, dass der freie Handel nun keine Priorität mehr genießt.
Die USA bestreiten nicht, dass die alte Ordnung mit ihren marktliberalen Prinzipien vielen Ländern einschließlich Amerika Wohlstand bescherte. Doch seit einigen Jahrzehnten geht die Rechnung nicht mehr auf, glauben Präsident Joe Biden und seine Mitstreiter. „Das Postulat, dass eine tiefgreifende Liberalisierung des Handels Amerika helfen würde, Güter zu exportieren und nicht Arbeitsplätze und Produktionskapazität, war ein Versprechen, das nie gehalten wurde“, formulierte Bidens oberster Sicherheitsberater Jake Sullivan jetzt in einer Grundsatzrede.
Amerikas Industrie ist nicht ausgehöhlt
Wirklich? Wie passt die Analyse zur offiziellen Arbeitsmarktstatistik, die die niedrigste Arbeitslosenquote seit 70 Jahren ausweist? In den vermeintlich elendigen letzten 30 Jahren entstanden 45 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze in den USA. In dieser Phase wuchs der Hightech-Sektor im Silicon Valley – brodelnde Quelle weltweiten Neides – in globale Dimensionen hinein. Die Geschäftsmodelle solcher Riesen wie Apple, Microsoft oder Nvidia sind Paradebeispiele außergewöhnlich erfolgreicher internationaler Arbeitsteilung, von der die Vereinigten Staaten profitierten. Andere Länder gewannen auch. Aber das gerade ist der unwiderstehliche Charme des Handels.
Die Zahl der Arbeitsplätze, die in Amerika von Importen oder Exporten abhängen, verdoppelte sich in der vermeintlich elendigen 30-Jahres-Spanne auf 40 Millionen, rechnete die amerikanische Handelskammer vor. Sie wies auch darauf hin, dass diese Jobs überdurchschnittlich bezahlt werden.
Übertrieben ist die Darstellung, dass Amerikas Industriebasis ausgehöhlt wurde infolge der Globalisierung, wie Sullivan ausführt. In den beiden Dekaden nach 1990 stieg die Industrieproduktion sogar schneller als zuvor, bevor sie nach der Finanzkrise einbrach.
Vom „China-Schock“ nie erholt
Doch seit zehn Jahren stagniert sie auf hohem Niveau. Das deutet tatsächlich auf eruptive Kräfte: Die Industrie verlor seit 1990 rund 4,5 Millionen Beschäftigte und hält nun nur noch 13 Millionen in Lohn und Brot. Den quantitativ größten Beitrag zum Rückgang der Beschäftigung leistete der technische Fortschritt, der die Produktion automatisierte. Aber kein Zweifel: Der „China-Schock“, Chinas Eintritt in den Weltmarkt, wog schwer. Er hat eine Million Arbeitsplätze in der US-Produktion vernichtet und weitere 1,4 Millionen verbundene Jobs. Doch diese Schlacht ist geschlagen. Die besonders stark betroffenen Industrien haben sich verlagert. Neue Branchen stehen indes derzeit nicht vor der Abwanderung.
Den vielen Regionen, die sich nie vom China-Schock erholt haben, helfen Zölle auf chinesische Importe nicht, wie sie Donald Trump verhängte und Biden in Kraft ließ. Im Gegenteil schaden sie Kunden und ansässigen Unternehmen, die mehr für chinesische Zulieferungen bezahlen müssen.
Geholfen hätte ein Staat, der abgehängte Arbeitnehmer qualifiziert für neue Anforderungen, die in Zukunft größer werden dürften. Der absehbare Strukturwandel durch den raschen Fortschritt Künstlicher Intelligenz könnte Bidens Merkantilismus noch als unzeitgemäße Fabrik-Nostalgie eines alten Mannes entlarven.
Schlechte Erfahrungen mit der Globalisierung und der Wunsch, die Wirtschaft schnell klimaverträglich umzubauen, sollen die Industriepolitik aus Subventionen und Abschotten legitimieren. Zielkonflikte werden übertüncht. Wenn Klimapolitik wichtig ist, darf man nicht die Einfuhr grüner Technologie erschweren. Man muss an der Weisheit des US-Plans zweifeln, eine eigene Solarindustrie aufzubauen. Die Welt wird gut und günstig aus asiatischen Produktionsclustern beliefert.
Richtig bleibt, dass Amerika China exklusive Hochtechnologie vorenthalten will, die das Land zum Ausbau seines Militärs nutzen könnte. Die meisten Handelshindernisse beziehen sich allerdings auf harmlose Güter und sollen China veranlassen, fragwürdige Geschäftspraktiken zu ändern. Wirkung haben die Zölle nicht gezeigt. Amerika sucht aus guten Gründen nach einer Wirtschaftspolitik von morgen – leider verfällt es dabei bloß auf Rezepte von gestern.
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