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#Angelsächsischer Königssitz aufgespürt

Historiker rätseln seit Langem, wo die Residenz von Harald II. stand, dem letzten angelsächsischen König Englands. Einen Hinweis lieferte der berühmte Wandteppich von Bayeux: Auf ihm ist König Harold im Festsaal seines Hauses und in einer Kirche dargestellt. Diese Abbildungen haben Archäologen nun mit neuen Funden abgeglichen und so den mittelalterlichen Königssitz eindeutig im südenglischen Dorf Bosham lokalisiert. Die Residenz stellt ein seltenes Musterhaus der angelsächsischen Aristokratie dar, da diese Bauten von den normannischen Eroberern überwiegend zerstört wurden.

Harold Godwinson, auch bekannt als Harald II., war ein angelsächsischer König, der im Jahr 1066 in der berühmten Schlacht bei Hastings starb. Sie war Teil der Eroberung Englands durch die Normannen, angeführt von Wilhelm dem Eroberer, dem Herzog der Normandie. Der Verlauf seines Feldzugs ist auf dem Teppich von Bayeux in 58 Szenen dargestellt, einem berühmten mittelalterlichen Kunsthandwerk. Auf dem 68 Meter langen Wandteppich zu sehen sind unter anderem zwei Darstellungen von König Harold, in denen er eine Kirche besucht und in einem prestigeträchtigen Saal ein Fest feiert.

König Harolds Residenz stand tatsächlich in Bosham

Dieser Festsaal lag dem Teppich zufolge in dem Dorf Bosham, an der Küste von West Sussex in Südengland. Doch der genaue Standort von Harolds königlichem Machtzentrum aus dem Mittelalter blieb unklar. Historiker vermuten ihn an einer Stelle, an der heute ein Privathaus aus dem 17. Jahrhundert steht, konnten den Standort in Bosham aber bisher nie eindeutig belegen. Um den Ort zweifelsfrei zu lokalisieren, hat ein Team um David Gould von der Exeter University nun archäologische Funde aus früheren Ausgrabungen erneut untersucht. Zudem analysierten die Forschenden die Umgebung des Hauses in Bosham und dortige mittelalterliche Überreste. Ihre Funde verglichen sie mit Vermerken auf alten Karten und Dokumenten.

Foto eines Teils der Gartenruine von Bosham
Ein Teil der Gartenruine von Bosham, die durch neuere Forschungen als mittelalterliches Gebäude bestätigt wurde. © Newcastle University

Dabei stellten Gould und seine Kollegen fest, dass im mittelalterlichen Bosham einst zwei weitere, bisher unbekannte Gebäude standen. Auf den Grundmauern des einen wurde das bis heute erhaltene Haus gebaut, das andere stand im Garten der heutigen Anlage. Die Analyse der Überreste legt nahe, dass der auf dem Bayeux-Teppich dargestellte Festsaal zu einem größeren Komplex gehörte, der auch eine Kirche beinhaltete, die heute noch steht. Darüber hinaus bestätigten die Analysen den Fund einer früheren Ausgrabung, wonach an der Stelle des heutigen Privathauses in Bosham einst eine Latrine in einem großen Holzgebäude stand. In England bauten allerdings nur Menschen mit hohem Status solche Latrinen in ihre Wohnanlagen ein und das erst ab dem 10. Jahrhundert. Daher schließen die Forschenden aus dem Fund, dass sich in Bosham ein elitäres Klohaus befunden hat, das Teil von Harolds verloren geglaubter königlicher Residenz war.

„Die Erkenntnis, dass bei den Ausgrabungen von 2006 tatsächlich ein angelsächsisches Bad gefunden wurde, bestätigte uns, dass dieses Haus an der Stelle einer Eliteresidenz aus der Zeit vor der normannischen Eroberung steht“, sagt Seniorautor Duncan Wright von der Newcastle University. Zusammen genommen belegen die Hinweise „über jeden vernünftigen Zweifel erhaben, dass wir hier den Standort von Harold Godwinsons privatem Machtzentrum gefunden haben, das prominent auf dem Wandteppich von Bayeux abgebildet ist.“

Foto der Holy Trinity Church in Bosham
Die Holy Trinity Church in Bosham gehörte einst zum Wohnkomplex von König Harold. © Newcastle University

Suche nach anderen angelsächsischen Königsresidenzen

Damit haben die Forschenden ein seltenes Exemplar gefunden: „Bei der normannischen Eroberung trat eine neue herrschende Klasse an die Stelle einer englischen Aristokratie, die nur wenige physische Überreste hinterlassen hat. Das macht die Entdeckung in Bosham enorm bedeutsam – wir haben ein angelsächsisches Musterhaus gefunden“, sagt Koautor Oliver Creighton von der University of Exeter. Anders als die normannischen Eliten, die bevorzugt in Burgen hausten, lebten angelsächsische Herrscher wie Harold in geschlossenen Wohnkomplexen aus Herrenhäusern mit angrenzenden Kirchen oder Kapellen, wie die Forschenden erklären. Sie vermuten, dass es einst rund 1.000 solcher Anlagen gab.

In Folgestudien wollen sie nun weitere angelsächsische Adelsresidenzen wie die von König Harold suchen und analysieren, um mehr über Zahl und Aussehen dieser Wohnform zu erfahren. Erschwert wird die Suche dadurch, dass abgesehen von dem Bayeux-Teppich keine visuelle Darstellung solcher englischer Herrschaftszentren aus der Zeit vor der Eroberung existiert.

Quelle: Newcastle University; Fachartikel: The Antiquaries Journal, doi: 10.1017/S0003581524000350

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