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#Auf der Suche nach guten Eltern

„Auf der Suche nach guten Eltern“

Was ist eine gute Kindheit? Eine lange, geschützte und materiell abgesicherte Kindheit ist in Deutschland eine soziale Realität ebenso wie ein normatives Muster. Dessen Kernelemente gelten als selbstverständlich – gegenwärtig etwa die ständige Anwesenheit mindestens eines Elternteils (bevorzugt der Mutter), die Befreiung der Kinder von Arbeit und natürlich die Förderung der Persönlichkeit des Kindes vor allem durch Bildung. Auch wenn sich dieses Muster kulturell und gesellschaftlich unterscheiden mag – mit Sicherheit gelten die Eltern als Hauptverantwortliche für eine gute Kindheit. Empirisch ließ sich „gute Elternschaft“ durch Befragungen darstellen, durch die Auswertung der zahllosen Elternratgeber oder durch retrospektive Befragungen, wie Kinder ihre Eltern erlebt haben.

Einen ganz anderen Zugang haben jetzt Alexandra König und Arne Niederbacher gefunden: die Adoptionsvermittlung und der mit ihr verbundene Auftrag, die besten Eltern für ein Kind zu finden. Zwar setzt die jeweils aktuelle Rechtslage dem Verfahren enge Grenzen, doch diese betreffen vor allem die Frage, wer sich überhaupt als Adoptiveltern bewerben darf. Für die anschließende Vermittlung von Eltern und Kind dagegen geben die „Empfehlungen zur Adoptionsvermittlung“ eine Orientierungshilfe für die zuständigen Behörden bei der konkreten Bestimmung der „besten Eltern“. Diese Empfehlungen werden seit 1983 von der Bundesarbeitsgemeinschaft Landesjugendämter herausgegeben. Mittlerweile liegen sie in der achten Auflage vor. In diesen 40 Jahren müsste sich das normative Konzept guter Elternschaft entsprechend den Veränderungen der Gesellschaft mit verändert haben, so die Mutmaßung der Autoren. Was unterscheidet also die besten Eltern der Achtzigerjahre von den heutigen?

Die Persönlichkeit der Eltern wird zum zentralen Kriterium

Entscheidend sei das Jahr 1976 gewesen: Seitdem gelte das Kindeswohl als maßgebliches Kriterium der Adoptionspraxis. Damit wurde nicht länger die „Adoptionsfähigkeit“ des Kindes geprüft, sondern die Eignung der Eltern. Das Alter der Adoptierten sinke seitdem, heute werden vermehrt Säuglinge nachgefragt. Die früher häufigen „Inkognito-Adoptionen“ werden seltener und damit auch der Wunsch, nach außen eine biologische Elternschaft vortäuschen zu können. Jetzt gehe es um Zusammenpassen der besonderen Bedürfnisse des Kindes und der Fähigkeiten der Eltern, diese zu erfüllen. Die Vermittlungsbehörden stehen dabei vor einer sehr schwierigen Aufgabe: Fast immer müssen sie entscheiden, bevor sich Kind und Adoptiveltern überhaupt begegnen. Immer gebe es viel mehr Bewerber als Kinder. Und insbesondere Neugeborene müssen möglichst rasch vermittelt werden. Was raten die Empfehlungen in dieser Situation?

Schaue man sich die Verschiebungen über die Jahre an, so tendiere die Persönlichkeit der Eltern zur zentralen Bewertungsinstanz zu werden, während objektive Statuskriterien verdrängt werden. Etwa das Alter: 1983 hieß es noch, potentielle Eltern von Säuglingen und Kleinkindern sollten nicht älter als 35 Jahre sein. Heute ist diese Bestimmung nicht mehr enthalten. Jetzt gebe es nur den Verweis auf einen gebotenen „natürlichen Altersabstand“ zwischen Eltern und Kindern, der deutlich interpretationsoffener sei. Das gelte auch für die Berufstätigkeit: 1983 wäre die Berufstätigkeit beider Eltern ein klarer Ablehnungsgrund gewesen, heute werde nachgefragt, ob Kindeserziehung und Erwerbstätigkeit vereinbar seien.

Heute führe die Persönlichkeit die Kriterienliste an. Man solle dafür insbesondere das „individuelle Selbstkonzept“ der Bewerber anhand von Kriterien wie Flexibilität, Belastbarkeit, Problemlösestrategien, Selbstkonzepte, Empathie, Toleranz und emotionale Ausdrucksfähigkeit prüfen. Es gelte außerdem zu vermeiden, dass sie „unreflektiert eigene erlebte Erziehungsmuster auf das zu vermittelnde Kind“ übertragen. Diese Stichworte könnten aus den einschlägigen Beschreibungen der neuen Mittelklasse stammen, bemerken die Autoren.

Eine Verschiebung der Kriterien vom „objektiven Status“ zum „selbstreflektierten Subjekt“ bedeute aber nicht, dass Bewerber statusunabhängig gleiche Chancen bei der Vermittlung hätten. Im Gegenteil. Mit Blick auf die verlangte „Persönlichkeit“ könne angenommen werden, dass sich die Adoptionsvermittlung an einem Mittelklassehabitus des „emotionalen und unternehmerischen Selbst“ orientierten. Leider gebe es keine Daten darüber, wer überhaupt eine Adoptionsvermittlung aufsucht. Man dürfe aber vermuten, dass die Kinder sozialstrukturell eher von unten und die Eltern von oben kommen.

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