#Angst vor Sanktionen schwächt den Rubel
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„Angst vor Sanktionen schwächt den Rubel“
Wenn Russlands Präsident Wladimir Putin demonstrieren will, dass er Probleme löst, staucht er gerne Untergebene im Fernsehen zusammen. So auch im Dezember, als er mit Ministern über steigende Lebensmittelpreise sprach. „Die Menschen schränken sich ein, weil ihr Geld nicht für die Grundnahrungsmittel reicht“, schimpfte Putin, „und wohin schauen Sie?“ Kurz darauf verständigte sich die Regierung mit Zucker- und Sonnenblumenölproduzenten darauf, die Preise einzufrieren, und führte Exportquoten und Ausfuhrzölle für Weizen ein.
Katharina Wagner
Wirtschaftskorrespondentin für Russland und die GUS mit Sitz in Moskau.
Inflation ist für die russische Führung ein Schreckensszenario, das die ohnehin große Unzufriedenheit im Land angesichts jahrelanger Stagnation verstärken könnte. Dass die staatliche Regulierung indes keine Dauerlösung ist, gab Putin am Mittwoch in seiner Rede zur Lage der Nation zu. Die Regierung solle daher Wege finden, die Preise mit „Mitteln des Marktes“ zu stabilisieren.
Die Teuerung, die im März bei 5,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat lag, hat auch mit international gestiegenen Lebensmittelpreisen zu tun, vor allem aber mit der Schwäche des Rubels. Seit Anfang 2020 hat die russische Währung zum Dollar um beinahe 20 Prozent abgewertet, derzeit kostet ein Dollar gut 75 Rubel.
Der Rubel unter Druck
Im vergangenen Jahr spielte auch der in der Pandemie gefallene Ölpreis eine Rolle, doch der hat sich inzwischen erholt. Dass der Rubel weiter auf niedrigem Niveau verharrt, hat sich der Kreml weitgehend selbst zuzuschreiben: Der Gesundheitszustand des inhaftierten Oppositionsführers Alexej Nawalnyj ist kritisch, er darf weiter nicht von seinen Ärzten behandelt werden. Zudem zog Russland an den Grenzen zur Ukraine massiv Truppen zusammen. Beides verunsichert Investoren.
Insbesondere die Angst vor neuen Sanktionen aus Washington ist groß. Als der amerikanische Präsident Joe Biden Mitte März die Frage, ob er Putin für einen „Killer“ halte, bejahte, wertete der Rubel innerhalb eines Tages zum Dollar um ein Prozent ab, die Renditen von Rubel-Staatsanleihen zogen deutlich an.
Auch die Anfang April von Washington verhängten Sanktionen unter anderem wegen Cyber-Attacken ließen den Rubel absacken. Allerdings machte er die Verluste wieder gut, als klarwurde, dass die Maßnahmen eher mild ausgefallen waren. Zwar verbieten sie amerikanischen Finanzinstituten von Mitte Juni an den Kauf russischer Rubel-Staatsanleihen bei der Erstausgabe, am Sekundärmarkt können die die Papiere aber weiter kaufen.
Washington kann Maßnahmen jederzeit verschärfen
Der Anteil ausländischer Käufer am Markt für Rubel-Staatsanleihen hat sich schon deutlich reduziert: Ende März betrug ihr Anteil etwa 20 Prozent, 7 Prozent davon waren amerikanische Investoren. Im Februar vergangenen Jahres lag der Anteil ausländischer Investoren noch bei 35 Prozent.
Russland selbst ist inzwischen nicht mehr so stark auf Geld aus dem Ausland angewiesen wie noch vor 2014: Damals geriet das Land wegen der Sanktionen nach der Annexion der ukrainischen Krim und des Ölpreisabfalls in eine schwere Wirtschaftskrise. Seither hat Moskau Ausgaben gekürzt und seine Schuldenlast verringert. Einen großen Teil seines Geldbedarfs kann es – neben dem Öl- und Gasverkauf – im eigenen Land decken. Demonstrativ kaufte die staatlich kontrollierte VTB Bank vergangene Woche bei einer Emission 72 Prozent der Schuldtitel.
Der Rückzug ausländischer Investoren aus russischen Staatsanleihen verstärkte sich 2019, als Washington Sanktionen gegen in Dollar denominierte Titel verhängte. Auch jetzt könnte die amerikanische Regierung die Maßnahmen jederzeit verschärfen. Spätestens Anfang Juni muss Washington dies sogar – dann ist die zweite Runde der Sanktionen wegen der Vergiftung Nawalnyjs fällig.
Sollte amerikanischen Banken auch der Ankauf russischer Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt verboten werden, dürfte nicht nur ihre Risikoprämie drastisch steigen, sondern auch der Rubel nochmals deutlich abwerten. Doch allein die Aussicht auf weitere Sanktionen wirkt schon auf die Investoren. Der Analyst Stanislaw Muraschow von der Raiffeisenbank geht davon aus, dass die „Sanktionsprämie“ im Verhältnis zum Dollar etwa 10 Rubel beträgt. Demnach wären ohne politische Risiken und beim derzeitigen Ölpreis für einen Dollar nicht wie aktuell gut 75 Rubel, sondern nur 65 Rubel fällig.
Eine solche Prämie kann der Kreml nicht wollen – trotz aller Beteuerungen, dass die Finanzsanktionen bisher nur Gutes, nämlich mehr Unabhängigkeit für den Finanzmarkt, gebracht hätten. Ein schwacher Rubel dient zwar den Exporteuren, die in Dollar bezahlt werden, und füllt über den Verkauf von Öl und Gas den Staatshaushalt. Aber er verteuert auch Importe.
Da in etlichen Produktionsbereichen – im Maschinenbau, der Pharmazie, der Landwirtschaft – Komponenten aus dem Ausland eingesetzt werden, steigen auch für sie die Preise, was schließlich die Verbraucher spüren. Die real verfügbaren Einkommen der Russen sinken oder stagnieren seit Jahren – Ende vergangenen Jahres waren sie um 10 Prozent niedriger als 2013. Putin kündigte daher in seiner Rede am Mittwoch Hilfszahlungen an ausgewählte Gruppen an, die aber kaum größere Effekte erzielen dürften. Marktteilnehmer reagierten dennoch erleichtert: Immerhin habe der Präsident keine militärische Eskalation angekündigt.
Samstags um 9.00 Uhr
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