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#Widerstand gegen Russland um jeden Preis

„Widerstand gegen Russland um jeden Preis“

Die ukrainische Führung um Präsident Wolodymyr Selenskyj gibt sich unbeugsam. Sie sagt immer wieder, dass die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine nicht Gegenstand von Verhandlungen mit Russland sein könnten. Die Offensive der ukrainischen Armee zeigt, wie ernst es ihr ist, die von Russland besetzten Gebiete zu befreien.

In dieser Frage weiß Selenskyj alle relevanten politischen Kräfte in der Ukraine hinter sich. Und nicht nur diese, sondern auch eine sehr große Mehrheit der Ukrainer, wie eine neue Studie von drei Politikwissenschaftlern der Universität Oxford zeigt.

Laut der im Juli vorgenommenen repräsentativen Umfrage würden 79 Prozent der Ukrainer keine Lösung des Konflikts akzeptieren, die zu einer von Russland kontrollierten Regierung führt – unabhängig davon, welche Opfer der Abwehrkampf noch verlangt. Auch die übrigen 21 Prozent sind nicht bereit, sich den russischen Forderungen zu fügen: Sie messen jedoch der territorialen Integrität des Landes höhere Bedeutung bei und sind unter der Bedingung zu politischen Zugeständnissen bereit, dass dafür die territoriale Integrität wiederhergestellt wird.

Nicht überall konnte gefragt werden

Diese eindeutigen Werte seien eine Überraschung für sie gewesen, sagen Janina Dill und Carl Müller-Crepon, die die Umfrage konzipiert und ihre Ergebnisse gemeinsam mit Marnie Howlett in einem noch unveröffentlichten Arbeitspapier zusammengefasst haben, das der F.A.Z. vorliegt. Für die Studien wurden von Mitarbeitern des Kyiv International Institute of Sociology Mitte Juli in allen Teilen der Ukraine, in denen die Sicherheitslage das erlaubt hat, 1160 Menschen befragt. Ausgeschlossen waren die ganz oder teilweise russisch besetzten Gebiete Donezk, Luhansk, Saporischschja, Cherson, Charkiw und Krim sowie das unter ständigem Beschuss liegende Mykolajiw und Sumy, wo während der Befragung Sicherheitsbedenken aufkamen.




Die Umfrage fand in Form persönlicher Gespräche mit Interviewern statt. Diese legten den Befragten acht mögliche Szenarien für die nächsten drei Kriegsmonate vor. Diese würden mit unterschiedlich großen Risiken und Opfern zu verschiedenen politischen Ergebnissen führen würden. Zugrunde gelegt wurde die Annahme, dass größere Zugeständnisse an Russland eine geringere Zahl von Opfern unter den ukrainischen Soldaten und der Zivilbevölkerung sowie ein kleineres Risiko einer nuklearen Eskalation bedeuten.

Die angesichts des Vorgehens der Angreifer sehr reale Möglichkeit, dass Zugeständnisse zu noch größeren Leiden für die Bevölkerung führen könnten, wurde in dem Szenario bewusst nicht genannt. Die Befragten sollten sich in die Rolle der Regierung versetzen und entscheiden.

Keine „Selbstmordmission“

Die Forscher erwarteten, dass die Menschen eine Kosten-Nutzen-Abwägung vornehmen würden. Das war jedoch nicht der Fall. Fast alle Befragten sahen die politische Selbständigkeit und territoriale Integrität als so grundsätzliche Werte an, dass der Kampf für sie alle Opfer rechtfertigt. Unterschiede gab es nur in der Gewichtung dieser Werte: 79 Prozent sind kategorisch dagegen, Zugeständnisse bei der Souveränität zu machen. Zur Bewahrung der Unabhängigkeit sind sie notfalls bereit, Gebietsverluste hinzunehmen.

21 Prozent wären dagegen zu politischen Konzessionen bereit, wenn dafür die von Russland 2014 zerstörte territoriale Integrität wiederhergestellt würde. „Die Ukrainer sind aber nicht auf einer Selbstmordmission“, sagt Janina Dill. Wurden den Menschen nur Szenarien vorgelegt, in denen der Verlust von Selbständigkeit und Gebiet unvermeidlich waren, dann wurde die angenommene Zahl der Opfer zu einem wesentlichen Entscheidungskriterium.

Geschlecht, Alter, Ausbildungsstand, und sozialer Status hatten keinen Einfluss auf die Einstellung der Befragten. Bei Menschen, die im Alltag Russisch sprechen, war der Wille zur unbedingten Verteidigung der Ukraine etwas schwächer ausgeprägt – gerade um so viel, dass es statistisch messbar ist: Unter ihnen treten etwa 75 Prozent für einen Kampf gegen den Aggressor um jeden Preis ein. Zwischen den Russischsprachigen, mit deren Verteidigung das russische Regime seinen Angriffskrieg begründet, und der Ukrainisch sprechenden Mehrheit gibt es in der Frage der Selbstverteidigung also keinen grundsätzlichen Unterschied.

Botschaft an westliche Intellektuelle

In der Studie wurde zudem untersucht, ob es sich auch auswirkt, wenn jemand unmittelbar vom Krieg betroffen ist. Befragt wurden auch Menschen in Gebieten im Norden der Ukraine, die umkämpft und von Ende Februar bis Anfang April besetzt waren. Wie bei den Russischsprachigen ist unter ihnen die Neigung zum bedingungslosen Widerstand etwas geringer – gleichfalls um gerade so viel, dass es noch messbar ist.

Den Anstoß zur Studie haben die Aufforderungen westlicher Intellektueller gegeben, die Ukraine solle zur Vermeidung weiteren Leidens der Bevölkerung ihren Kampf gegen den Aggressor einstellen. Die Autoren der Studie nehmen das Argument aus diesen Appellen ernst, dass auch ein gerechter Verteidigungskrieg ungerecht werden kann, wenn er unverhältnismäßige Opfer fordert. Sie halten es jedoch sowohl aus grundsätzlichen als auch aus pragmatischen Überlegungen für wesentlich, dabei in dieser Diskussion jenen eine Stimme zu geben, die mit den Folgen der Entscheidung leben müssen, den Kampf aufzugeben oder weiterzuführen – den Ukrainern. „Es ist unverantwortlich und unmoralisch, eine solche Kosten-Nutzen-Rechnung rein aus der Ferne zu machen“, sagt Janina Dill. „Und es ist politisch unklug, denn die Tragfähigkeit einer Strategie hängt auch davon ab, ob sie von der Bevölkerung getragen wird.“

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