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#„Ein Opfer rechtfertigt nicht das andere“

„Ein Opfer rechtfertigt nicht das andere“

Herr Bundestagspräsident, wir haben in den vergangenen Tagen Antisemitismus auf unseren Straßen gesehen. Zum Hass von Rechtsex­tremisten kommen Migranten, die die Vernichtung Israels fordern …

Konrad Schuller

Politischer Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.

… und vergessen Sie nicht den Anti­semitismus der extremen Linken. Wir müssen jeden jüdischen Kindergarten, jede jüdische Einrichtung polizeilich schützen, und es ist unerträglich, dass sich viele Juden im Alltag bedroht sehen. Dabei ist die Mehrheit in Deutschland nicht antisemitisch. Im Gegenteil: Sie empfindet es als Glück, dass nach der Shoah wieder Juden hier leben. Ich finde es wunderbar, wenn junge Israelis sagen, dass Berlin die Stadt ist, die sie am liebsten besuchen. Die jüdischen Gemeinden sind gewachsen, und ein Jude in Deutschland sollte nichts Besonderes mehr sein – umso schlimmer, dass er jetzt wieder besonders bedroht ist.

Diese Bedrohung ist gewachsen.

Wir haben es überall in Europa mit dem Problem eines importierten Antisemitismus aus muslimisch geprägten Regionen zu tun. Der Konflikt zwischen Muslimen und Juden hat vielfältige, auch historische Wurzeln, und in einer Katastrophe wie aktuell in Gaza und Israel entsteht schnell eine Lage, in der sich manche radikalisieren.

Die Täter sind allerdings meist nicht Migranten, sondern Rechtsextreme.

Ja, und das hat zugenommen. Dagegen braucht es alle rechtsstaatliche Härte – und den Konsens der Politik, dass es keinen Platz für Antisemiten gibt. Auch die AfD im Bundestag ist peinlich bemüht, nicht in die antisemitische Ecke gerückt zu werden. Sie hat der Berufung eines Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung und einer Antisemitismusresolution genauso zugestimmt wie alle anderen Parteien, und zwar einstimmig.

Trotzdem hat Alexander Gauland die Nazizeit als Vogelschiss bezeichnet.

Ich verstehe vieles bei Alexander Gauland gar nicht, und noch weniger billige ich es. Aber er hat sich nun so oft für dieses Wort entschuldigt, dass ich sagen muss: Das ist kein Ausdruck von Anti­semitismus, sondern von einem völlig falschen Geschichtsbild.

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Sind solche Distanzierungen nicht nur Taktik?

Als Bundestagspräsident nehme ich ernst, was jemand sagt. Im Übrigen ist mir lieber, wenn die AfD an der Holocaust-Gedenkstunde am 27. Januar teilnimmt, als wenn sie es nicht tut. Bislang waren die Abgeordneten immer da, und sie mussten sich etwa von Charlotte Knobloch, der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München, herbe Kritik anhören. Trotzdem haben sie sich danach erhoben wie alle anderen. Unter ihren Anhängern gibt es allerdings auch Antisemiten, so wie das unter Linksex­tremisten übrigens immer war. Da gibt es eine Szene, die über Jahrzehnte Kontakte zu Terroristen im Nahen Osten hatte – und die die Opferrolle der Palästinenser instrumentalisiert. Auch beim aktuellen Angriff der Hamas gegen Israel sind ja in der Mehrzahl die Opfer wieder die Palästinenser selbst. Die Führung der Palästinenser erfreut sich jedenfalls keiner besonders hohen Zustimmung, die kann von so einer Krise profitieren.

Gilt das auch für die Führung Israels?

Benjamin Netanjahu hat auch innenpolitische Motive. Man muss die Politik einer israelischen Regierung nicht immer für richtig halten. Aber der Grat zwischen Kritik an der israelischen Politik und Antisemitismus ist sehr schmal. Wir Deutschen haben für das Existenzrecht Israels eine besondere Verantwortung. Jeder, der in Deutschland lebt, muss das verstehen. Wenn junge Menschen aus Marokko oder aus der Türkei nach Deutschland kommen, dann muss man ihnen das erklären. Es ist furchtbar, dass jüdische Eltern ihren Kindern sagen müssen: „Setz lieber keine Kippa auf, wenn du zur Schule gehst.“ Weil wir ja auch nicht sagen, dass eine Muslimin kein Kopftuch tragen darf und ein Christ kein Kreuz. Das hängt miteinander zusammen. Mir haben früh jüdische Vertreter gesagt, wir sollten Fremdenfeindlichkeit insbesondere gegen Menschen mit muslimischer Abstammung verhindern. Wenn ich dann gefragt habe: „Wieso warnt ausgerechnet ihr davor?“, war die Antwort: „Weil wir wissen, wie es anfängt. Wenn es gegen Minderheiten geht, sind wir am Ende immer schnell beim Antisemitismus.“

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