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#Arktis könnte schon in wenigen Jahren eisfrei sein

Mit dem Klimawandel werden die arktischen Sommer immer länger und wärmer. Bereits jetzt ist zu beobachten, dass dadurch das arktische Meereis drastisch schwindet. Der erste Sommertag komplett ohne Meereis in der Arktis könnte schon im nächsten Jahrzehnt eintreten, wie eine neue Studie nahelegt. Das wäre deutlich früher als nach bisherigen Berechnungen prognostiziert. Ab wann und wie lange ganze Monate eisfrei bleiben, hängt hingegen vom weiteren Verlauf des Klimawandels und den anthropogenen Treibhausgas-Emissionen ab.

Unsere Treibhausgas-Emissionen erwärmen die Erde und lassen Schnee und Meereis in der Arktis schmelzen. Durch die schwindende Eisdecke trifft mehr Sonnenlicht auf das dunkle, offene Wasser des Arktischen Ozeans und erwärmt diesen, was die Eisschmelze wiederum beschleunigt. Bereits jetzt belegen zahlreiche Messungen, dass das arktische Meereis rasant abnimmt. Das hat Folgen für die dort lebenden Tiere wie Eisbären und Robben, die ohne das Eis nur schwer überleben können. Forschende prognostizieren zudem, dass künftig invasive Fischarten aus südlicheren Gebieten das marine Ökosystem durcheinander bringen könnten. Ohne den Schutz des Meereises treffen zudem immer größere Wellen auf die Küste der Arktis, so dass das Land immer weiter erodieren wird.

Allerdings hat der Meereisschwund auch positive Effekte – zumindest für die Schifffahrt: Weil immer mehr Meeresflächen im Sommer eisfrei werden, ist die Nordostpassage schon jetzt immer häufiger befahrbar. Diese Route entlang der Nordküste Sibiriens verkürzt den Transport von Waren zwischen Europa und Asien erheblich. Ein im Sommer komplett eisfreies Nordmeer könnte sogar Fahrten quer über den arktischen Ozean und durch die Nordwestpassage nördlich von Kanada ermöglichen. Als „eisfrei” definieren Klimawissenschaftler den arktischen Ozean üblicherweise, wenn weniger als eine Million Quadratkilometer seiner Fläche mit Eis bedeckt ist. In den vergangenen Jahren zwischen 2015 und 2023 lag der Jahrestiefststand im September bei durchschnittlich rund 3,3 Milionen Quadratkilometern.

Erster Tag ohne Meereis in der Arktis rückt näher

Um herauszufinden, wann genau das Meereis nach dieser Definition „komplett“ verschwunden sein wird, hat ein Team um Alexandra Jahn von der University of Colorado Boulder bestehende Messdaten, Satellitenbilder und Projektionen zum bisherigen und künftigen Eisverlust ausgewertet. Diese Daten glichen die Forschenden zudem mit modernen Klimamodellen ab, die künftige Veränderungen bis auf den Tag genau vorhersagen können. Dabei stellte sich heraus, dass der erste „eisfreie“ Tag, an dem weniger als eine Million Quadratkilometer des arktischen Ozeans mit Eis bedeckt ist, bereits bis zu 18 Jahre vor dem ersten „eisfreien“ Monat vorkommen könnte. Das wird den Prognosen zufolge wahrscheinlich ein September Mitte des Jahrhunderts sein, zwischen 2035 und 2067. Dann wird sich die Erde um 1,8 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau erwärmt haben.

Der erste Tag ohne Meereis könnte entsprechend bereits im kommenden Jahrzehnt, Ende der 2020er oder Anfang der 2030er Jahre auftreten. Das wäre mehr als zehn Jahre früher als bisherige Studien vorgesagt haben. Zwar gilt das Ergebnis von Jahn und ihrem Team unabhängig von unseren weiteren Emissionen, es ist allerdings trotz verfeinerter Methodik weiterhin mit einer hohen Unsicherheit versehen. Der erste Tag ohne Meereis in der Arktis könnte demnach auch erst in den 2040er Jahren liegen. Als sicher gilt jedoch, dass es ein Sommertag Ende August oder Anfang September sein wird.

Künftige Emissionen bestimmen über Dauer des eisfreien Sommers

Bis der arktische Ozean im Sommer mehrere Monate lang eisfrei bleibt, wird es den Modellen zufolge aber noch bis zum Ende des Jahrhunderts dauern, wie die Klimawissenschaftler berichten. Wann genau und wie regelmäßig das passiert und ob alle Sommermonate betroffen sein werden, hängt dabei von unseren künftigen Treibhausgas-Emissionen ab. Wenn wir diese nicht senken und weitermachen wie bisher, könnten dann nicht nur die Sommer-, sondern sogar einige Wintermonate eisfrei bleiben – bis zu neun Monate am Stück von Mai bis Januar. „Dies würde die Arktis in eine völlig andere Umgebung verwandeln, von einer weißen Sommerarktis in eine blaue Arktis“, so Jahn.

Werden hingegen die derzeit angekündigten Maßnahmen ergriffen, um die Emissionen zu senken, wird der arktische Ozean wahrscheinlich Ende des Jahrhunderts nur von August bis Oktober eisfrei sein. Erreicht die Menschheit sogar Netto-Null-Emissionen, gibt es im arktischen Sommer nur im September kein Eis. „Auch wenn eisfreie Bedingungen kurzzeitig unvermeidbar sind, müssen wir unsere Emissionen dennoch so gering wie möglich halten, um längere eisfreie Bedingungen zu vermeiden,” sagt Jahn.

Immerhin beinhalten die Ergebnisse auch eine gute Nachricht: Selbst wenn durch den Klimawandel das gesamte arktische Meereis schmelzen würde, könnte es schnell zurückkehren, sobald die Atmosphäre wieder abkühlt. „Im Gegensatz zur Eisdecke in Grönland, deren Bildung Tausende von Jahren gedauert hat, wird das arktische Meereis innerhalb eines Jahrzehnts zurückkehren, sofern wir in Zukunft CO2 aus der Atmosphäre zurückholen und die Erderwärmung umkehren können“, erklärt Jahn. Einen unumkehrbaren Kipppunkt für das Meereis der Arktis gibt es demnach ihren Resultaten zufolge nicht.

Quelle: Alexandra Jahn (University of Colorado Boulder) et al., Nature Reviews Earth & Environment, doi: 10.1038/s43017-023-00515-9

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