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#AstraZeneca, Thrombosen, Auffälligkeiten und der Nutzen einer guten Impfsurveillance – Gesundheits-Check

AstraZeneca, Thrombosen, Auffälligkeiten und der Nutzen einer guten Impfsurveillance – Gesundheits-Check

Heute hat das Bundesgesundheitsministerium entschieden, auch in Deutschland die Corona-Impfung mit dem Impfstoff von AstraZeneca vorübergehend auszusetzen, nachdem das in den letzten Tagen schon eine ganze Reihe von anderen europäischen Ländern getan hat.

Zur Begründung weist das Paul Ehrlich-Institut auf eine „auffällige Häufung einer speziellen Form von sehr seltenen Hirnvenenthrombosen (Sinusvenenthrombosen) in Verbindung mit einem Mangel an Blutplättchen (Thrombozytopenie) und Blutungen“ hin.

Ich bin kein Mediziner und schon gar kein Neurologe. Aber die Formulierung von der „auffälligen Häufung“ ist eine Anmerkung wert. Bis gestern war nämlich recht unspezifisch die Rede von „Thrombosen“ oder „thromboembolischen Ereignissen“, die so häufig in der Bevölkerung auftreten würden, so dass auch nach einer Impfung mit Fällen zu rechnen sei. Die Pharmazeutische Zeitung schrieb beispielsweise am letzten Freitag über die Thrombosen, die nach den Impfungen mit AstraZeneca beobachtet wurden:

„Diese Anzahl sei nicht höher als die Zahl der Thrombosen, die statistisch zufällig in der exponierten Bevölkerung auch ohne Impfung vorkommen würden, so die EMA. Thromboembolien treten in Deutschland etwa 1 bis 3 mal pro 1000 Personen und Jahr auf und sind damit relativ häufig.“

Ähnliche Bewertungen waren häufig zu hören. Schon die Angabe „1 bis 3 mal pro 1000 Personen“ hätte aber stutzig machen müssen. Kann daran eine winzige Risikoerhöhung messbar sein, die in den Zulassungsstudien mit mehreren zehntausend Probanden und bei den Massenimpfungen in Großbritannien nicht gesehen wurde? Da geht alles im Hintergrundrauschen unter. Mikrometer misst man schließlich nicht mit der Elle. Mit diesem Zahlenwerk lässt sich nichts anfangen.

Jetzt hat man eine ganz andere Sachlage mit differentialdiagnostischen Befunden. Sinusvenenthrombosen sind sehr viel seltener. In der Literatur finden sich Angaben von 1-2 Fällen je 1 Million in der Allgemeinbevölkerung. Bei 1,6 Mio. Impfungen in Deutschland mit AstraZeneca sind bisher 7 Fälle dokumentiert. Das kann man mit gutem Grund eine „auffällige Häufung nennen“, auch wenn die Baseline sicher auch hier zu validieren wäre, etwa mit Blick auf Alter und Geschlecht, auf Länderunterschiede oder die Verlässlichkeit der Häufigkeitsangaben – es gibt nämlich auch deutlich höhere Zahlen. Ob die Kombination von Sinusvenenthrombosen, einem Mangel an Blutplättchen (Thrombozytopenie) und Blutungen die Fälle möglicherweise noch viel ungewöhnlicher macht, müssten Fachleute kommentieren.

Auch eine „auffällige Häufung“ kann natürlich Zufall sein, aber Anlass, hier genauer hinzusehen, ist das allemal. Vielleicht kann man z.B. Risikogruppen identifizieren, denen man besser einen anderen Impfstoff empfiehlt. Ob das Aussetzen der Impfungen richtig war, oder ob man weitere Untersuchungen parallel zum Impfen hätte machen sollen, darüber kann man diskutieren. Man setzt mit dem Aussetzen der Impfungen ja Menschen, die jetzt erst einmal nicht geimpft werden können, der Gefahr einer Covid-19-Erkrankung aus, die übrigens mit einem wirklich hohen Risiko für thromboembolische Ereignisse einhergeht. Aber politisch gab es wohl keine Alternative, wenn man nicht riskieren will, das Vertrauen in die Corona-Impfungen insgesamt zu beschädigen – was dann letztendlich wohl den größten Schaden unter allen Szenarien angerichtet hätte.

Auf jeden Fall sollte jetzt wirklich jedem einleuchten, dass eine gute Impfsurveillance auch nach großen Zulassungsstudien kein Luxus ist. Warum gibt es eigentlich kein Impfregister?

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Edit: Halbsatz zu den Häufigkeiten ergänzt

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