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#Aufstand der indischen Bauern

Aufstand der indischen Bauern

Erstmals seit Jahrzehnten ist Indien in eine Rezession geglitten. Zugleich gerät die drittgrößte Volkswirtschaft Asiens durch die Bauern unter Druck, die sich gegen Reformen des Agrarwesens stemmen, welche die Regierung unter Ministerpräsident Narendra Modi verabschiedet hat. Die Menschen auf dem Land spüren dabei auch die wachsende Arbeitslosigkeit, die Modi mit dem schlagartigen „lock-down“ Ende März wegen der Pandemie noch einmal in die Höhe getrieben hatte.

Christoph Hein

Christoph Hein

Wirtschaftskorrespondent für Südasien/Pazifik mit Sitz in Singapur.

Nun blockieren die Bauern Einfallstraßen nach Delhi. Um sie vom Marsch auf die Stadt abzuhalten, hatte die Polizei auf sie eingeschlagen, Wasserwerfer eingesetzt und Gräben quer durch die Straßen ausheben lassen. Zurücktreiben konnte sie sie nicht.

Die wirtschaftliche Lage Indiens bleibt angespannt. Zwischen Juli und Ende September schrumpfte die Wirtschaftsleistung um weitere 7,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im Vorquartal hatte der Rückgang 23,9 Prozent betragen. Eine Rezession tritt technisch dann auf, wenn die Wirtschaftsleistung in zwei Quartalen hintereinander schmilzt.

„Erstmals offiziell in einer Rezession“

Der heimliche Oppositionsführer Rahul Gandhi nutzte die Lage, um der hindunationalistischen Regierung  vorzuhalten: „Unter Ministerpräsident Modi steckt die indische Volkswirtschaft erstmals überhaupt offiziell in einer Rezession.“

Gandhi bezieht sich darauf, dass Indien erst seit dem Jahr 1996 offiziell Wachstumszahlen veröffentlicht und seitdem durchgehend positive Werte verzeichnete. Allerdings ist davon auszugehen, dass Indiens Wirtschaft schon im Jahr 1991 während der großen Wirtschaftskrise schrumpfte. Analysten rechnen für 2020 mit einem ersten Schmelzen der indischen Volkswirtschaft über ein gesamtes Jahr. 

Gandhi wiederum fuhr fort: „Wichtiger ist noch, dass 30 Millionen Menschen immer noch eine Beschäftigung unter MNREGA suchen.“ Gemeint ist damit der „Mahatma Gandhi Employment Guarantee Act“, eine Beschäftigungsgarantie für die Landbevölkerung.

Die Bauern fürchten einen Verfall der Getreidepreise.


Die Bauern fürchten einen Verfall der Getreidepreise.
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Bild: AP

Die Arbeitslosigkeit unter ihr hat stark zugenommen, weil Millionen Wanderarbeiter aus den Städten durch den unerwarteten „lock-down“ zurück in ihre Dörfer getrieben wurden – wo sie keine Arbeit finden. Gandhi gießt Öl ins Feuer, weil die Bauern sich sowieso unter Druck fühlen. Die Regierung erlaubt ihnen nun, ihre Waren an jedermann abzugeben, und damit auch an Supermarktketten wie den amerikanischen Walmart-Konzern.

Das aber bedeutet, dass die Kleinbauern nicht mehr die garantierten Preise der Einkäufer der Regierung bekommen. Sie fürchten, durch den offenen Wettbewerb künftig insbesondere für Grundnahrungsmittel wie Linsen oder Weizen weniger Geld zu bekommen. Nur noch Großbauern könnten dann bestehen – zumal diese auch von den Agrochemie-Konzernen gefördert werden und wesentlich höhere Erträge erzielen.

Regierungschef Modi wendete sich am Sonntag an die Bauern: „Wir haben Euch von Euren Ketten befreit. Wir verschaffen den Farmern neue Möglichkeiten. Sie müssen nun innerhalb von drei Tagen bezahlt werden.“

Mit Essen, Decken, Batterien

Inzwischen haben sich Tausende Farmer aus den drei Kornkammern Punjab, Haryana und Uttar Pradesh vor den Toren der Stadt versammelt. Führer der gut 30 Gewerkschaften erklärten, sie seien bereit, auch ein halbes Jahr dort zu kampieren. Sie haben ihre Traktoren und Wagen mit Essen, Decken und sogar Batterien beladen, um ihre Mobiltelefone zu laden. Der Konflikt wird dadurch verschärft, dass viele von ihnen Sikhs sind, die der hindunationalistischen Regierung kritisch gegenüberstehen. 

Allerdings legte der Agrarsektor im vergangenen Quartal um 3,4 Prozent zu und verhinderte damit Schlimmeres für die Gesamtwirtschaft. Deren Schrumpfen um 7,5 Prozent in den vergangenen drei Monaten stand im vergangenen Jahr noch eine Wachstumsrate von 4,4 Prozent gegenüber. Auch diese aber liegt weit unter dem, was Indien erreichen muss, um allein jedes Jahr 12 Millionen nachwachsender Arbeitskräfte in Lohn und Brot zu bekommen.

Modi selbst hält weiter an seinem Versprechen fest, bis zur nächsten Parlamentswahl im Jahr 2024 aus dem Subkontinent eine „50-Billionen-Dollar-Volkswirtschaft“ formen zu wollen. Dafür aber müsste er deren Volumen in nun nur noch drei Jahren verdoppeln, was auch schon ohne die Corona -Pandemie unerreichbar war.

Das protektionistische Auftreten der Regierung, die sich etwa aus dem Freihandelsabkommen RCEP zurückzog, verstärkt ihre Probleme. Allerdings wertet sie die jüngsten Zahlen als Hoffnungsschimmer: So hatten Analysten für das zurückliegende Quartal einen Rückgang von sogar 8,8 Prozent befürchtet.

Zudem sind die Zahlen deutlich besser als jene des Vorquartals: Nun ging der Konsum um weitere 11,3 Prozent zurück, nach einem Minus von noch 26,7 Prozent zwischen März und Juni. Die Investitionen schrumpften im Jahresvergleich bis Ende Oktober um weitere 7,3 Prozent, während das Minus im Frühjahr noch bei 47,1 Prozent gelegen hatte.

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