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Ausstellung zum Bauernkrieg in Mühlhausen und Frankenhausen

Der „Bauernkrieg“ gehört zu den historischen Begriffen, die das Ereignis, das sie bezeichnen sollen, mehr verbergen als enthüllen. Was vor fünfhundert Jahren geschah, war weder ein Krieg, noch ging es allein von Bauern aus. Es war ein Volksaufstand, an dem sich neben der Bauernschaft auch Angehörige der Stadtbürgerschaft und des niederen Adels beteiligten und der in mehreren, zu Massakern ausartenden Ge­fechten blutig niedergeschlagen wurde. Eine Kriegserklärung oder einen Friedensschluss gab es nicht, nur einen Forderungskatalog – die berühmten „Zwölf Artikel“ von Memmingen – und eine Kampfschrift von Luther („Wider die Mordischen und Reubischen Rotten der Bawren“), die den grausamen Feld­zügen der Fürstenheere die offiziellen Weihen des Reformators verlieh.

Das Gedenken wird regionalisiert

Dies und vieles andere hätte man anlässlich des fünfhundertsten Jahrestages der Rebellion in einer großen nationalen Ausstellung zeigen können. Aber das Deutsche Historische Museum in Berlin, die erste Adresse für ein solches Vor­haben, hat nichts dergleichen im Programm, und auch die großen Landesmuseen in München und Stuttgart, wo der zuerst in Süddeutschland ausgebrochene Konflikt zur Erinnerungskultur gehören müsste, halten sich bedeckt. So wird das historische Gedenken regionalisiert.

In Bad Schussenried gibt es eine Ausstellung, in Memmingen eine weitere, und in Thüringen ist die diesjährige Landesausstellung zum Thema auf zwei Orte verteilt, auf Mühlhausen, wo Luthers Rivale Thomas Müntzer predigte, und Bad Frankenhausen, wo am 15. Mai 1525 eine der entscheidenden Schlachten des Volks­aufstands stattfand – und wo in einem eigens errichteten Museum die bedeutendste einzelne künstlerische Hinterlassenschaft der untergegangenen DDR zu sehen ist, das Bauernkriegspanorama des Malers Werner Tübke.

„Müntzers Schwert“: Sensenschwert aus den Staatlichen Kunstkammern Dresden, um 1525
„Müntzers Schwert“: Sensenschwert aus den Staatlichen Kunstkammern Dresden, um 1525Jürgen Lösel

Dass Tübke Motive von Dürer, Cranach, Memling, Brueghel, Bosch und vielen anderen als Vorlagen für sein 1987 vollendetes monumentales Wandgemälde nutzte, hat er selbst erklärt. In der Ausstellung im Frankenhäuser Panoramamuseum wird es jetzt noch einmal ausbuchstabiert, in Stichen von Schongauer und Auszügen aus Dürers „Tri­umphzug Kaiser Maximilians“, im „Wunderbarlichen Visch“ eines unbekannten Nürnberger Meisters und in Reproduktionen mehr oder minder klassischer Ma­lerei des 15. bis 19. Jahrhunderts. Steigt man dann aber die Treppe zu Tübkes Riesenwerk empor, werden all diese Reminiszenzen bedeutungslos.

Die zyklische Vision menschlicher Unheilsgeschichte, die den Turmbau zu Babel mühelos mit dem Gemetzel von Frankenhausen verbindet, steht nicht nur in ästhetischer Hinsicht turmhoch über allen weiteren Deutungen des Bauernkriegs. Allein das Gruppenbild, in dem Tübke die Zeugen und Zeitgenossen der kollektiven Tragödie rings um eine giftig schillernde Brunnenschale versammelt, Luther, Dürer, Erasmus, Friedrich den Weisen, Riemenschneider, Rathgeb und viele andere, kann man nicht oft genug anschauen; jedes Mal entdeckt man ein neues sprechendes Detail.

Am Himmel erscheint der stürzende Ikarus

Im Hintergrund ist die Schlacht schon verloren. Die Landsknechte des hessischen Landgrafen und des sächsischen Kurfürsten haben die Wagenburg der Bau­ern durchbrochen, unter den Verteidigern breitet sich Panik aus. Am Himmel erscheint in einer Gloriole der stürzende Ikarus. Müntzer, in der Mitte des rasenden Wirbels stehend, wirkt mit wächsernem Gesicht schon wie ein Toter. Seine rechte Hand ist zum Schutz erhoben, seine linke hält die gesenkte Fahne der Rebellen. Ein Schwert ist nirgends zu sehen.

In Mühlhausen aber wird jetzt „Müntzers Schwert“ gezeigt. Es ist ein mit Runenzeichen verzierter, aus einer Sense geschmiedeter Krummsäbel, der in einer Vitrine neben einer Replik der eisernen Hand des zeitweiligen Bauernfeldherrn Götz von Berlichingen liegt. Schwert wie Hand haben mit Ursachen und Verlauf des Aufstands, der von Rechtsbrüchen des Adels ausgelöst und von Söldnerheeren niedergeschlagen wurde, bestenfalls symbolisch zu tun, aber die Mühlhäuser Ausstellung präsentiert sie wie Originalzeugnisse.

Das Schwert im Rücken: Albrecht Dürers Bildsäule zum Bauernkrieg, aufgestellt in Mühlhausen
Das Schwert im Rücken: Albrecht Dürers Bildsäule zum Bauernkrieg, aufgestellt in Mühlhausendpa

Das hat auch mit dem Mangel an Fundstücken und künstlerischen Bearbeitungen der Katastrophe zu tun. Ein Volksaufstand ist kein Sujet für Kirchen- und Schlössermalerei, und die Schlachtfelder wurden von den Siegern geplündert. Nur Dürer hat sofort auf das Ende der Rebellion reagiert, mit dem Entwurf eines Denkmals, den er seiner Zeichenlehre von 1525 beifügte. Es zeigt eine Säule, die aus einem Butterfass, einen Milchkrug, einer Getreidegarbe mit Ern­tewerkzeugen und einem Hühnerkäfig gebildet ist und auf deren Spitze eine Figur sitzt, in deren Rücken ein Schwert steckt. Der tote Bauer stützt den Kopf in die rechte Hand, wie der rastende Christus in spätmittelalterlichen Skulpturen.

Eine Mühlhäuser Bürgerinitiative, un­ter­stützt vom Bürgermeister der Stadt, hat den Entwurf in Bronze gießen lassen und vor der Kornmarktkirche, dem Hauptort der Ausstellung, aufgestellt. Der Anblick des Denkmals widerlegt alle Spekulationen, Dürer habe sich mit seiner Zeichnung über die Bauern lustig machen wollen. Die Bauernkriegssäule ist ein Schandmal für die Fürsten und ein erschütterndes Zeugnis der Trauer um die hunderttausend Opfer ihrer Siege. Dass sie nach fünfhundert Jahren endlich errichtet wurde, ist ein später Akt historischer Gerechtigkeit.

Aus der Rüstkammer eines Bauern-Anführers: Replik der Eisernen Hand des Götz von Berlichingen
Aus der Rüstkammer eines Bauern-Anführers: Replik der Eisernen Hand des Götz von BerlichingenWilli Pfitzinger, Rothenburg

Die Ausstellung in Mühlhausen ist auf drei Schauplätze verteilt, die imposante Marienkirche, in der Münzer als Pfarrer tätig war, die profanierte Kirche am Kornmarkt und das Kulturhistorische Museum in einer Lücke der größtenteils erhaltenen mittelalterlichen Stadtmauer. Während die beiden ersten Stationen das bäuerliche Leben im sechzehnten Jahrhundert und die Ereignisse von 1525 bebildern, widmet sich das Museum der Rezeption des Geschehens. Der Vorteil für die Kuratoren ist augenfällig, denn an historischen Lesarten des Aufstands herrscht, zumal aus den letzten zwei Jahrhunderten, kein Mangel.

Gerhart Hauptmanns Stück schafft einen neuen Helden

Der Bauernkrieg, im Zeitalter des Absolutismus als Unfall der deutschen Geschichte verschrien, bekam im Frühmärz im Licht nationaler Einheitsträume neue Konturen; in Wilhelm Zimmermanns dreibändigem Pionierwerk von 1843 erscheint er zum er­sten Mal als Freiheitskampf. Im Kaiserreich setzt dann ein weiterer Deutungsschub ein, dem Gerhart Hauptmanns Dra­ma „Florian Geyer“ die literarische Form gibt. Der Kopf der Bauernbünde ist jetzt ein zweiter Arminius, der die ewige deutsche Zwietracht beenden will und so die Reichseinigung vorwegnimmt.

Von Hauptmanns Theaterstück zweigen, wie die Ausstellung mit Plakaten, Fotos, Büchern und sogar Marionetten belegt, eine kommunistische und eine nationalsozialistische Interpretation ab. Beide bedienen sich eines Liedes der Bündischen Jugend, „Wir sind des Geyers schwarzer Haufen“, und passen nur seine ideologische Verkleidung ihren Bedürfnissen an. Bei den Nazis wird der Volksgenosse, bei den Kommunisten das Bauernproletariat zum Träger des Aufstands.

Er war für die DDR der Held des Bauernkriegs: Messingbüste von Thomas Müntzer
Er war für die DDR der Held des Bauernkriegs: Messingbüste von Thomas MüntzerMühlhäuser Museen/Alexander Hartleib

Die DDR beruft schließlich den von fast allen christlichen Kennzeichen gereinigten Thomas Müntzer als zweiten Säulenheiligen, dem Straßenfeste, kostümierte Umzüge und sogar Misswahlen gewidmet sind, während die Bundesrepublik die völkische Sichtweise in Gestalt des Historikers Günther Franz, genannt „Bauern-Franz“, in ihren Wissenschaftsbetrieb einbürgert. Zuletzt schreibt noch die Antiatombewegung die Rebellen von 1525 als Urahnen auf ih­re Fahnen. Danach wird der Bauernkrieg zum Objekt der Denkmalpflege.

Gegenüber dieser inspirierten Geschichtsklassenfahrt fallen die beiden anderen Ausstellungsteile ab. In der Marienkirche bemüht man sich, mithilfe dreier eigens eingebauter Holzhäuschen das bäu­er­li­che Leben um 1500 zu zeigen, am Korn­markt­ führen Leitfiguren wie Luther, Müntzer, der Chronist Jacob Murer oder der Stadtschreiber Johann von Othera als Pappaufsteller durch die einzelnen Akte des Aufstands. Für beide Stationen gilt, dass sie dem Geschehen, das sie in angemessener Breite entfalten – mit Münzen, Klingen, Holzfiguren, Statuetten, Manuskripten, Flugblättern und Gemälden –, nicht in die Tiefe folgen, in der es anschaulich wird. Dazu nämlich müssten sie einen ihrer Zeitzeugen genauer unter die Lupe nehmen.

Etwa den Söldnerführer Asche von Cramm, dessen Bildnis aus der Cranach-Werkstatt in der Kornmarktkirche gezeigt wird. Nach dem Sieg über die Bauern schrieb er an Luther, weil ihn Gewissensbisse plagten. Dieser widmete ihm die Schrift „Ob auch Kriegsleute im seligen Stande sein könnten“. Was trieb den Reitersmann zu seinem Hilferuf? Und warum sprach ihn der Reformator von seinen Sünden frei? Man könnte aus dieser Korrespondenz eine Mentalitätsgeschichte der frühen Neuzeit entwickeln. Aber die Ausstellung in Mühlhausen hält sich, wie fast alle ihrer Art, eisern an die historische Hinterlassenschaft aus Metall, Holz und bedrucktem Pa­pier. So sprechen zwar die Texttafeln, aber nicht die Geschichten hinter den Objekten. Tübkes Weltenpanorama hat recht: Babylon liegt immer noch gleich um die Ecke.

Freiheyt 1525. 500 Jahre Bauernkrieg. Panoramamuseum Bad Frankenhausen, bis 17. August. Mühlhäuser Museen, bis 19. Oktober. Das Begleitheft kostet 14,95 Euro.

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