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#Auszeichnungen machen kreativ

„Auszeichnungen machen kreativ“

Prämierungen sind ein fester Bestandteil des Kulturbetriebs. Filmschaffende hoffen auf den Bayerischen Filmpreis oder einen Academy Award, Musiker auf den Preis der deutschen Schallplattenkritik oder einen Grammy. Diesen Auszeichnungen ist gemeinsam, dass sie auf Jury-Entscheidungen oder Umfragen unter Kritikern und Kollegen beruhen. Ein vom Publikum vergebener oder anhand von Verkaufszahlen ermittelter Preis, wie die „goldene Schallplatte“, ist zwar auch eine schöne Sache, beweist aber nur, dass man den Zuspruch der Laien gefunden hat, was manchen Experten gar als anrüchig gilt. Selbst in der Popmusik sind höchste Weihen jenen vorbehalten, die vom Publikumserfolg nicht (mehr) abhängig sind. Darum gilt David Bowie als ein Säulenheiliger des Pop, Helene Fischer dagegen weniger. Der französischer Soziologe und Sozialphilosoph Pierre Bourdieu bezeichnet diese Stufe der Anerkennung als „Konsekration“ eines Werkes oder seines Autors.

Daran schließt sich die Frage an, was diejenigen, die zu Lebzeiten in den Genuss oder zumindest in die Nähe solcher Wertschätzung kommen, eigentlich daraus machen. Ruhen sie sich auf ihren Lorbeeren aus? Versuchen sie, ihren Erfolg mit den bewährten Rezepten zu wiederholen? Oder nutzen sie die Gelegenheit, um Neues zu probieren? Von Letzterem gingen die Autoren einer kürzlich publizierten Studie aus und griffen zur Überprüfung auf Daten zur musikalischen Entwicklung von Gewinnern der Grammy Awards zurück. Im Gegensatz zu anderen Analysen, die sich vor allem mit den Voraussetzungen künstlerischen Erfolgs beschäftigen, ging es ihnen um dessen Konsequenzen: Beeinflusst ein Grammy die weitere musikalische Karriere und Produktion derart, dass er mehr Kreativität und damit Abweichung vom Durchschnitt befördert?

Zur Beantwortung der Frage wurden die Alben von Gewinnern und Nominierten der Grammy Awards aus den Jahren 1959 bis 2018 herangezogen. Als Merkmale der künstlerischen Entwicklung wurden die Stil- und Genrezuordnungen ihrer Werke berücksichtigt, aber auch deren Inhalte: in Zusammenarbeit mit einem Streaming-Anbieter konnten die digital verfügbaren Alben mit einem akustischen „Fingerabdruck“ versehen werden, der Merkmale wie Tempo, Instrumentalität und Tanzbarkeit integriert. Auf dieser Grundlage wurde mithilfe eines künstlichen neuronalen Netzes ein Modell entwickelt, das die Distanz zwischen einzelnen Musikalben numerisch ausdrückt. So lässt sich berechnen, wie nah ein neues Album allen bisherigen Alben im gleichen Genre steht, und damit, wie konventionell oder innovativ es ist.

Preisträger erhalten mehr Freiräume und Ressourcen

Damit ließ sich zeigen, dass zwischen Nominierten und Gewinnern vor der Entscheidung keine wesentlichen Unterschiede bestehen. Es handelt sich also um ein Feld, das mit Blick auf die künstlerische Qualität und Differenzierung bereits relativ homogen ist. Umso interessanter ist die Frage, ob der Gewinn einen Unterschied macht. Tatsächlich zeichnen sich die Grammy-Gewinner dadurch aus, dass sie sich in späteren Alben stärker von den bereits vorhandenen unterscheiden, also mehr Mut zur Kreativität zeigen.

Das hat unter anderem damit zu tun, dass ihnen die Plattenfirmen nun in der Regel mehr Freiräume und Ressourcen zur Verfügung stellen: Ihre Produktionen werden tendenziell aufwendiger. Dies erscheint gerechtfertigt durch einen gewissen Matthäus-Effekt des Grammy-Erfolgs: Die nachfolgenden Alben sind auch in den Charts erfolgreicher. Im Gegensatz dazu neigen die leer ausgegangenen Nominierten dazu, im Anschluss weniger innovative Alben zu veröffentlichen, die stilistisch den Werken anderer Künstler mehr ähneln als vorher. Der Beinahe-Erfolg scheint also nicht zu weiteren kreativen Bemühungen anzustacheln, sondern eher zu Orientierung an scheinbar bewährten Erfolgsrezepten.

Das für die Musikindustrie erfreuliche Ergebnis, dass Konsekration die Kreativität anspornt, hat also einen Preis: Unterhalb der wenigen Gewinner führt die Preisverleihung eher zu einer Anpassung an den Durchschnitt. Es wäre also vielleicht besser, auf Nominierungen zu verzichten.

Außerdem fällt der kreative Bonus umso geringer aus, je erfolgreicher ein Künstler bereits vor dem Grammy-Gewinn gewesen war. Dass Innovationen ein treues Publikum vergraulen können, weiß man spätestens seit dem Unmut, den Bob Dylan provozierte, als er beim Newport Festival 1965 zur ungewohnten E-Gitarre griff. Mit einer Auszeichnung im Rücken fällt es leichter, sich vom Mainstream zu entfernen. Dem möglichen Gegenwind zu trotzen erfordert jedoch eine künstlerische Sturheit, die auf Zustimmung des Publikums auch mal verzichten kann.

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