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#Autofahren für ISIS – zoon politikon

Autofahren für ISIS – zoon politikon

Vor einer Weile hatte ich eine Frage in meiner Mailbox zur Organisation, die sich als Islamischer Staat im Irak und der Levante (ISIS) bezeichnet. Diese finanziert sich bekanntlich unter anderem auch durch Erdölverkäufe von Ölfeldern, die sie unter ihre Kontrolle gebracht haben. Haben wir alle ISIS in den Tank?

Hier die (leicht redigierte) Frage einer Leserin:

Soweit ich die Situation über die IS Terrorvereinigung mitverfolgen kann, hat die IS unter anderem Ölfelder unter ihrer Kontrolle. Um Geld einzutreiben, bringen sie das Öl zu Schleuderpreisen auf den Weltmarkt. Gleichzeitig sinkt der Ölpreis seit ca. 4-5 Monaten kontinuierlich. Ist vielleicht der Konkurrenzdruck größer geworden für andere Anbieter und es herrscht mehr Wettbewerb?

Ich “freue” mich natürlich über niedrige Spritkosten. Aber finanziere ich indirekt die IS und deren abscheuliche Taten, Morde, Entführungen, Enthauptungen mit, weil ich weniger für Sprit zahle und dann vielleicht den einen oder anderen Ausflug mit meinem Auto mehr unternehme? Ich kann für weniger Geld mehr Kilometer fahren … Kann, darf ich das so überhaupt betrachten?

Die Grundaussage ist richtig: Die ISIS hat sich Ölfelder angeeignet und verkauft auf dem Schwarzmarkt Öl. Es liegt in der Natur der Sache, dass man nicht genau weiss wieviel das ist. Die Schätzungen reichen von 1 Million Dollar zu 3 Millionen Dollar pro Tag. Das ist für eine nicht-staatliche Gruppe natürlich viel Geld und damit lässt sich schon ein Krieg führen und ein rudimentäres Staatswesen aufbauen.

Diese Schätzungen sind jedoch stark umstritten. Der BND meint beispielsweise, dass diese Zahlen viel zu hoch sind weil ISIS inzwischen einen grossen Teil des Öls selber benutzt, nicht über das (oft ausländische) Know-how verfügt um optimal zu fördern und auch viele Anlagen inzwischen durch Luftangriffe zerstört wurden. Solche Schätzungen sind natürlich auch immer politisch nicht unverdächtig, dies gilt für die US Schätzungen ebenso, wie die Vorbehalte des BNDs.

Da ISIS das Öl nicht auf dem normalen Markt einfach verhökern kann, heisst das, dass viele andere mitverdienen wollen. Mittelleute, Fälscher von Zertifikaten oder Korrupte Beamte müssen für ihr Risiko und ihre Dienste entschädigt werden. Darum verkauft die ISIS das Fass zu einem wesentlich weniger als der aktuelle Marktpreise. Dieser steht im Moment bei etwa 70 USD pro Fass. ISIS verlangt angeblich 20 USD.

Wer sich nun fragt, wie ein Schwarzmarkt funktioniert, wo ganze Tankerladungen Petroleum verhökert werden, dem sei diese Podcast Folge von Planet Money empfohlen (Englisch). Darin wird ausgehend von einer Anzeige für 1 Million Fässer Erdöl [sic!] in der nigerianischen Version von Craig’s List unterhaltsam erklärt, wie in Nigeria geklautes Öl am Ende in unseren Fahrzeugen landet. Bei ISIS wird das ähnlich funktionieren.

Ist nun dieses ISIS Öl der Grund für den tiefen Ölpreis im Moment? Kaum. Vereinfacht kann man sagen der Ölpreis wird von Angebot und Nachfrage bestimmt. Wieder gemäss BND ist die maximale Fördermenge der Anlagen, die unter ISIS Kontrolle sind, 172 000 Fässer pro Tag. Gemäss der gleichen Quelle ist die Produktion heute auf etwa 28 000 Fässern gesunken wovon 10 000 in den Export gelangen.

Der jährliche weltweite Rohölkonsum wird auf 32 Milliarden Fass pro Jahr geschätzt. 10 000 Fass pro Tag entsprechen also 0.01%. Wenn wir den ISIS Export grosszügig veranschlagen, zum Beispiel bei 50 000 Fass pro Tag währen das immer noch nicht ganz 0.06%. Dies ist alles unter der Annahme, das ISIS über ein ganzes Jahr jeden Tag diese Menge Öl fördert (also bisher gar nicht der Fall sein kann). ISIS beeinflusst das Angebot daher kaum. Im ökonomischen Jargon sind sie Preisnehmer.

Die OPEC existiert genau zum gegenteiligen Zweck: Sie ist ein Kartell mit dem Ziel den Ölpreis zu beeinflussen. Aber selbst das ist nicht immer einfach (siehe dazu den aktuellen Eintrag bei Weitergen oder diesen Artikel im Economist zum selben Thema). Dazu kommt, dass weil ISIS das Öl auf dem Schwarzmarkt verkaufen muss und wohl auch vermehrt versucht wird, dies zu verhindern, kann die Organisation nicht einfach nach belieben den Hahn aufdrehen. Der momentane tiefe Ölpreis hat also mit grosser Sicherheit nichts mit ISIS Discountpreisen zu tun.

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Quelle

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