Nachrichten

#Autorin Katrine Engberg über Dänemark und Christian Eriksen

Autorin Katrine Engberg über Dänemark und Christian Eriksen

Frau Engberg, wie haben Sie die Stimmung erlebt, als Christian Eriksen vor gut einer Woche während des Spiels Dänemark gegen Finnland kollabierte?

Es fing alles gut an. Es war ein schöner Sommerabend. Wir wohnen nur 500 Meter vom Stadion entfernt, und die Fans laufen direkt an unserem Fenster in Østerbro vorbei. Alle waren miteinander befreundet, es geht uns nach diesen anderthalb Corona-Jahren doch allen so. Einfach zusammen sein, ist so schön.

Und dann?

Wir hörten, wie es läuft drüben im Stadion, hörten die Rufe, den Applaus – und plötzlich war es totenstill. Wir haben das Spiel nicht gesehen, sondern gehört. Wir dachten: Was ist da los? Dann haben wir die furchtbaren Nachrichten mitbekommen. Ich bin kein fußballinteressierter Mensch. Aber es ging nicht um Fußball. Es ging um etwas anderes. Alle waren gerührt. Nach dem Spiel haben wir die Fans wiedergesehen. Es war sehr ruhig und ernsthaft. Sie liefen immer noch nebeneinander; ein dänischer und ein finnischer Fan Arm in Arm. Das Spiel interessierte nicht mehr – wir waren zusammen da, haben etwas Traumatisches erlebt: Es gab keine Fanfeindschaft mehr. Das war sehr schön.

Wie war es am Sonntag, einen Tag später?

Jeder hat davon gesprochen und geschrieben. Alle. Es war eine ganz besondere Stimmung. Ich hatte das Gefühl, wir waren stolz auf diese Mannschaft – die in einer solchen Krisensituation instinktiv gespürt hat, was brauchen wir, was müssen wir machen, was ist richtig – und was ist komplett unwichtig. Erwarten konnte man das von so jungen Männern nicht. Sie sind ja einer großen Belastung und viel Druck ausgesetzt – es geht um Siege, Pokale, Karrieren. Das war aber alles unwichtig. Mir gab das ein Gefühl von Zuversicht. Ja, es kann sein, dass die Welt morgen untergeht, wieder einmal, – aber die nächste Generation hat gute Werte. Das fand ich schön und hoffnungsvoll.

Dänemarks Trainer Kasper Hjulmand erzählte, wie stolz er auf seine Spieler sei. Es ging gar nicht mehr um Fußball. Sondern um Werte.

Im Fußball geht es um Millionen und Milliarden, schon klar, aber da ist auch die Erzählung von Solidarität und Arbeitersport, davon, dass Fußball für alle ist und jeder hinkann. Im Stadion sind arm und reich für 90 Minuten gleich – okay, ich weiß, ganz ehrlich ist das nicht, aber es ist auch so. Es gibt Mitgefühl und Menschlichkeit. Das sah man. Das brauchen wir immer. Aber im Moment brauchen wir es mehr als je zuvor. Wir haben anderthalb Jahre ohne menschliche Verbindung hinter uns. Ich selbst hatte eine lange Periode, in der ich mich einsam gefühlt habe – einsam in der Welt. Ich habe eine Familie, bin privilegiert, hatte aber das Gefühl der Zugehörigkeit verloren. Das heißt, wir brauchen gerade jetzt, mehr als je zuvor, das Gefühl, dass zwischen Menschen eine Verbindung besteht. Das haben wir am Samstag und Sonntag gekriegt. Auch wenn es tragisch war.

Katrine Engberg,  geboren 1975 in Kopenhagen, arbeitete als Tänzerin, Regisseurin und Choreographin. Seit 2016 schreibt sie Kriminalromane. Ihr neues Buch „Das Nest“ erscheint am 28. Juli bei Diogenes.


Katrine Engberg, geboren 1975 in Kopenhagen, arbeitete als Tänzerin, Regisseurin und Choreographin. Seit 2016 schreibt sie Kriminalromane. Ihr neues Buch „Das Nest“ erscheint am 28. Juli bei Diogenes.
:


Bild: Les Kaner

War das bei einem solch traurigen ­Ereignis leichter als bei einem ­fröhlichen?

Der Zugang zu den Gefühlen ist direkter, wenn etwas Trauriges oder Unheimliches passiert. Wenn es gefährlich oder traurig wird, zeigt sich, aus welchem Holz wir geschnitzt sind. Das Publikum war ruhig, respektvoll. Sie haben sich gekümmert. Das hatte Würde.

Tak Danmark, hieß es in deutschen Texten, weil die Spieler gezeigt hätten, worum es wirklich geht.

Ich glaube schon, dass man in Deutschland schnell bereit ist, Dänemark positiv zu sehen. Dabei haben wir auch unsere Schattenseiten. Dass wir zu Fairplay, Mitleid und Mitgefühl in der Lage sind, kann wahr sein, weil wir uns ein ganz solides Sicherheitsnetz in der Gesellschaft gebaut haben – wirklich. Deshalb zahlen wir so viele Steuern und klagen drüber. Bei uns liegt niemand auf der Straße. Wir würden das gar nicht akzeptieren. Das geht nicht. Alle müssen mit. Die dänische Gesellschaft ist nicht besser als ihre Schwächsten. Sport, Fußball, mögen wichtig sein. Aber der Mensch steht immer im Vordergrund – und deswegen werden wir auch nicht die größte Sportnation der Welt! Wenn wir unsere Kinder zum Sportverein bringen und sie sagen, och Mama, heute habe ich keine Lust, sagen wir: okay, bleib zuhause. Das heißt, wir haben vielleicht nicht diese Entschlossenheit auf dem Fußballplatz – das hat auch Nachteile.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!