#Beduinen im Westjordanland: Vertrieben aus dem gottgegebenen Land
Inhaltsverzeichnis
Seit dem Überfall der Hamas eskaliert die Gewalt auch im Westjordanland. Radikale Siedler greifen vermehrt Beduinen in deren Dörfern an. Die Überfälle folgen einem Muster.
Die Wolken hängen tief über dem Jordantal. Sie sind die Vorboten der Erntesaison, die anbricht, wenn der Herbstregen die Früchte noch einmal anschwellen lässt. Ende Oktober begann die Olivenernte. Sie ist für Palästinenser traditionell nicht nur Arbeit, die manchen das Einkommen für das ganze Jahr einbringt, sondern auch ein Familienfest.
In den vergangenen Jahren hat sich das jedoch geändert: Bricht die Erntezeit an, kommen auch radikale Siedler. Israelische Menschenrechtsorganisationen sprechen von systematischen Angriffen auf palästinensische Bauern und Hirten. Siedler hielten Palästinenser von deren Feldern und Weidegründen fern, entwurzelten Bäume, steckten Felder in Brand und griffen nicht nur Palästinenser, sondern auch israelische und ausländische Helfer an. Ziel sei es, den Menschen das Leben so unerträglich zu machen, dass sie von allein gehen. Das funktioniert: An mehreren Orten haben die Bewohner ihre Häuser inzwischen aus Angst verlassen. Palästinensische Dorfgemeinschaften haben sich unter dem Druck der Übergriffe praktisch selbst aufgelöst.
Diese Entwicklung hat vor mehr als einem Jahr eingesetzt, in den vergangenen vier Wochen hat sie sich jedoch dramatisch beschleunigt. Denn im Schatten des derzeitigen Kriegs eskaliert die Gewalt auch im Westjordanland. Während die Blicke vor allem auf den Gazastreifen gerichtet sind, sind in dem Gebiet mehr als 150 Menschen getötet und zahlreiche weitere verwundet worden, sowohl bei Auseinandersetzungen zwischen militanten Palästinensern und der israelischen Armee als auch bei Siedlerangriffen.
„Die verwundbarste Minderheit“
Die Einschüchterungen der Siedler werden immer offener. So wurden die Bewohner des Dorfs Deir Istiya nördlich der Siedlung Ariel vor zwei Wochen erst bei der Ernte mit Steinen beworfen. Als sie von ihren Feldern zurückkehrten, entdeckten sie Flugblätter an ihren Autos: „Ihr wolltet Krieg, wartet auf die große Nakba“, stand darauf – ein Verweis auf die Vertreibungen von Palästinensern im Nahostkrieg von 1948. Weiter hieß es, dies sei die letzte Chance, nach Jordanien zu fliehen, bevor sie mit Gewalt vertrieben würden vom „gottgegebenen Heiligen Land“.
Bild: F.A.Z.
Abu Baschar, ein Hirte und Bauer aus Wadi al-Siq, hat es nicht zur Olivenernte auf seine Felder geschafft. Seine Familie wurde in der Woche nach dem Großangriff der Hamas aus ihrem Dorf vertrieben. Einige Bewohner waren angesichts der zunehmenden Gewalt schon in den vergangenen Jahren gegangen. Die etwa 250 Verbliebenen flohen überstürzt, als mehrere Dutzend Autos mit bewaffneten Siedlern, darunter Militärfahrzeuge, anrückten. Seit dem 7. Oktober seien mehr als zwanzig Dörfer aufgrund von Siedlergewalt teilweise oder vollständig geräumt worden, schätzen israelische Menschenrechtsgruppen. Meist wohnten dort Beduinen, die ihren Lebensunterhalt als Hirten oder Bauern verdienten. Sie leben in kleinen Weilern, die überwiegend aus Wellblechhütten bestehen – dieser Teil der palästinensischen Gesellschaft ist sehr arm.
„Die Beduinen sind die verwundbarste Minderheit“, sagt Guy Hirschfeld, Gründer der Organisation Looking the Occupation in the Eye. Die Übergriffe der Siedler gegen Beduinen bezeichnet er als „Landnahme-Krieg“. Dabei gehe es vor allem um das sogenannte C-Gebiet. Das macht 61 Prozent des Westjordanlands aus, gemäß den Oslo-Abkommen wird es vollständig von Israel kontrolliert. Hier befinden sich der Großteil der israelischen Siedlungen sowie Außenposten mit etwa 450.000 Siedlern.
„Nach dem Krieg wollen wir zurück in unser Dorf“
Während die Siedlungen wachsen, bekommen die schätzungsweise 180.000 bis 300.000 palästinensischen Bewohner des C-Gebiets so gut wie keine Baugenehmigungen; viele der Beduinendörfer werden von den Besatzungsbehörden als illegal angesehen. In „Protective presence“-Aktionen versuchen Hirschfeld und andere israelische und ausländische Freiwillige, palästinensische Zivilisten durch ihre Präsenz zu schützen. Auch in Wadi al-Siq sind sie aktiv und versuchen, mit dem Militär zu koordinieren, dass die Bewohner zumindest ihr Hab und Gut aus ihren Hütten holen können – bislang erfolglos.
Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.
Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.
Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.