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#Scholz und die SPD: Vom Krisenkanzler zur Kanzlerkrise

Die SPD hat wegen Scholz die vergangene Bundestagswahl gewonnen. Jetzt hat sie Angst, die nächste wegen ihm zu verlieren. Wer in die Partei hineinhorcht, trifft auf Abgeordnete, die am Kanzler verzweifeln.

Hunderttausende gehen seit drei Wochen in Deutschland auf die Straße gegen Rechtsextremismus und ein weiteres Erstarken der AfD. Für den Bundeskanzler wäre das eine Gelegenheit, etwas zu sagen, was den Bürgern im Gedächtnis bleibt. „Scholz hätte gleich zu Anfang einen steilen Satz dazu sagen müssen“, sagt ein SPD-Abgeordneter. Doch das tat der Kanzler nicht. Zwar nahm er an einer Demonstration an seinem Wohnort in Potsdam teil. Und schrieb am Sonntag auf der Plattform X, die abermaligen De­monstrationen in zahlreichen Städten der Republik seien ein „starkes Zeichen für unsere Demokratie und unser Grund­gesetz“. Das war’s dann aber auch.

Gerhard Schröder hatte bei anderer Gelegenheit, einem Brandanschlag auf die Düsseldorfer Synagoge im Oktober 2000, vom „Aufstand der Anständigen“ gesprochen. Nicht dass daraufhin sehr viel gefolgt wäre. Aber immerhin prägte der damalige Kanzler einen Begriff, an den man sich lange erinnerte.

Es gibt gute Gründe für Scholz, sich in einer solchen Situation zurückzuhalten. Schließlich könnte es schlecht in der Bevölkerung ankommen, wenn der Eindruck entstünde, der Kanzler wolle die Proteste parteipolitisch instrumentalisieren. Auch gibt es die Überlegung, die AfD nicht durch zu viel Aufmerksamkeit von der Regierungsspitze aufzuwerten, indem man einer Lagerbildung „gegen rechts“ befördert. Alles bedenkenswert.

Andererseits: So ist es oft mit Scholz. Er nehme sich Zeit und lasse den Moment verstreichen, an dem er etwas sagen oder tun müsse, sagt eine Abgeordnete der SPD-Fraktion im Bundestag. „Er wägt so lange ab, dass es, wenn er etwas macht, zu spät ist und die Wirkung verpufft.“ Das Bedächtige, das er an den Tag lege, wirke dann wie Führungsschwäche.

Der Kanzler-Bonus ist zu einem Kanzler-Malus geworden

Scholz würde dagegen einwenden, dass populistische Politik am Ende nichts bringe. Schnell einen Spruch raushauen, schnell eine Ansage machen, das ist nicht sein Ding. In der vergangenen Woche hat er sich in Potsdam auf einer Veranstaltung mit der Schriftstellerin Juli Zeh über Politiker lustig gemacht, die ihre ganze Karriere auf Versprechungen aufbauten, von denen alle wüssten, dass in Wirklichkeit daraus nie etwas werde. Ein „Ministerpräsident aus dem Süden“ habe das perfektioniert.

Kanzler und Herausforderer: Scholz und Merz im Bundestag


Kanzler und Herausforderer: Scholz und Merz im Bundestag
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Bild: Jens Gyarmaty

Abgesehen davon, dass Bayern in vielem besser dasteht als manch anderes Bundesland: Was der bayerische Ministerpräsident Markus Söder zu viel hat, das hat Scholz in den Augen vieler Wähler zu wenig. Niemand würde dem Krisenkanzler vorwerfen, dass er ein Schaumschläger sei. Doch seine Ablehnung jeglicher populistischer Schritte und Symbolpolitik führt dazu, dass er in der Mediengesellschaft nicht durchdringt. In einer Gesellschaft, die immer stärker fragmentiert ist und in der Populisten an Zustimmung gewinnen, scheint das zumindest eine fragwürdige Haltung. Da geht es nicht nur darum, ob der Bundeskanzler die Helfer besucht, die wenige Schritte vom Kanzleramt entfernt am Hauptbahnhof ukrainische Kriegsflüchtlinge erstversorgen. Es würde etwa auch um das Symbol gehen, den fast 800 Millionen teuren Erweiterungsbau des Kanz­leramts auf Eis zu legen, wenn im Haushalt gespart werden muss (und Homeoffice weiter sehr beliebt ist). Doch das tut Scholz auch nicht.

Lange waren seine Beliebtheitswerte dennoch gut. Die SPD schwächelte, doch ihr Kanzler schlug sich wacker. Das hat sich geändert. Die persönlichen Werte von Scholz sind im Keller, der Kanzler-Bonus ist zu einem Kanzler-Malus geworden. Je nach Erhebung sind 65 bis mehr als 80 Prozent der Bürger mit dem Bundeskanzler unzufrieden. Zwar haben ihn nur wenige Bürger angepflaumt, als er zum Jahreswechsel die Hochwassergebiete in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt besuchte. Und auch das Pfeifen beim Handballspiel dauerte nicht sehr lange. Doch waren das Indizien für die allgemeine Stimmung, in der die Kanzlerkrise wächst. Viele Bürger sehen den Kanzler nicht mehr getrennt von seiner Partei.

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