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#Berlinale 2021 Tag 5: Das Kino als Sehnsuchtsort

Berlinale 2021 Tag 5: Das Kino als Sehnsuchtsort

Die digitale Festival-Woche geht zu Ende. Welche Erkenntnisse lassen die vergangenen fünf Tage zu? Wie sehr hat das Kino als Erfahrungsraum gefehlt? Ein letztes Mal darf zu Hause gesichtet werden.

Fünf Tage lang Sofa-Festival und Berlinale-Höhle. Von der Wehmut habe ich gestern schon geschrieben und heute ist es nicht besser. Auch der zerschossene Schlafhythmus wird mich noch eine Zeit lang begleiten. Aber wie ich schon im ersten Erfahrungsbericht geschrieben habe: In den vergangenen Tagen habe ich mich aus meiner Alltagsrolle herausgeschält und mich ins Vergnügen gestürzt, was zurzeit keine Selbstverständlichkeit ist. Dockt nicht hier auch der Kinobesuch an? Der Kinosaal als Ort für Eskapismus und risikofreier Raum fernab der Alltagswelt? Auf der heimischen Couch ist die Dimension natürlich eine vollkommene andere. Im Zuge eines Festivals sowieso. Allein euphorisch sein, das hat nicht so gut geklappt. Euphorie ist am schönsten, wenn sie gespiegelt wird. In der Warteschlange vor den Kinos, im Raunen im Saal, im Plausch am Potsdamer Platz. Das konnte der erste, digitale Teil der Berlinale nicht leisten und es wäre falsch gewesen, das zu erwarten.

Wer mich fragt, ob man Festival-Filme daheim anders rezipiert, dem entgegne ich mit einem recht energischen Kopfnicken. Die Gründe dafür sind vielfältig: Die Ablenkung lauert überall. Darüber hinaus sucht man Sitznachbar*innen und deren emotionale Reaktionen zum Abgleich mit den eigenen vergeblich und nicht zuletzt fehlt das Immersive, weil die dafür benötigten Rahmenbedingungen zu Hause nicht geschaffen werden können. Trotzdem kann man dort einiges imitieren und wenn spätestens an Tag 3 die Betriebsblindheit einsetzt, sind auch die erwähnten Leerstellen nur noch unscharf zu erkennen.

Das Klassenzimmer als Schutzraum

Im Abschiedsschmerz möchte ich noch ein letztes Mal auf mein verschlanktes Programm von heute zurückblicken, das allerdings noch zu Ende geschaut und gedacht werden muss. Hohe Erwartungen, nicht nur von mir, wurden an Maria Speths „Herr Bachmann und seine Klasse“ gestellt. Ein fast vierstündiger Dokumentarfilm über den engagierten Lehrer Herr Bachmann und seine Schüler*innen, die (fast) alle Nachkommen von Eingewanderten sind. Viele von ihnen stehen unter Druck, einige sprechen nur gebrochen Deutsch, am Ende des Schuljahres soll über den weiteren Bildungsweg entschieden werden.

Die besondere Bindung des kurz vor der Pension stehenden Lehrers zu seiner Klasse wird durch im richtigen Moment eingefangene Gesten, Blicke und Worte spürbar. Das Klassenzimmer fungiert als Schutzraum für die Kinder, der einfühlsame Pädagoge erkennt nicht nur das Potenzial seiner Schüler*innen, sondern auch ihre Probleme, Ängste und Wünsche. Gemeinsames Musizieren wird zur Alltagsflucht, ein Klassenausflug schweißt zusammen, Tränen fließen nicht nur bei den Mädchen und Jungen, sondern auch bei Herrn Bachmann selbst. Speths Dokumentation ermöglicht einen intimen Einblick in ein ganz besonderes Klassenzimmer, in die Arbeit eines ausgesprochen engagierten Pädagogen und in täglich ausgefochtene Kämpfe junger Heranwachsender, deren Sehnsucht nach Heimat und Ankommen ihren eigenen Wachstumsschmerz bedingt.

Spurensuche

Vom Wettbewerb noch ein letztes Mal zum Panorama: Gespannt war ich auch auf Ronny Trockers „Der menschliche Faktor“, einem düsteren Familiendrama über die Wirkungsmacht der subjektiven Wahrnehmung. Jan (Mark Waschke) und Nina (Sabine Timoteo) wollen sich in ihrem Ferienhaus an der belgischen Küste vom Alltag erholen. Ein Einbruch bringt das vermeintliche Familienidyll ins Wanken. Nur Nina ist Zeugin, doch außer einer blutigen Nase und der Erinnerung an fremde Stimmen gibt es keinerlei Spuren oder Hinweise, die zu den Täter*innen führen.

Trocker flechtet immer wieder Richtungswechsel in seine Erzählung ein, verändert die Perspektive auf den sowieso schon undurchsichtigen Tathergang und setzt falsche Fährten. Misstrauen und Vorwürfe werden laut, die Partnerschaft von Jan und Nina droht zu zerbrechen, auch als Zuschauer*in beginnt man, abzuwägen, zu hinterfragen und zu zweifeln. Auch wenn ich das subtile Drama aufmerksam verfolgt habe, hätte ich mir eine noch intensivere Verkettung der Umstände gewünscht. Dass aufgeworfene Handlungsstränge im Verlauf der Erzählung einfach liegengelassen werden und sich schließlich in ihrer Bedeutungslosigkeit verlieren, ist schade, aber verschmerzbar. Sabine Timoteo ist großartig und spielt in ihrer eigenen Liga, aber das ist nichts Neues.

Durchhalten bis zum Sommer

Der Wettbewerbsfilm „A Cop Movie“ und das Debüt „Censor“ aus der Sektion Panorama werden meine beiden letzten Filme für diesen virtuellen Teil der Berlinale sein. Ich habe die vergangenen fünf Tage genossen und bin froh, dass das Festival für mich noch einige wenige Stunden andauern wird. Im Sommer soll vom 9. bis zum 20. Juni das Publikumsevent stattfinden. Kritische Stimmen bemängeln, dass es sich dann nicht mehr lohnt, über den Gewinnerfilm („Bad Luck Banging or Loony Porn“) zu streiten.

Das mag sein. Aber zumindest das Kino, das lohnt sich immer!

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