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#Berliner Berg braut eigenes Pils: Der Durst und die Stadt

Berliner Berg braut eigenes Pils: Der Durst und die Stadt

Berlin ist eine Pils-Metropole. Und die junge Neuköllner Brauerei Berliner Berg liefert nun ein gutes Argument, damit das auch so bleibt. Wir haben uns auf ein Bier getroffen.

Auch im Kauz und Kiebitz im Neuköllner Reuterkiez gibt's das Bier. Foto: Kevin Nerlich
Auch im Kauz und Kiebitz im Neuköllner Reuterkiez gibt’s das Bier. Foto: Kevin Nerlich

Was bisher geschah: In Berlin wurde Bier gebraut, seit knapp 400 Jahren schon. Berliner Weiße vor allem, der Champagner des Nordens, ein obergäriges Bier. Später, mit der Industrialisierung – die Industrialisierung verdichtete die Städte und mithin den Durst – wurde auch das Bier ein massenhaft hergestelltes Produkt. Gebraut wurde nun nach Pilsener Art. Ergebnis war ein länger lagerbares und damit exportierbares Produkt. Daher die Bezeichnungen Lager oder Export. Was aber länger lagert, braucht Lagerräume.

Berliner Berg: Bier als Massenprodukt

Und so entstanden überall dort, wo Berlin hügelig war, Lagerkeller und immer neue Brauereien. Am Rollberg, unterhalb des Kreuzberges und sowieso im Prenzlauer Berg. Im ausgehenden 19. Jahrhundert war Berlin die europäische Metropole mit der größten Brauerei- und Kneipendichte. Am Ende des vergangenen Jahrhunderts wurde in Berlin nur noch von der Radeberger Gruppe gebraut. Drei Berliner Marken aus der Indira-Gandhi-Straße. Im ganz großen Stil.

Woraufhin also die Craft-Beer-Szene auf den Plan trat. Vielfältige Braustile, im ganz kleinen Stil. Pale Ale, Stout, German IPA, auch die traditionelle, auf natürlichen Fermentationsprozessen basierende Berliner Weiße erlebte ihre Renaissance. Bier wurde zu einem Getränk, dem nun durchaus mit einer gewissen Kennerschaft begegnet wurde. Das verkostet werden sollte und nicht mehr nur getrunken. Einerseits. Andererseits blieb da die Sehnsucht nach dem ehrlichen Pils. Nach einem, ja, Funktionsgetränk. Durstlöschend, kommunikativ, selbstverständlich.

Berliner Berg: Ehrliches Pils für Berlin

Die längst nicht mehr ganz so kleine Neuköllner Brauerei Berliner Berg hat nun ihre Vision eines ehrlichen Pils auf den Berliner Markt gebracht. Ein Bier, das sich nicht nur preislich zwischen Craft-Beer-Bar und Supermarktregal positioniert. Ganz im Osten Neuköllns, in der Treptower Straße, entsteht dieser Tage zudem die eigene Brauerei. Zeit für ein Gespräch über Craft, Handwerk und den Durst der Stadt.

tipBerlin Michéle Hengst, Robin Weber, wir sitzen hier bei einem Pils, das, so Euer Slogan, kein Schnickschnack sein will. War es das mit der Craft-Bier-Exzentrik?

Michéle Hengst, Robin Weber und Braumeister Torsten Vullriede beim Spatenstich in der Treptower Straße. Foto: Jannis Keil

Michéle Hengst Wir haben in den fünf Jahren, die wir Berliner Berg machen, den Craft-Begriff ja ohnehin nie sonderlich betont oder auf unsere Flaschen geschrieben. Im Sinne von Handwerk schon, aber nicht im Sinne dieses sehr amerikanischen Geschmacksbildes mit seinen sehr intensiven, hopfendominierten Aromen. Wir haben ja auch früh unsere Berliner Weiße gebraut, als klaren Verweis auf eine Berliner Brautradition.

Berliner Berg: „Der Name spielt auf die historische Biermetropole an“

ROBIN WEBER Schon der Name Berliner Berg spielt ja auf die historische Biermetropole Berlin an. Unsere Schankkneipe in Neukölln, die wir im Streit mit dem Vermieter leider schließen mussten, hieß etwa Bergschloss, so wie Berlin größtes Bierlokal der 1900er-Jahre. Daraus ist Huxley‘s Neue Welt entstanden. Es war also zwangsläufig, irgendwann ein Pils zu brauen. Dieser Braustil ist ja mindestens so berlinerisch wie es die Weiße ist.

Michéle Hengst Wir wollten der Stadt ein regional produziertes Bier anbieten, das richtig viel Spaß macht und nicht mit jedem Schluck erklärungsbedürftig ist.

tipBerlin Womit wir in der Biergegenwart Berlins angekommen sind: Ist Euer Pils, das Sixpack zu 4,89 Euro, eine Kampfansage an Kindl und Schultheiß, an eine industrialisierte Bierkultur?

Robin Weber Da bleiben wir realistisch. Das Pils ist im Einzelhandel halb so teuer wie unsere bisherigen Sorten, aber noch immer doppelt so teuer wie eine der austauschbaren Marken, die vor der Sportschau werben. Wir sind noch immer ein teures Bier.

„Wenn wir mal ein Prozent des Berliner Marktes hätten, wären wir sehr selig“

Michéle Hengst In der Indira-Gandhi-Straße wurden 2019 1,5 Millionen Hektoliter gebraut. Wenn wir da mal ein Prozent des Berliner Marktes hätten, wären wir schon sehr, sehr selig. Wir sehen aber durchaus eine Lücke, die wir mit unserem Bier füllen können, und mit einer Produktion, die etwa auf das in Industriebrauereien übliche Klären des Bieres mit einem Kunststoffgranulat verzichtet.

Robin Weber Es gab in Berlin ja immer auch eine andere lokale Bierkultur. Leute, die Augustiner gekauft haben oder das Bier der badischen Staatsbrauerei Rothaus. Die nach unabhängigen, mittelständischen Unternehmen gesucht haben, mit einer authentischen Erzählung und einer gewissen Tradition.

tipBerlin Zum Biergenuss gehört also gerne auch ein identitätsstiftendes Narrativ?

Michéle Hengst Ich bin in Chemnitz aufgewachsen, und natürlich habe ich deshalb Braustolz getrunken. Nicht weil es ein besonders gutes Bier war, tatsächlich war es sogar besonders mittelmäßig, sondern weil dieses Bier Heimat war.

Identifikation am Zapfhahn

Robin Weber Und genau da sehe ich unser Pils. Es ist unser Angebot gerade an die Gastronom* innen in der Stadt, ein Pils am Hahn zu haben, mit dessen Geschichte sich Wirt und Gast identifizieren können.

Michéle Hengst Am Ende ist das mein Wunsch für Berliner Berg, dass irgendwann mal jemand sagt, dass unser Bier seine oder ihre Heimat ist. Wie macht man das überhaupt, als kleiner, handwerklich arbeitender Betrieb plötzlich ein günstigeres Bier zu brauen?

Robin Weber Unser Pils ist weniger gehopft, schon alleine, weil das diesem Braustil entspricht. Aber das alleine macht keinen eklatanten Unterschied. Wir sparen da nicht am Produkt. Es geht also um Skalierungseffekte, also letztlich darum, anders zu kalkulieren, weil wir uns einen anderen Absatz erwarten. Der Absatz macht die Marge.

Michéle Hengst Der erste Hahn, so heißt das in der Gastro-Sprache, muss einem Wirt einen gewissen Gewinn garantieren. So ist jede Kneipe, jedes Restaurant gerechnet. Als Unternehmen, das von Anfang an auf diese Partnerschaft mit der Gastronomie gesetzt hat, war es uns auch aus dieser Perspektive wichtig, ein faires Produkt anzubieten.

Wer ist eigentlich Berliner Berg?

Die Brauerei Berliner Berg wurde 2015 gegründet, in einer Remise in der Neuköllner Kopfstraße, zu der auch die Schankkneipe Bergschlösschen gehört hat. Die Mikrobrauerei, dort entstanden die tollen Berliner Weißen, musste im Frühjahr aufgegeben werden. Aber dafür entsteht in der Treptower Straße ganz im Osten Neuköllns gerade eine eigene Brauerei, in der ab dem kommenden Frühjahr alle Biere der Marke gebraut werden sollen.

Eine Brauhausgastronomie soll es geben, aber eher im ganz kleinen Stil, Geschäftsführer Robin Weber schweben etwa Schmalzstullen vor, wie er es noch von den Brauereibesichtigungen in seiner niedersächsische Heimat kennt. Apropos Hunger und Durst: Von unseren liebsten Läden schenken etwa Ora, Kauz und Kiebitz, Michelberger, Salami Social Club und das Restaurant Otto Berliner Berg aus. Das neue Pils gibt es auch bei Edeka.


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