Wissenschaft

#„Milch“ bei einer Amphibienart entdeckt

Die Säugetiere – aber auch manche Vertreter anderer Tiergruppen – versorgen ihren Nachwuchs mit einer Art von Milch. Nun haben Forschende auch ein Beispiel dieses Konzepts bei den Amphibien entdeckt: Eine Vertreterin der wurmartigen Schleichenlurche ernährt ihren frisch geschlüpften Nachwuchs demnach ebenfalls durch ein nährstoffreiches Sekret. Interessanterweise wird die Milchproduktion dabei auch durch „Bettellaute“ der Kleinen angeregt. Diese Entdeckung zeugt erneut von der erstaunlichen Vielfalt bei den Brutpflegekonzepten im Tierreich, sagen die Wissenschaftler.

Sich zu kümmern, kann sich lohnen: Viele Tiere überlassen ihren Nachwuchs nicht einfach sich selbst, sondern sorgen nach der Geburt oder dem Schlüpfen aktiv für das Wohl der Kleinen. Einige füttern die Jungtiere dabei durch herangeschaffte oder hervorgewürgte Nahrung. Doch daneben gibt es bekanntlich auch Tierarten, die ihren Nachwuchs durch speziell entwickelte Sekrete mit Nährstoffen versorgen. Diese besonderen „Körpersäfte“ werden als Milch bezeichnet. Bei den Säugetieren wurde dieses Konzept geradezu zu einem Identitätsmerkmal. Doch auch bei anderen Tiergruppen gibt es Beispiele. So versorgen etwa Vertreter der Taubenvögel ihre Jungen mit sogenannter Kropfmilch und sogar bei den Fischen, Insekten und Spinnentieren sind Vertreter bekannt, die Nährsekrete für die Versorgung ihre Jungtiere hervorbringen.

Amphibien im Visier

Bei den Amphibien waren hingegen bisher nur Konzepte bekannt, die nicht direkt mit einer Milchversorgung vergleichbar sind. Auch bei dieser Tiergruppe gibt es allerdings hochentwickelte Formen der Brutpflege. Es gibt etwa Froscharten, die ihre Kaulquappen auf dem Rücken umhertragen und unbefruchtete Eier für ihre Ernährung bereitstellen. Auch von einer skurril wirkenden Amphibiengruppe waren bereits intensive Fürsorgeformen bekannt: Bei den auch Blindwühlen genannten Schleichenlurchen (Gymnophiona) handelt es sich um Amphibien mit einer gliedmaßenlosen, wurmförmigen Körpergestalt, die in tropischen Regionen der Erde vorkommen.

Es gibt unter den Schleichenlurchen sowohl eierlegende als auch lebendgebärende Arten. Von diesen Amphibien war auch ein besonderes System der Nahrungsversorgung des Nachwuchses bekannt: Bei manchen Schleichenlurchen produzieren die Weibchen während der Brutpflege spezielle Hautstrukturen, die von den Jungtieren gefressen werden. Doch nun haben die Wissenschaftler um Pedro Mailho-Fontana bei der südamerikanischen Ringelwühle Siphonops annulatus ein zusätzliches System entdeckt, das mit dem Milch-Versorgungsverhalten bei anderen Tieren vergleichbar ist.

Schlüpflinge trinken ein Sekret

Bei Beobachtungen von Weibchen mit ihrem frisch geschlüpften Nachwuchs wurden die Forschenden auf ein spezielles Verhalten aufmerksam: Die Jungtiere schienen eine Absonderung von der hinteren Körperöffnung des Muttertiers aufzunehmen. Dieser Spur ging das Team anschließend durch verschiedene Untersuchungsmethoden genauer nach. Wie sich zeigte, bringt das Weibchen während der zwei Monate dauernden Brutpflege tatsächlich eine Nährflüssigkeit für die Jungtiere hervor, die das Team als Milch bezeichnet. Denn Analysen dieser Substanz ergaben, dass es sich um ein kohlenhydrat- und fettreiches Sekret handelt, das damit der Muttermilch von Säugetieren ähnelt.

Wie aus Gewebeuntersuchungen hervorging, wird die Milch von speziellen Drüsen im Körperinneren der Mutter produziert. Frühere Studien haben bereits gezeigt, dass solche milchartigen Nährsubstanzen auch von manchen lebendgebärenden Amphibienarten zur Ernährung der Jungtiere während der Tragzeit gebildet werden. Sie dienen allerdings nur der Nährstoffversorgung der Jungtiere vor der Geburt im Körperinneren. Doch im Fall der eierlegenden Siphonops annulatus wird das Sekret nach der Geburt der Jungen freigesetzt. Es wird zur hinteren Körperöffnung geleitet und dann den Schlüpflingen angeboten.

Bettellaute regen die Produktion an

Interessanterweise gibt das Tier die gehaltvolle Substanz auch nur bei Bedarf ab: Die Forschenden stellten fest, dass die Mutter die Milch in Reaktion auf ein Bettelverhalten des Nachwuchses hervorbringt. Sie bewegen sich dazu nicht nur in einer speziellen Weise, sondern geben auch hochfrequente Töne von sich, um der Mutter Hunger zu signalisieren. Nachdem sie sich satt getrunken haben, zeigen die Kleinen dieses Verhalten nicht mehr und die Mutter stellt die Milchproduktion ein, geht aus den Beobachtungen hervor.

Den Forschenden zufolge spielt bei Siphonops annulatus zwar auch noch die Ernährung der Jungtiere über die Bereitstellung von Hautfragmenten eine Rolle. Doch wie sich abzeichnete, besitzt die Milchversorgung wohl eine größere Bedeutung für die Nährstoffversorgung. Nach der zweimonatigen Fürsorge erscheinen die Muttertiere auch ausgesprochen ausgezehrt: Sie verlieren etwa 30 Prozent ihres Körpergewichts, berichten die Forschenden.

Sie sehen in der Entdeckung nun ein weiteres Beispiel für die Vielfalt der Brutpflege-Konzepten im Tierreich. „Die Entdeckung, dass eine eierlegende Vertreterin der Schleichenlurche ihre Schlüpflinge mit Milch versorgt, ist ein Phänomen, das die Komplexität der Evolution der Fortpflanzungssysteme bei Wirbeltieren veranschaulicht und zum Verständnis der Entstehung parallelen Entwicklungen beiträgt“, schreiben die Autoren.

Quelle: Science, 10.1126/science.adi5379

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