#„Wir überlegen, ob wir NATO-Mitglied werden sollten“
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„„Wir überlegen, ob wir NATO-Mitglied werden sollten““
Frau Ministerin, Finnland teilt eine 1300 Kilometer lange Grenze mit Russland. Einem Land, das laut dem amerikanischen Präsidenten von einem Kriegsverbrecher geführt wird – wie nervös macht Sie das gerade?
Wir haben einen Krieg in der Ukraine, einen Krieg in Europa, das ist schrecklich. Was unsere Grenze mit Russland angeht, sind wir in unserer Regierung aber völlig handlungsfähig und nicht unruhig. Es ist jedoch verständlich, dass in Teilen unserer Gesellschaft eine Unruhe wächst. Wir haben uns aber vorbereitet für so eine Krisensituation, seit dem Zweiten Weltkrieg haben wir das getan. Weil wir wissen, wie Russland ist, und jetzt wissen alle, wie grausam Putin sein kann.
Seit Langem hat Finnland versucht, zwischen dem Westen und Moskau zu vermitteln, 2018 war Helsinki Gastgeber für ein russisch-amerikanisches Treffen, auch das hat am Ende alles nicht geholfen…
Nein, wir sind nicht neutral, also sind wir auch kein Vermittler. Wir sind ganz klar Teil der westlichen Sphäre und vor allem Mitglied der Europäischen Union. Als wir Mitglied der Union wurden, war das auch eine sicherheitspolitische Entscheidung. Die Union bietet uns Sicherheit, das ist gerade in der aktuellen Lage sehr wichtig, wenn wir über den strategischen Kompass diskutieren, der die strategischen Ziele der EU bei der Sicherheit und Verteidigung festschreiben soll.
Aber wer wird denn Finnland helfen, sich gegen Russland zu verteidigen, sollte der schlimmste Fall eintreten? Schließlich sind Sie kein Mitglied der NATO.
Unsere eigenen Verteidigungskräfte sind sehr mächtig, wir investieren viel in die Verteidigung. Wir haben uns immer auf das Schlimmste vorbereitet. Dazu gehört dann nicht nur die Verteidigung, sondern auch die Versorgungssicherheit bei der Energie, in der Landwirtschaft oder bei Medikamenten. Und für Entscheidungsträger in der Gesellschaft gibt es mehrwöchige Kurse, um zu lernen, was im Konfliktfallfall zu tun ist. Wir sind vorbereitet.
Aber auch das wird kaum reichen?
Wir verstehen natürlich, dass wir es nicht alleine schaffen. Für eine Weile schon, aber am Ende brauchen wir Hilfe. Deswegen spielt die Europäische Union eine sehr bedeutende Rolle für uns. Vor allem die Beistandsklausel in den EU-Verträgen.
Sie sprechen von Artikel 42, Absatz 7, in dem es heißt: „Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats schulden die anderen Mitgliedstaaten ihm alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung.“
Ja, das ist für uns etwas sehr konkretes. In dem strategischen Kompass wollen wir das konkretisieren. Das ist zumindest ein Anfang. Wir wissen, dass die EU nie eine militärische Union sein wird, und die Beistandsklausel ist nicht dasselbe wie der Artikel 5 bei der Nato. Sie ist keine Sicherheitsgarantie. Aber sie bedeutet doch gegenseitige Unterstützung und wir erwarten, dass wir diese auch bekommen.
Aber das heißt eben nicht, dass es eine militärische Unterstützung ist.
Es kann auch eine militärische Unterstützung sein, das ist uns wichtig. Aber es ist keine Garantie. Wir wollen diese Klausel nun weiterentwickeln.
Die finnische EU-Politik ist lange schon von dem Wunsch geprägt, die gemeinsame Verteidigungspolitik der EU voranzutreiben. Sind Sie enttäuscht, dass man vor diesem Krieg noch nicht allzu weit gekommen ist damit?
Enttäuscht kann man nicht sagen. Aber man muss sagen, dass es lange nur Frankreich und Finnland waren, die über eine gemeinsame europäische Verteidigung gesprochen haben. Jetzt freuen wir uns zu sehen, dass viele andere auch darüber reden. Europa muss als Einheit stärker werden. Das mit der NATO ist eine andere Frage.
Samstags um 9.00 Uhr
In den vergangenen Wochen haben Umfragen einen enormen Stimmungswandel in Ihrem Land ausgemacht – so viele Finnen wie nie zuvor wollen Mitglied der NATO werden. In der Politik gibt es noch keine Mehrheit, wird sich das bald ändern?
Wir überlegen, ob wir ein Mitglied werden sollten. Die Diskussion in der Gesellschaft ist sehr heftig und der Meinungsumschwung im Land ist absolut historisch, eine Zeitenwende. Ich verstehe das sehr gut, auch mein Wahlkreis grenzt an Russland und ich werde von Bürgern angesprochen, die unruhig sind. Aber wir bleiben pragmatisch, geduldig und unbeugsam. Wir haben deshalb einen Diskussionsprozess in der Politik eingeleitet, dessen Ausgang offen ist. Es ist möglich, dass am Ende ein Mitgliedsantrag steht.
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