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#Blei aus menschlichen Quellen im Arktischen Ozean

Blei aus menschlichen Quellen im Arktischen Ozean

Der Arktische Ozean vor Kanada galt bislang als weitgehend unbelastet von menschlicher Bleiverschmutzung. Eine neue Studie zeigt jedoch, dass sich auch in diesem abgelegenen Meeresgebiet Spuren von Blei aus menschlichen Quellen finden. Eine Hauptursache waren demnach hohe Bleiemissionen im 20. Jahrhundert, die mit Aerosolen in die Arktis gelangt sind. Die Gesamtbelastung mit Blei ist zwar gering, doch durchschnittlich 60 Prozent stammen aus menschlichen Quellen – deutlich mehr als bislang angenommen. Den Forschern zufolge könnte der Bleigehalt ansteigen, wenn mehr arktisches Eis schmilzt, in dem sich historische Bleiemissionen niedergeschlagen haben.

Blei schädigt das Nervensystem, stört die Blutbildung und gilt als wahrscheinlich krebserregend. In natürlichen Umgebungen kommt das giftige Schwermetall nur in sehr geringen Mengen vor. Freigesetzt wird es beispielsweise bei Vulkanausbrüchen oder durch Abrieb von Partikeln der Erdkruste. Die Hauptquelle sind heute jedoch menschliche Aktivitäten: Die meisten Emissionen entstehen im Straßenverkehr durch den Abrieb von Reifen und Bremsen, weitere stammen aus der Verbrennung fossiler Energieträger und aus Industrieabgasen. Einen Höhepunkt erreichte der menschliche Bleiausstoß im 20. Jahrhundert, bevor verbleites Benzin verboten wurde.

Isotope verraten die Herkunft

Da sich bleihaltige Aerosole mit den Luftströmungen weit verbreiten können, sind auch viele entlegene Naturgebiete damit belastet. Als weitgehend unberührt galt bislang das Kanada-Becken im Arktischen Ozean. Frühere Sedimentanalysen wiesen nur einen sehr geringen Bleigehalt nach, von dem angenommen wurde, er stamme aus natürlichen Quellen. Diesem Befund widerspricht nun eine aktuelle Studie von Forschern um Joan de Vera von der University of Toronto in Kanada. „Unsere Studie zeigt, dass anthropogenes Blei im Meerwasser des westlichen Arktischen Ozeans allgegenwärtig ist“, berichten die Autoren.

Für ihre Analysen untersuchten sie Meerwasserproben, die aus einer Tiefe von bis zu 3.500 Metern im Kanada-Becken gesammelt wurden. Aus dem Verhältnis verschiedener Bleiisotope in diesen Proben konnten sie jeweils auf die Herkunft des Bleis schließen. Ein niedriges Verhältnis des Isotops Blei-206 zum Isotop Blei-207 ist typisch für Bleiemissionen aus europäischem Benzin des 20. Jahrhunderts. Auch die Abgase russischer Schmelzöfen produzieren eine ähnliche Signatur. Bei natürlichen Bleiquellen der Region dagegen ist das Verhältnis zugunsten von Blei-206 verschoben.

Emissionen aus Europa und Russland

„Die Ergebnisse der Isotopenanalyse zeigen, dass historisches Aerosol-Blei aus Europa und Russland, das im 20. Jahrhundert in der Arktis abgelagert und anschließend remobilisiert wurde, eine bedeutende Quelle für Blei im Wasser des Kanada-Beckens ist“, schreiben die Forscher. Dass Feinstaub aus Eurasien in die Arktis gelangt, ist schon länger bekannt. Eine ähnliche Blei-Isotopenverteilung wurde bereits in Eisbohrkernen sowie in arktischem Schnee entdeckt.

Insgesamt stellten de Vera und ihre Kollegen in den Wasserproben eine sehr geringe Bleikonzentration von durchschnittlich fünf Picomol pro Kilogramm fest, wobei der Gehalt in oberen Wasserschichten etwas höher war als in tieferen. Je nach Tiefe schwankte der menschliche Anteil an der Bleiverschmutzung zwischen sieben und hundert Prozent mit einem durchschnittlichen Wert von 60 Prozent. „Wir haben eurasisches Blei aus dem 20. Jahrhundert in verschiedenen Tiefen nachgewiesen, vor allem in Gewässerschichten mit höherer Bleikonzentration oberhalb von 1000 Meter und in der Nähe des Schelfs“, berichten die Forscher.

Blei aus dem Schmelzwasser

Der Befund, dass die Konzentration anthropogenen Bleis in der Nähe des Schelfs am höchsten ist, deutet den Forschern zufolge darauf hin, dass sich die Bleiemissionen zunächst im Eis abgelagert hatten und von dort mit dem Schmelzwasser in den Ozean gelangt sind. „Studien in der Arktis zeigen, dass die Schelfe wichtige Quellen für Spurenelemente wie Eisen, Zink und Radium sind“, erläutern die Autoren. „Dies gilt wahrscheinlich auch für Blei. Schelf- und küstenbezogene Prozesse, darunter Küstenerosion und das Schmelzen von Meereis und Permafrost, sind nicht nur eine Quelle für natürliches Blei, sondern scheinen auch die zuvor abgelagerte eurasische Blei-Kontamination des 20. Jahrhunderts zu remobilisieren.“

Durch die beschleunigte Eisschmelze und Küstenerosion in Folge der Klimaerwärmung könnten in Zukunft weitere Schadstoffe freigesetzt werden, so die Autoren. Da der Bleigehalt im Arktischen Ozean insgesamt sehr gering ist, fallen bereits kleine Änderungen in der Konzentration auf. „Diese Empfindlichkeit macht Blei und seine Isotope im arktischen Meerwasser zu einem nützlichen Indikator bei der Identifizierung von Partikel- und Schadstoffquellen“, schreiben de Vera und ihre Kollegen. Angesichts zunehmender menschlicher Aktivitäten in der Arktis könne die Region als eine Art Großexperiment angesehen werden. „Indem wir die Veränderungen in der Region beobachten, dokumentieren und nutzen, können wir verstehen, wie sich unsere Aktivitäten auf die regionale Umwelt auswirken“, so die Forscher.

Quelle: Joan de Vera (University of Toronto, Kanada) et al., Proceedings of the National Academy of Sciences, doi: 10.1073/pnas.2100023118

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