Nachrichten

Box-Champion Abdelkader Selmi kämpft um Bleiberecht

Inhaltsverzeichnis

Am kommenden Dienstag ist Abdelkader Selmi zu einem Ausreiseplangespräch in die Ausländerbehörde Frankfurt eingeladen. Dann soll dem Auszubildenden im Tiefbau, dem talentierten Boxer der Eintracht, dem Freund und Mitglied seiner Wohngruppe nahegelegt werden, im nächsten Monat Deutschland zu verlassen. Der junge Mann stammt aus Algerien, sein Asylgesuch wurde abgelehnt.

So weit nicht verwunderlich, die Anerkennungsquote aus Algerien liegt nur bei etwa zwei Prozent. Das Aufenthaltsrecht sieht aber die Möglichkeit vor, einen Auszubildenden, der sich gut integriert und nichts zuschulden kommen lässt, zu dulden. Doch auch dies wurde dem 20 Jahre alten Algerier verwehrt – weil seine Identität bei seiner Einreise angeblich nicht geklärt gewesen sei.

Selmi ist ruhig und höflich, ein konzen­trierter Zuhörer. Ein junger Mann, der klare Ziele hat. Boxen ist seine Leidenschaft, bereits mit sechs Jahren hat er mit dem Training begonnen. Sein Talent fiel auch in Algerien auf, er war dort Landesmeister und durfte mit dem nationalen Kader ins Ausland reisen. 2022 setzte er sich in Frankreich von seiner Mannschaft ab. Da war er erst 17 Jahre alt, allein, aber entschlossen, es weiterzubringen, als er es in seinem Heimatland je geschafft hätte. Seinen Eltern habe er erst während seiner Reise berichtet, dass er nicht zurückkommen werde. Für seine Mutter sei das ein Schock gewesen, gesteht er mit ernstem Blick ein.

„Kein Identitätsverweigerer“

Weil sein Trainer allen Teammitgliedern die Pässe abgenommen hatte, konnte Abdelkader nur mit einem Handyfoto seines Passes nach Deutschland einreisen, das er der Polizei bei der ersten Kontrolle vorzeigte. „Herr Selmi ist kein Identitätsverweigerer – er hat vom ersten Tag seines Aufenthaltes an seine richtigen Personalien genannt, gemacht, was von ihm in Sachen Identitätsklärung verlangt wurde und einen gültigen Pass vorgelegt“, sagt sein Anwalt, Jonathan Leuschner, dazu.

Dennoch sei dem jungen Algerier ein Jahr nach der Einreise das Handyfoto nachteilig ausgelegt worden – eine Ausbildungsduldung wurde ebenso abgelehnt wie ein Widerspruch im Eilverfahren. Weil aber alle diese Verfahren dauern, hat der junge Algerier in der Zwischenzeit mit einer Ausbildung zum Tiefbaufacharbeiter im Herbst 2024 beginnen können. Es ist eine körperlich anstrengende Arbeit, für die sich immer weniger junge Leute begeistern können.

Einige der Medaillen und Urkunden, die Abdelkader Selmi im Boxen schon errungen hat.
Einige der Medaillen und Urkunden, die Abdelkader Selmi im Boxen schon errungen hat.Lando Hass

Die Gesellschafter der Südwestdeutschen Rohrleitungsbau GmbH (SWR), bei der er die Ausbildung begonnen hat, sind Entega, Mainova und Hochtief. Drei Un­ternehmen, die im Rhein-Main-Gebiet noch viele Rohre für Gas, Wasser, Fernwärme oder Kabelleitungen verlegen werden müssen. Und dafür dringend Fachkräfte suchen. Dirk Heesen, Geschäftsführer der SWR, sucht bereits seit Jahren nach Auszubildenden auch unter Neuankömmlingen im Land. Es sei eine „gesellschaftspolitische Verantwortung“, jungen motivierten Flüchtlingen eine Chance zu geben, so Heesen. 14 frühere Asylbewerber haben ihm die Anstellung im Unternehmen zu verdanken. Mittlerweile bekommt er viele Bewerbungen aus dem Ausland.

Die er jedoch alle ablehnt, weil er vor allem jenen helfen will, die schon in Deutschland angekommen sind. „Arbeit be­deutet Integration“, hebt Heesen immer wieder hervor. Er will Wegbereiter dafür sein und hilft Azubis bei Bedarf mit Nachhilfeunterricht über die Hürden oder kümmert sich um einen Anwalt, wenn es Schwierigkeiten mit dem Aufenthaltsrecht gibt. Der Geschäftsführer will „seinen Box-Champion“, wie er Selmi scherzhaft nennt, unbedingt behalten. Und weiß doch nicht recht, wie. Er habe an den Ministerpräsidenten Boris Rhein (CDU) geschrieben, an den Frankfurter Oberbürgermeister Mike Josef (SPD), beide hätten noch nicht reagiert.

DSGVO Platzhalter

Der junge Algerier fokussiert sich weiter auf seine Ausbildung und sein Training. Über seinen Vertrag hätte sich die ganze Familie gefreut. Und über seine sport­lichen Erfolge, die er auf Instagram und Tiktok mit Zigtausenden teilt, sowieso. Abdelkaders Ehrgeiz zeigt sich nicht nur im Sport: In zwei Jahren hat er Deutsch gelernt, verständigt sich mühelos. Was Boxen für ihn sei? „Alles“, sagt er, und lächelt. Die Arbeit? „Auch alles“. Und fügt hinzu: „Es geht nur zusammen“.

Ein schüchterner, zurückhaltender Junge sei vor zweieinhalb Jahren in sein Boxtraining gekommen, erinnert sich Azzeddine El Karouia, Abteilungsleiter Boxen bei der Eintracht Frankfurt. Ein minderjähriger Flüchtling, dessen Betreuer aus der Jugendhilfe den Termin vereinbart hatte, weil Selmi „auch schon mal geboxt habe“. Eine Untertreibung, wie sich rasch herausstellte. Er boxte sich im wahrsten Sinne rasch durch. Schon bald kam er an fünf Abenden zum Training, manchmal öfter, wenn Wettkämpfe anstanden.

„Boxen ist ein Disziplinsport“, sagt El Karouia, „und Abdelkader ist einer der Zuverlässigsten“. Zu dessen Fleiß komme noch ein Extra hinzu, ein „gottgegebenes Bewegungstalent“, wie es der Trainer nennt. Aus so einer Mischung werden Erfolge geboren: Im Jahr 2023 wurde Selmi Deutscher Meister im Weltergewicht (67 Kilogramm) der U22-Junioren. Dort sei auch der Nationaltrainer auf ihn aufmerksam geworden, erzählt El Karouia voller Stolz: „Wir wollen ihn nicht mehr missen.“

Der Trainer ist nicht der Einzige, der sich einsetzen will. Die Jugendwohngruppe, in der Selmi seit zwei Jahren lebt, hat an den Petitionsausschuss des Landtags geschrieben, um die drohende Abschiebung zu verhindern. Dem Schreiben liegen Fürsprachen seiner Berufsschule, der Boxabteilung der Eintracht, des Hessischen Boxverbandes und der gesamten SWR-Geschäftsführung bei.

Was bleibt, ist die Hoffnung, dass entweder die ausführenden Behörden ihre Ermessensspielräume doch noch im Sinne des jungen Algeriers nutzen oder dass der Petitionsausschuss des Landtags sich um sein Bleiberecht bemüht. Fürsprecher hat Selmi in jedem Fall schon viele für sich gewinnen können.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!