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#Nur wer sich selbst verleugnet, macht Karriere

Nur wer sich selbst verleugnet, macht Karriere

London, kurz vor dem Brexit. Sie bezeichnen sich als „All-Nighter“ – die internationalen Praktikanten und Trainees bei großen Banken und Finanzdienstleistern, denen der übliche Fünfzehn-Stunden-Arbeitstag wie Erholung vorkommt. Es gilt: Unterhalb der Hundert-Stunden-Woche und ohne durchgearbeitete Nächte ist man ein Weichei ohne Biss. Am Gehalt kann es kaum liegen. Auf den Stundensatz bezogen, ist der nicht höher als in anderen Branchen. Es ist eine Wette auf die Zukunft. Entweder man gehört dazu und empfiehlt sich für die Festanstellung – oder ist raus. Fehler, so heißt es in einer der Folgen der Serie „Industry“, können sich nur Privilegierte erlauben. Für alle anderen gilt Selbstüberwindung als Arbeitsplatzbeschreibung.

Safe sind Vorgesetzte, die sich der Jugendbekanntschaft David Camerons oder Boris Johnsons erfreuen. Wie Clement Cowan (Derek Riddell), der mit seinen Traineeschützlingen nur redet, wenn sie auf den richtigen Schulen waren. Seine Nachwuchsförderung besteht darin, den Eton-Absolventen Robert Spearing (Harry Lawtey) beim Traditionsschneider Maß nehmen zu lassen. Der Stoff steht ihm gut. Eignungstest bestanden. Schließlich geht es darum, Kunden zu überzeugen. Wer nur auf Fachwissen und Einsatz angewiesen ist, gilt schnell als Risiko. Originalität ist Trumpf. Niemand ist schließlich so treulos wie ein Kunde, der das Vertrauen in die Unterhaltungsqualitäten seiner Betreuer verloren hat. Das erfährt auch die brillante Harper Stern (Myha’la Herrold), Absolventin einer weniger wichtigen amerikanischen Uni, mit gefälschtem Zeugnis dazu. Ihr neuer Chef Eric Tao (Ken Leung) ist ein eiskalter Typ, aber fördert sie über die Maßen. Selbst zum Meeting mit der Milliardärin Nicole Craig (Sarah Parish) nimmt Eric Harper mit, vertraut ihr sogar den Pitch einer Produktidee an. Was macht es da, dass die Kundin der Trainee betrunken zwischen die Beine greift? Kollegin Daria Greenock (Freya Mavor) durfte nicht mal mit ins Restaurant. Wen interessiert Belästigung, wenn sie der Karriere nützlich ist? Realitätscheck, wehren, weitermachen, Beziehung nutzen. „In or out“: Harper entscheidet sich bewusst für den Karrieretrip mit Sex, Drogen und Geschäften, an dessen Ende alle handelnden Personen als kaputte, oberzynische Typen dastehen. „Masters of the Universe“? Nein, bloß Diener der Hierarchien und Sklaven ihrer Firmen.

Als im Sommer 2013 ein einundzwanzigjähriger deutscher BWL-Student von seinen Londoner WG-Mitbewohnern tot in der Dusche gefunden wurde, zeigte sich sein Praktikums-Arbeitgeber, die Bank of America Merrill Lynch, erleichtert, als die Todesursache veröffentlicht wurde. Der Nachwuchs-Investmentbanker starb an Epilepsie. Das PR-Desaster war vermieden. Der Arbeitgeber war nicht verantwortlich, zumindest im rechtlichen Sinn. Obwohl Moritz Erhardt zuvor drei Tage und Nächte durchgearbeitet hatte, konnte der Vorwurf der extremen Überstundenkultur als fabrizierte Story linker Journalisten abgetan werden. Elektronische Arbeitszeit-Überwachungssysteme, leicht zu überlisten, sollten die Selbstausbeutung nun in gewissen Grenzen halten. In den sozialen Netzwerken wurde der tote Praktikant von ehemaligen Kollegen als Höchstleister und Spitzenhoffnung gefeiert.

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