#Mit VR-Brille in die Vergangenheit
Inhaltsverzeichnis
„Mit VR-Brille in die Vergangenheit“
An der weiß gestrichenen Wand des Bunkers leben sie wieder auf. Videoprojektionen zeigen Bilder von Synagogen. Das prächtige, farbenfrohe Gotteshaus in der Kölner Glockengasse, das nach Plänen des Dombaumeisters Ernst Friedrich Zwirner entstand, ist darunter, die Frankfurter Hauptsynagoge in der Börnegasse, ein Zentrum des liberalen Judentums, oder das moderne Gotteshaus in Plauen, 1930 eröffnet, ein Bauwerk ganz im Stil der Neuen Sachlichkeit.
Eines eint all diese Bauten, deren Erscheinungsbild sich oft stark unterscheidet: Sie wurden zerstört. Mehr als 10.400 jüdische Gotteshäuser waren es, die während der Novemberpogrome im Jahr 1938 überall im Land vernichtet wurden. 25 von ihnen kann man nun wiederentdecken – als virtuelle Rekonstruktionen, die am Computer entstanden sind. Gezeigt werden sie in einer Ausstellung, die von Sonntag an dauerhaft im Hochbunker in der Friedberger Anlage zu sehen sein wird.
Was übrig blieb, ließen die Nazis abreißen
Die Initiative 9. November kümmert sich um den Gedenkort, an dem bis 1938 ebenfalls eine Synagoge stand. Die neo-orthodoxe Israelitische Religionsgesellschaft hatte sie bauen lassen, 1907 wurde der Sakralbau, der 1000 Männern und 600 Frauen Platz bot, eröffnet.
In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 brannte er. Was von ihm übrig blieb, ließen die nationalsozialistischen Herrscher abreißen, für die Kosten des Abbruchs musste die gepeinigte Gemeinde aufkommen. 1942 entstand dann der Luftschutzbunker, in dem nun die Synagogen-Rekonstruktionen zu sehen sind.
Wollte dem Hass etwas entgegensetzen: Marc Grellert, Projektleiter der neuen Dauerausstellung
:
Bild: Frank Röth
Entwickelt hat die Ausstellung Marc Grellert, Architekt und Dozent an der Technischen Hochschule in Darmstadt. Schon seit Mitte der neunziger Jahre arbeitet er daran, mithilfe von 3D-Computerprogrammen Rekonstruktionen von zerstörten Synagogen zu erschaffen.
Den Anstoß dazu gab ein judenfeindlicher Anschlag: Vier Neonazis hatten im März 1994 Brandsätze gegen die Lübecker Synagoge geworfen. Grellert, der damals noch studierte, wollte ein Zeichen dagegen setzen. Seine virtuellen Nachbildungen zerstörter Synagogen sieht er als digitale Mahnmale gegen das Erstarken der rechtsextremen Szene. In einer Ausstellung im Museum Judengasse zeigte er 1996 seine ersten Rekonstruktionen dreier zerstörter Frankfurter Synagogen.
Gastiert in Israel, Kanada und den USA
Bei der Recherche hatte ihn die jüdische Gemeinde mit Plänen aus den Archiven unterstützt. Vier Jahre später konnte Grellert, der an seiner Hochschule mittlerweile Dozent geworden war, ein noch deutlich umfangreicheres Synagogenprojekt realisieren: 15 zerstörte Synagogen aus unterschiedlichen Ecken Deutschlands wurden nachgebildet. In einer Ausstellung wurde das Projekt in der Bonner Bundeskunsthalle präsentiert, später gastierte sie in Israel, Kanada und in den Vereinigten Staaten.
Auf dieser Wanderausstellung basiert nun auch die Schau im Hochbunker im Ostend. An großen Tischen kann man sich in die Details der Rekonstruktionen und die Geschichten der Bauwerke vertiefen. Daneben gibt es Filme.
Einer zeigt jüdische Gotteshäuser, die in den vergangenen Jahren neu entstanden sind, in einem weiteren erzählen junge Juden, was ihnen persönlich der Synagogenbesuch bedeutet. Zu sehen sind auch zwei Interviews, die Grellert mit Zeitzeugen führte. Bei seinen Recherchen zu den zerstörten Sakralbauten hat er mehrmals mit Überlebenden der Schoa gesprochen, hat sie zu den Orten befragt, an denen sie gebetet haben.
Das beeindruckendste Ausstellungsstück ist das auf den ersten Blick unscheinbarste: eine Virtual-Reality-Brille. Wer sie aufsetzt, bewegt sich durch die Synagoge, die an der Friedberger Anlage zerstört wurde. Mittels der VR-Technik erscheint das Gotteshaus, das die Nazis zerstört haben, plötzlich wieder existent, sieht man den Thoraschrein, die Bima, die verzierten Glasfenster, die Bänke.
Die Ausstellung wurde am Sonntag, 7. November, eröffnet. Auch am Dienstag, 9. November, kann man sie von 17 bis 19 Uhr besichtigen. Danach ist die Schau noch bis zur Winterpause Ende November sonntags jeweils von 11 bis 14 Uhr zu sehen.
Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.
Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.
Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.