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#Brückenbauer zwischen Moderne und Postmoderne

Brückenbauer zwischen Moderne und Postmoderne

Ludwig Mies van der Rohe ging als berühmter Mann in die USA, wurde dort noch berühmter und baute anschließend nur noch einmal in Deutschland, die Neue Nationalgalerie in Berlin. Helmut Jahn ging als Nobody in die Vereinigten Staaten, wurde dort berühmt und entwarf anschließend etliche Großbauten auch in Deutschland – beispielsweise den Messeturm in Frankfurt, das Sony-Center in Berlin, den Post-Tower in Bonn und die Highlight Towers in München.

Es gibt einen Berührungspunkt in den Lebenslinien beider Großbaumeister aus Deutschland: Der aus Franken stammende Jahn hat Mitte der sechziger Jahre bei dem 54 Jahre älteren Mies van der Rohe in Chicago studiert. Anschließend heuerte er als Mitarbeiter im Büro von C.F. Murphy an und wurde bald zu einem der wichtigen Brückenbauer zwischen Moderne und Postmoderne in der Architektur. Mit den Entwürfen für die Kemper Arena in Kansas City und das Xerox-Center in Chicago machte er sich rasch einen Namen, den das Büro Murphy/Jahn seit 1983 auch offiziell trug. Das 1985 eröffnete State of Illinois Center mit seinem gewaltigen und bunten Glas-Atrium wurde zu einem auf der ganzen Welt rezipierten und kopierten großen Wurf, weil es die Arbeitsabläufe einer großen Behörde transparent zu machen schien.

Seit Mitte der achtziger Jahre bemühten sich Bauherren, Jahn für Projekte hierzulande zu gewinnen. Er gewann den Wettbewerb für den Messeturm in Frankfurt, den er offenbar unbedingt gewinnen sollte. Nachdem Jahn anfangs beinahe dekonstruktivistisch anmutende Entwürfe nach der damaligen neuesten Mode vorgelegt hatte, entwickelte sich der Turm immer mehr in Richtung Art Deco, eine Stilrichtung, die Jahn schon zuvor immer stärker zitiert hatte. Die Kritik nahm das 1991 fertiggestellte, 256 Meter hohe Hochhaus teilweise zurückhaltend auf, wegen seiner schlank-muskulösen, eingängigen Gestalt, die an einen Bleistift erinnert, wurde der Turm jedoch rasch populär. Er trug wesentlich dazu bei, dass die ablehnende Haltung vieler Frankfurter gegenüber Hochhäusern zusehends einer Art Lokalstolz wich. Der Messeturm ist Jahns Meisterwerk in Deutschland, die geniale Verbindung und Durchdringung der geometrischen Grundformen von Pyramide, Zylinder und Quader und deren Anreicherung mit Zitaten aus der klassischen Phase des amerikanischen Hochhausbaus haben ihn längst zum Klassiker gemacht. Es handelt sich um eine subtile Form der Postmoderne, die Jahn verfolgt hat. Das hat es ihm erleichtert, nach deren Abklingen nicht alt auszusehen.

Bewunderung und Vorbehalte

Hierzulande blieb die Rezeption Jahns gleichwohl immer gemischt zwischen der Bewunderung gegenüber dem deutschstämmigen Star, der es in Amerika geschafft hatte, und Vorbehalten gegenüber einem vermeintlich oberflächlichen Artisten, der vor allem auf Überwältigung aus sei. Darin spiegelte sich manches Vorurteil gegenüber Amerika. Anders als Mies van der Rohe war und blieb Jahn ein Architekt der Investoren, die sich mit seinem Namen schmückten, und wurde nicht zum Architekt der Architekten.

Als nach dem Fall der Mauer das neue Berlin gebaut wurde, war Jahn selbstverständlich prominent vertreten. Im Sony Center am Potsdamer Platz ist seine Begeisterung für eine Architekturästhetik zu erkennen, die er selbst im Gespräch als technisch bezeichnete: Tragwerke hob er als wesentliche Gestaltungselemente geradezu ostentativ hervor. Kein Wunder, dass Flughäfen ein bevorzugtes Betätigungsfeld waren, international in Bangkok und Chicago-O’Hare, in Deutschland in München und Köln-Bonn. Gar nichts konnte Jahn dagegen mit der deutschen Lust an Rekonstruktionen anfangen. Die Fachwerkhäuser am Frankfurter Römerberg waren für ihn schlicht Kitsch, mit der dortigen neuen Altstadt hat er sich nach eigenem Bekunden nicht vertieft beschäftigt. Mut für neue Lösungen zu haben, war Jahns Maxime, auch darin blieb er ein Mann der klassischen Moderne.

Glas bevorzugt

Glas war denn auch sein bevorzugtes Fassadenmaterial. Zu besichtigen ist das am Beispiel des Neuen Kranzlerecks, das wie ein riesiger gläserner Keil in einen Block am Kurfürstendamm getrieben ist. Dadurch, dass das ohne Rücksicht auf städtebauliche Zusammenhänge geschah, steht das Kranzlereck zugleich in einer negativen Traditionslinie der Moderne. Auch die Highlight Towers in München präsentieren sich ganz in Glas; etwas versetzt in die Achse von Ludwigstraße und Leopoldstraße gerückt, begriffen die empfindsamen Münchner etwas zu spät, was der an sich gefällige Doppelturm an dieser Stelle für das Stadtbild bedeutete, und verboten anschließend in einem Volksentscheid erst einmal alle Hochhausbauten. Gegner, die sich um die Stadtsilhouette sorgten, hatte auch der Post Tower in Bonn. Der als spitzes Oval gestaltete Glasturm mit seinem selbstbewussten Auftritt neben dem Langen Eugen von Egon Eiermann hat der Fernwirkung der in ihrer politischen Bedeutung deklassierten Stadt jedoch gut getan.

Am Samstag ist Helmut Jahn, der ein begeisterter und erfolgreicher Segler und ein wacher, zugewandter Gesprächspartner war, bei einem Fahrradunfall in Campton Hills, einem Vorort Chicagos, gestorben. Er wurde 81 Jahre alt.

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