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#Die Voguing-Szene in Schanghai

Überall bunte Lichter, glitzernde Outfits und jubelnde Menschen – es ist ein Fest, das hier im Keller eines Klubs mitten in der chinesischen Finanzhauptstadt Schanghai stattfindet. Gefeiert wird das „Anderssein“ der queeren Gemeinschaft, die eigene Individualität. Mit stakkatoartigen Handbewegungen und kantiger Körperhaltung bewegen sich die Voguing-Tänzer und Tänzerinnen durch den Raum. Die kurzen Pausen zwischen den einzelnen Tanzelementen erinnern an die Posen eines Models. Am Rande der Tanzfläche beobachten die Richter mit kritischen Augen die Darbietung.

Mit seinem Fotoprojekt taucht der chinesische Fotograph Aly Song in die Voguing-Kultur Shanghais ein. In seinen Bildern spiegeln sich die Energie und die Ausdrucksstärke der Künstlerinnen und Künstler wieder. Gleichzeitig schafft es Song aber auch, den Kontrast zwischen dem Gemeinschaftsgefühl innerhalb der Szene und der gesellschaftlichen Ausgrenzung von queeren Menschen außerhalb des „Ballrooms“ abzubilden. Es wirkt, als würden die Protagonisten ein Doppelleben führen: unscheinbar bei Tag, extravagant bei Nacht.

Voguing beschreibt einen Tanzstil, der während der 1970er-Jahre innerhalb der lateinamerikanischen und afroamerikanischen Gruppen in dem New Yorker Stadtteil Harlem entstand. Als Antwort auf gesellschaftliche Ausgrenzung und Diskriminierung schaffte sich die marginalisierte LGBTQ-Gemeinschaft mit der sogenannten „Ballroom“-Szene einen sicheren Ort, an dem sie ihre „Queerness“ feiern konnten, anstatt sich verstecken zu müssen. Doch die Voguing-Bälle sind mehr als nur ein Tanzwettbewerb. Genauso geht es um Mode und Performance-Kunst.

In den 1990er-Jahren wurde der Tanzstil durch den Song “Vogue“ der Musikikone Madonna und die Dokumentation „Paris Burning“ immer populärer. In den letzten Jahren stieß die „Ballroom“-Szene auch in China auf immer mehr Begeisterung. Vor rund fünf Jahren wurden die ersten Bälle in der Unterwelt Schanghais veranstaltet. Einer der Ersten, der die Voguing-Kultur in Shanghai zum Leben erweckte, ist der 30-jährige VJ Kawakubo. Mit Anfang 20 besuchte er seinen ersten Voguing-Tanzkurs. Heute ist er einer der Bekanntesten der „Ballroom“-Szene.

Die Tänzerinnen und Tänzer treten in sogenannten Häusern gegeneinander an. VJ gehört einer der wichtigsten Voguing-Familien in der Schanghaier „Ballroom“-Szene an: dem Haus Kawakubo. In Anlehnung an die Modewelt geben sie sich oft Namen berühmter Modeschöpfer. Gleichzeitig sind die Häuser für viele wie eine Art Ersatzfamilie, bei der sie Zuflucht finden, wenn das eigene Elternhaus den queeren Lebensstil nicht toleriert.

Beim Voguing geht es also genauso um das Tanzen, wie auch um das Gefühl von Gemeinschaft. Die Szene bietet einen sicheren Ort unter Gleichgesinnten für queere Menschen, die oft täglichen Diskriminierungen ausgesetzt sind. Gerade in einem restriktiven Land wie China ist die Existenz der „Ballroom“-Szene keine Selbstverständlichkeit. Die Führung in Peking ist eher für sozialistische Werte und staatliche Kontrolle, anstatt für Schutz von Minderheiten und Toleranz bekannt. Auch in in Shanghai, Chinas wohl internationalster Stadt, ist die Situation für queere Menschen nicht einfach. Zwar ist die Gesellschaft hier aufgeschlossener als auf dem Land, erzählt VJ Kawakubo. Doch traditionelle und konservative Werte prägen nach wie vor die Gesellschaft.

Außerhalb der Bälle halten sich die Mitglieder der Szene daher bedeckt. Unauffällige Kleidung, „normale“ Berufe und ein gewöhnlicher Alltag. Je weniger man auffällt, desto sicherer. Auch die Bälle werden vorab wenig beworben. Oft kann sich der Veranstaltungsort noch wenige Stunden vor Beginn ändern, um ja nicht die Aufmerksamkeit des staatlichen Blicks zu erregen.

Ob schon erfahren oder ganz neues Mitglied der Szene – das Publikum heißt alle Tänzerinnen und Tänzer willkommen. Es ist ein Ort, um Spaß zu haben und den Schwierigkeiten des Alltags für ein paar Stunden zu entfliehen. Hier kann jeder sein, wie er oder sie will.

Zum Haus Kawakubo gehören Bonnie, Vanessa, Sui, VJ, Tinora und Max Kawakubo (von links nach rechts). Viele finden den sogenannten „Häusern“ eine Ersatzfamilie, die sie akzeptiert, wie sie sind.


Zum Haus Kawakubo gehören Bonnie, Vanessa, Sui, VJ, Tinora und Max Kawakubo (von links nach rechts). Viele finden den sogenannten „Häusern“ eine Ersatzfamilie, die sie akzeptiert, wie sie sind.
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Bild: Aly Song/Reuters

Tänzerinnen wärmen sich vor ihrem Auftritt bei einem Voguing-Ball in Shanghai auf.


Tänzerinnen wärmen sich vor ihrem Auftritt bei einem Voguing-Ball in Shanghai auf.
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Bild: Aly Song/Reuters

Fell, Leder oder Plastik - bei den Voguing-Bällen steht steht neben dem Tanzen auch die Mode im Mittelpunkt.


Fell, Leder oder Plastik – bei den Voguing-Bällen steht steht neben dem Tanzen auch die Mode im Mittelpunkt.
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Bild: Aly Song/Reuters

Der Star der Voguing-Szene in Shanghai, VJ Kawakubo, tanzt auf einem Ball im Mai 2023. Im Hintergrund feuern ihn die Mitglieder seines Hauses an.


Der Star der Voguing-Szene in Shanghai, VJ Kawakubo, tanzt auf einem Ball im Mai 2023. Im Hintergrund feuern ihn die Mitglieder seines Hauses an.
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Bild: Aly Song/Reuters

Tagsüber ist VJ Kawakubo unauffällig unterwegs und arbeitet als Programmierer.


Tagsüber ist VJ Kawakubo unauffällig unterwegs und arbeitet als Programmierer.
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Bild: Aly Song/Reuters

Auffälliges Make-up und aufwendige Frisuren gehören zur „Ballroom“-Szene dazu, so auch bei MissGengDiva.


Auffälliges Make-up und aufwendige Frisuren gehören zur „Ballroom“-Szene dazu, so auch bei MissGengDiva.
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Bild: Aly Song/Reuters

Sui und Tinora vom Haus Kawakubo trainieren im Hintergrund. VJ Kawakubo tanzt im Vordergrund.


Sui und Tinora vom Haus Kawakubo trainieren im Hintergrund. VJ Kawakubo tanzt im Vordergrund.
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Bild: Aly Song/Reuters

Voguing-Tänzer Volta posiert in leuchtenden Neonfarben und Glitzer.


Voguing-Tänzer Volta posiert in leuchtenden Neonfarben und Glitzer.
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Bild: Aly Song/Reuters

Sui, Tinora und VJ vom Haus Kawakubo sind auch privat gute Freunde. Gemeinsam verbringen sie Zeit in Suis Wohnung in Shanghai und lachen über Witze.


Sui, Tinora und VJ vom Haus Kawakubo sind auch privat gute Freunde. Gemeinsam verbringen sie Zeit in Suis Wohnung in Shanghai und lachen über Witze.
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Bild: Aly Song/Reuters

In der „Ballroom“-Szene kommt die queere Gemeinschaft zusammen und schafft sich einen sicheren Ort.


In der „Ballroom“-Szene kommt die queere Gemeinschaft zusammen und schafft sich einen sicheren Ort.
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Bild: Aly Song/Reuters

Der chinesische Fotograph Aly Song lebt und arbeitet in Shanghai. Er brachte sich das Fotografieren selber bei und arbeitet für die Agentur Reuters.

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