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#Clemens Fuest über Wirtschaft nach Corona

Clemens Fuest über Wirtschaft nach Corona

Herr Fuest, waren Sie schon wieder im Biergarten?

Patrick Bernau

Verantwortlicher Redakteur für Wirtschaft und „Geld & Mehr“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Maja Brankovic

Redakteurin in der Wirtschaft der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, zuständig für „Der Volkswirt“.

Ich hab im Gasthaus schon auf der Terrasse gesessen, aber im Biergarten war ich noch nicht. Das zeigt, dass die Krise noch nicht vorbei ist.

War es Ihnen zu gefährlich?

Ich bin sowieso nicht jemand, der viel Zeit in Biergärten verbringt. Aber ich glaube auch, man hat sich daran gewöhnt, dass im Moment noch nicht alles geht. Vieles wird sehr langsam wieder beginnen, nicht nur aus Gewohnheit, sondern auch, weil bei Weitem noch nicht alle geimpft sind. Vielleicht werden die neuen Mutanten die Menschen beschäftigen. Gleichzeitig gibt es diesen großen Wunsch, mal wieder rauszugehen und unter Leute zu kommen.

Wir kennen mindestens ein Hotel, das 75 Prozent teurer ist als vor einem Jahr.

Wenn jetzt ein Nachfrageschub kommt, dann werden sich die Preise erhöhen. Das ist auch richtig so. Gleichzeitig ist es für viele Betriebe noch schwer, Leute zu bekommen. Und dann gibt es ja immer noch Hygienestandards, die bedeuten, dass man weniger Gäste hat.

Das klingt noch nicht sprühend optimistisch.

Die Gastronomie erleben wir direkt, und dort geht es noch nicht so gut. Sie ist aber nur ein Teil der Wirtschaft. Das verarbeitende Gewerbe läuft seit längerer Zeit gut, sogar besser als vor der Pandemie.

Die Industrie hat doch auch Probleme: Ihr fehlt es an Vorprodukten.

Es gibt zwei Arten von Knappheiten: eine Knappheit, die aus dem Konjunkturaufschwung resultiert – die Nachfrage ist hoch, die Fabriken laufen auf vollen Touren, und deshalb werden Zwischengüter knapp. Das ist positiv, denn genau diesen Aufschwung wollen wir ja. Dann müssen die Preise steigen.

Und die andere Art?

Das ist die problematischere: Sie kommt daher, dass Fabriken in ihrer Produktion gestört sind, Verkehrswege gestört sind oder Protektionismus entsteht. Dann spricht man von angebotsinduzierter Verknappung. Das wäre schlecht. Ich glaube, wir sehen teilweise die positiven Formen von Verknappung, teilweise haben wir aber auch zunehmend Protektionismus. Und das schränkt eben das Angebot ein.

Sind nicht auch Arbeitskräfte knapp? Es scheint jedenfalls spätestens dann so, wenn man probiert, einen Handwerker für sich zu gewinnen.

Ja, und das liegt nicht nur an der Pandemie, sondern auch an der Demographie. Die Zahl der Menschen im Erwerbsalter in Deutschland sinkt – das beschränkt auch das Wachstumspotential. Hier liegt eins der wichtigsten Themen für die Wirtschaftspolitik der nächsten 10 oder 20 Jahre.

Hat die Pandemie die Fachkräfteknappheit noch verschärft? An den Schulen sind Bildungslücken entstanden, die Zahl der Ausbildungsverträge ist zurückgegangen.

Das ist wahr, aber andererseits führt die Pandemie zu einem effizienteren Einsatz von Fachkräften, wenn zum Beispiel digitale Techniken eingesetzt werden. Das Internet eröffnet große Potentiale. Man sitzt weniger unnötig im Zug und Flugzeug. Es eröffnet auch Zugriff auf Fachkräfte auf der ganzen Welt. Es gibt jetzt mehr Tätigkeiten, die aus dem Homeoffice erledigt werden können.

Der ITler konkurriert also mit Kollegen aus Indien?

Das tut er heute schon manchmal, aber das wird sich verstärken, und es wird sich auf andere Berufe ausweiten, bis hin zu Ärzten. Wenn wir Internetsprechstunden machen, warum dann nicht international? In einigen Bereichen der Medizin, zum Beispiel der Radiologie, sehen wir, dass es viel effizienter ist, wenn irgendwo auf der Welt Spezialisten Aufnahmen auswerten. Auch Menschen mit hohem Qualifikationsniveau bekommen also Konkurrenz, aber die Fachkräfteknappheit lindert das.

Löst das schon alle Probleme am Arbeitsmarkt?

Nein. Wenn Fachkräfte knapp sind, müssen die Löhne steigen. Als Ökonom würde man ja sagen: Fachkräftemangel gibt es nicht, sondern nur Knappheit. Es ist wie bei Diamanten: Sie sind knapp und teuer, trotzdem reden wir nicht von einem Diamantenmangel. Wer sich über Fachkräftemangel beschwert, sollte die Löhne erhöhen.

Jetzt noch die Löhne erhöhen? Nach der Pandemie? Da werden sich einige Betriebe nicht freuen.

So funktioniert aber die Marktwirtschaft. Das ist wie bei den Diamanten: Die hohen Preise haben auch den Sinn, dass Leute aus dem Markt ausgeschlossen werden. Viele Leute hätten gerne einen Diamantring, aber sie entscheiden sich dagegen, weil es zu teuer ist. So haben Lohnerhöhungen auch die Funktion, dass Fachkräfte an den Stellen nicht eingesetzt werden, wo sie weniger dringend gebraucht werden. Insofern sind Lohnerhöhungen selbst dann richtig, wenn deswegen keine einzige Fachkraft zuwandert.

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