Wissenschaft

CO2-Budget könnte in drei Jahren aufgebraucht sein

Der Klimawandel geht zum größten Teil auf menschengemachte Treibhausgasemissionen zurück und hat schon jetzt spürbare Folgen für den Meeresspiegel und die Temperaturen auf der Erde, bestätigt eine neue Studie. Um die Erderwärmung wie geplant auf maximal 1,5 Grad zu begrenzen, dürfen zu den bisherigen Emissionen nur noch rund 130 Milliarden Tonnen Kohlendioxid hinzukommen, wie die Berechnungen zeigen. Bei dem derzeitigen Tempo und Höhe der Emissionen wäre dieses CO2-Budget aber schon in drei Jahren verbraucht. Das Zeitfenster für den Klimaschutz schließt sich demnach rasch.

Im Jahr 2015 hat sich die Weltgemeinschaft darauf geeinigt, die globale Erwärmung auf maximal 1,5 Grad gegenüber präindustriellen Werten zu begrenzen. Doch diese 1,5-Grad-Schwelle wurde schon überschritten, zumindest für ein Jahr: 2024 lag die globale Jahresmitteltemperatur erstmals 1,52 Grad über dem vorindustriellen Niveau. Gleichzeitig gehen die weltweiten Treibhausgasemissionen nicht zurück, sondern steigen weiter. Vor diesem Hintergrund berechnen Forschende der Initiative „Indicators of Global Climate Change“ (IGCC) seit einigen Jahren regelmäßig, wie viel Treibhausgase noch in die Atmosphäre gelangen dürfen, um die Klimaschutzziele des Pariser Abkommens nicht mehrjährig zu reißen. Für ihre Analysen berücksichtigen sie zehn Indikatoren für den Klimawandel. Jetzt hat das IGCC-Team um Piers Forster von der University of Leeds die aktuellen Zahlen veröffentlicht.

Symbolbild Energiewende
Theoretisch ist sich die Weltgemeinschaft einig: Die Emissionen müssen sinken. Aber wie sieht es praktisch aus? © were1962/iStock

CO2-Budget reicht nur noch für drei Jahre

Das ernüchternde Ergebnis: Das verbleibende Emissionsbudget der Menschheit beträgt seit Beginn des Jahres 2025 nur noch rund 130 Milliarden Tonnen Kohlendioxid (GtCO2). Setzen wir Treibhausgase weiterhin im aktuellen Tempo und Umfang frei, wäre dieses Budget bereits in knapp drei Jahren aufgebraucht. Spätestens dann müssten die globalen Emissionen auf „Netto-Null“ gesunken sein, um zumindest noch eine 50:50-Chance auf Einhaltung des 1,5-Grad-Zieles zu haben, wie die Zahlen zeigen. Um zumindest eine 83-Prozent-Chance zu haben, dürften wir sogar nur noch 30 GtCO2 ausstoßen.

Würden wir eine maximale Erderwärmung von 1,6 oder 1,7 Grad anpeilen, wäre das zur Verfügung stehende CO2-Budget zwar mit 310 oder 490 Milliarden Tonnen Kohlendioxid etwas größer. Doch auch diese CO2-Menge könnte beim derzeitigen Emissionsniveau innerhalb von neun Jahren überschritten werden, wie die Berechnungen ergaben. Hinzu kommt: Das Klimasystem reagiert mit Verzögerung auf unsere Treibhausgas-Emissionen. Die durch die heutigen CO2-Werte verursachte Erderwärmung kommt dadurch erst Jahrzehnte später voll zum Tragen, ebenso deren Folgen wie Wetterextreme.

Haupttreiber: Fossile Rohstoffe und Abholzung

Die Berechnungen des IGCC-Teams bestätigen zudem erneut, dass die derzeitigen rasanten Klimaveränderungen zum allergrößten Teil auf menschliche Aktivitäten zurückgehen – hauptsächlich durch Verbrennung fossiler Brennstoffe und Abholzung. Zwar gibt es auch natürliche Schwankungen im Klimasystem. Doch der menschliche Einfluss sorgt für ein noch nie dagewesenes Tempo in der Erderwärmung. „Sowohl die Erwärmungsniveaus als auch die Geschwindigkeit der Erwärmung sind beispiellos“, sagt Forster. So lagen die durchschnittlichen globalen Temperaturen zwischen 2015 und 2024 um 1,24 Grad über dem vorindustriellen Niveau – davon 1,22 Grad verursacht durch menschliche Aktivitäten. Der Wert setzt sich zusammen aus 1,79 Grad Temperaturanstieg an Land und 1,02 Grad in den Meeren.

„Die globale Erwärmung beeinflusst bereits das Leben von Milliarden Menschen weltweit“, sagt Joeri Rogelj vom Imperial College London. Denn die überschüssige Wärme verändert Aspekte des Erdsystems, die für Ökosysteme und den Menschen lebenswichtig sind – darunter die Ozeane, Eisschilde und den Permafrost. „Wärmeres Wasser führt zu einem Anstieg des Meeresspiegels und zu intensiveren Wetterextremen“, erklärt Karina von Schuckmann von der Politikberatung Mercator Ocean International. Durch den höheren Meeresspiegel nehmen in Küstengebieten zum Beispiel Sturmfluten und Erosion zu. Zuletzt ist der globale mittlere Meeresspiegel zwischen 2019 und 2024 um 26 Millimeter gestiegen – das entspricht vier Millimeter pro Jahr und ist mehr als doppelt so viel wie früher, wie das Team ermittelte. Die langfristige Rate seit Beginn des 20. Jahrhunderts liegt bei 1,8 Millimeter pro Jahr.

Emissionen müssen schneller sinken

Der letzte Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC zeigte ebenfalls deutlich, dass der Klimawandel weitreichende negative Auswirkungen auf Natur und Menschen hat. Auch er zeigte auf, dass die Treibhausgasemissionen schnell und massiv gesenkt werden müssen, um die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. „Die Temperaturen sind seit dem letzten IPCC-Bericht 2021 Jahr für Jahr gestiegen – ein deutliches Zeichen dafür, dass die Klimapolitik und das Tempo der Klimaschutzmaßnahmen nicht ausreichen, um den immer gravierenderen Auswirkungen zu begegnen“, sagt Forster.

„Das Zeitfenster, um unter 1,5 Grad zu bleiben, schließt sich schnell“, konstatiert Rogelj. „Die Emissionen im kommenden Jahrzehnt werden bestimmen, wie bald und wie schnell die 1,5 Grad erreicht werden. Sie müssen rasch gesenkt werden, um die Klimaziele des Pariser Abkommens zu erreichen.“ Im Pariser Zeitplan vorgesehen ist, dass die Teilnehmerländer noch in diesem Jahr ihre nationalen Selbstverpflichtungen (NDCs) zum Klimaschutz nachschärfen. Wie drastisch die Nachbesserungen ausfallen, ist jedoch noch unklar und wird sich wahrscheinlich erst zur nächsten Weltklimakonferenz (COP30) zeigen, die im November 2025 in Brasilien stattfinden wird.

Quellen: IGCC, University of Leeds; Fachartikel: Earth System Science Data, doi: 10.5194/essd-2025-250 




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