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#Schmuckstück unter Schwarzkieferbrettern

Schmuckstück unter Schwarzkieferbrettern

In den siebziger Jahren wuchs langsam die Erkenntnis, dass der Städtebau der Moderne, der von freiflächenumspülten Einzelobjekten ausgeht, keine urbanen Stadträume erzeugen kann, dass kein Bau für sich steht, jeder mit dem Nachbarn kommuniziert, mit ihm zusammen Stadträume bildet. Die Zeit der autistischen Solitäre sollte also vorbei sein.

Schaut man sich die Ergebnisse der Architekturpreise der Architektenkammern und der Landesverbände des Bundes Deutscher Architektinnen und Architekten BDA an, wird deutlich, dass ein großer Teil unserer Architektenschaft immer noch ein recht elitäres Bewusstsein pflegt. Die in der Nachfolge Mies van der Rohes formal äußerst reduzierte, delikat detaillierte Kiste findet noch immer Beifall. Nun ist gegen präzise gläserne Kubaturen, feinsten Sichtbeton, gegen edles Rüsterfurnier und Baukarosserien prinzipiell nichts einzuwenden. Das große Manko gegenüber den Bauwerken früherer Epochen ist jedoch die mangelnde Dialogfähigkeit. Da trumpft ein breitschultriger Betonkubus oder ein gläsernes Artefakt vorlaut auf, wo die Nachbarhäuser traut miteinander reden.

Das historische Ambiente zertrümmert

Da schließt (in Quedlinburg etwa) eine malerische Fachwerkhäuserzeile brüsk mit einem würfelförmigen Backsteinkubus ab, mit riesigen Fenstern und „eigenständiger“ Farbgebung. Der durchaus ansehnliche Bau hätte zu Recht den Architekturpreis des Landes bekommen – würde er an anderer Stelle stehen, dort, wo es keinen Ortsbezug braucht.

Die Tonofenfabrik in Lahr ist ein wunderbarer, symmetrisch angelegter Industriebau von 1896, der zum Museum wurde. Dazu hat man neben dem Mittelrisalit den fehlenden Part durch ein hermetisch wehrhaft anmutendes Betontreppenhaus in zyklopischem Maßstab „ergänzt“, das weder an den Anschlüssen noch in der Befensterung, dem Material oder der Bauhöhe etwas mit dem Bestandsbau zu tun hat, sondern als Provokation auftritt. „Selbstbewusst gibt sich der Anbau als moderne Zutat unserer Zeit zu erkennen“, heißt es in solchen Fällen euphemistisch, wo man den brutalen Faustschlag beklagen müsste, der das historische Ambiente zertrümmert.

Stadthallen im Weichbild kleinerer Ortschaften sind in diesem Zusammenhang besonders heikle Bauaufgaben. Wie es gutgehen kann, ist im oberpfälzischen Berching zu sehen. Das 3000-Seelen-Städtchen (die Gesamtgemeinde zählt gut 9000) hat sich eine neue Kulturhalle geleistet, unter anderem, weil die Betriebsgenehmigung der „Kulturfabrik“ des rührigen örtlichen Kulturvereins aus baurechtlichen Gründen auslief. Bei der Grundstückssuche wurden periphere Standorte verworfen; auch historische Getreidespeicher erwiesen sich als ungeeignet. Als ein kuweitischer Investor, der das lange leerstehende Hotel zur Post an der Ufermauer der Sulz vis-à-vis der ummauerten Altstadt zum Luxusressort umwandeln wollte, die Lust verlor und das Grundstück wieder abstieß, griff die Stadt zu. Für die Sanierung des barocken Altbaus fand sich ein neuer Betreiber, die angebaute Bettenburg aus den achtziger Jahren wurde abgeräumt, und ein wunderbares Grundstück stand zur Verfügung.

Michael Kühnlein Architektur, ein ortsansässiges Büro, das mit seiner Arbeit den Beweis antritt, dass qualitätvolle Architektur auf hohem Niveau auch in einem Provinzstädtchen möglich ist, entwarf einen schlichten, langrechteckigen Saalbau mit hohem Steildach, der mit dem historischen Spital und dem barocken Hotel einen Hofraum umschließt. Als öffentlicher Platz und Biergarten genutzt, verbindet er sich durch neue Freitreppen hinunter zum Ufer mit dem Kuffer-Park entlang der renaturierten Sulz. Den inzwischen vielbesuchten Erlebnisbereich vor pittoresker Altstadtkulisse hat das Nürnberger Team 4 Landschaftsarchitekten gestaltet.

Vollholz aus dem Gemeindewald

Der mächtige Giebel, mit diagonal montierten Schwarzkieferbrettern vor einer schwarzen Dachfolie so einfach wie signifikant gestaltet, weckt Assoziationen an die örtlichen Speicherbauten. Das neue Satteldach gesellt sich zwanglos zur Familie der historischen Dächer ringsum. Die präzise Zeichnung des stereometrischen Dachkörpers, der Glasfassaden und des Vordachs auf dünnen Stahlsäulen wiederum weisen die Kulturhalle Christoph Willibald Gluck, benannt nach dem berühmtesten Sohn der Stadt, unmissverständlich als heutigen Bau aus.

Im Saal wird deutlich: Es handelt sich um einen Holzbau, mit eindrucksvollem offenen Dachstuhl, gezimmert aus Vollholz, das kostengünstig im Gemeindewald geschlagen und mit Kalkkaseinfarbe gestrichen wurde. Der Seitentrakt mit den Funktionsräumen wurde aus präzisen Sichtbetonfertigteilen gefügt. Nach dem Prinzip „Rohbau gleich Ausbau“ wurde auf Oberflächenveredelungen verzichtet, was akribische Detailplanung und saubere Handwerksarbeit zur Voraussetzung hat. 260 Sitzplätze bietet der Mehrzwecksaal bei Theaterbestuhlung. Teure Bühnentechnik gibt es nicht, aber immerhin ein Hubauditorium, bei dem die hinteren Sitzreihen stufenweise angehoben werden können. Ganze 3,5 Millionen Euro hat die Stadt für das Schmuckstück ausgegeben und damit Stadtreparatur, Aufwertung der Kernstadt und Förderung der Kulturszene in einem geleistet.

Die Architekten haben dabei, vielleicht weil sie ihre Stadt lieben, den Genius loci erspürt und ihn mit Einfühlung weiterentwickelt. Sie verstehen Architektur als soziale Kunst, die vertrauten gestalterischen Strukturen und dem sozialen Kontext, aber nicht dem Baukünstler-Ego verpflichtet ist.

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