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#Dann erhebt sich ein Vagant und verlässt den Priesterstand

Dann erhebt sich ein Vagant und verlässt den Priesterstand

„Freiburg“, schreibt Hans Maier in einem erstmals 2014 gedruckten Aufsatz über das „Zusammenleben der Religionen in Deutschland“, „ist gewiss nur ein Beispiel für viele.“ Aber eines, das der Verfasser besonders gut kennt. In Freiburg, der badischen Universitätsstadt, die seit 1827 Sitz eines katholischen Erzbischofs ist, wurde er am 18. Juni 1931 geboren.

Patrick Bahners

Feuilletonkorrespondent in Köln und zuständig für „Geisteswissenschaften“.

Was Freiburg – der Politikwissenschaftler Maier stellt als nüchterner Statistiker fest: eine „mittlere Großstadt mit 170.000 Einwohnern“ – beispielhaft macht für Deutschland im Übergang zum dritten Jahrtausend der christlichen Zeitrechnung, entnimmt Maier einem Text der Gattung „Arbeitstext“ mit dem Titel „Wahrnehmungen der christlichen Landschaft in Freiburg und Anregungen zum ökumenischen Gespräch“ von 1999. Der Kataster der christlichen Lande im Schatten des Münsters umfasst neben katholischer, evangelischer und orthodoxer Kirche „21 Freikirchen, 16 Gruppen der Pfingstbewegung, 8 Endzeitgemeinden und 54 weitere Gruppen“, darunter „nebenbiblische“ wie Mormonen und Gralsbewegung sowie Konventikel der Bildungsreligionen Theosophie und Anthroposophie.

Die Auflockerung hat Tradition

Der stadtsoziologischen Bestandsaufnahme gewinnt Maier eine globalhistorische, im sozialwissenschaftlichen Sinne ökumenische Lektion ab. Der Pluralisierung im Kleinen entspricht Angleichung im Großen. Nivelliert hat sich der für die Religionssoziologie konstitutive Unterschied zwischen der konfessionellen Versäulung des deutschen Modells und der Eigenbau-Kirchlichkeit, die europäischen Besuchern wie Tocqueville in Amerika ins Auge fiel. Dem engagierten Katholiken Maier, der von 1976 bis 1988 Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken war, ist besonders wichtig, dass der Vervielfachung äußerer Zugehörigkeiten eine Steigerung der Binnengruppendynamik korrespondiert. Auch die Freiburger Katholiken verteilen sich auf „viele Gruppen und Untergruppen – von einem charismatischen Erfahrungschristentum bis zu den fest geschlossenen Reihen der katholischen Traditionalisten“.

Hans Maier: „Deutschland“. Wegmarken seiner Geschichte.


Hans Maier: „Deutschland“. Wegmarken seiner Geschichte.
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Bild: C.H. Beck Verlag

Dass Maier nicht geneigt ist, sich bei Letzteren einzureihen, muss er nicht aussprechen. Wenn er in die Kirchengeschichte blickt, sieht er, dass die Auflockerung Tradition hat. Das illustriert ein scheinbares Kuriosum der oberrheinischen Glaubenslandschaft: „Sogar Wanderbischöfe und Presbyteri vagantes treten auf.“ Bischöfe ohne Bischofssitz hatten im Frühmittelalter Anteil an der Christianisierung Europas. Aus der Sicht des Lehramts gefährden umherziehende Priester, die das kirchenrechtliche Prinzip der Stabilität des Einsatzortes ignorieren, die Gemeindestruktur des kirchlichen Lebens – eine Struktur, welche die Amtskirche längst selbst untergräbt, weil sie die Versorgung der Gemeinden mit Pfarrern nicht mehr sicherstellen kann. Maier erläutert die pittoresken historischen Begriffe nicht, sondern lässt die Vignette des Auftritts der klerikalen Vaganten für sich sprechen.

Heiteres Gemüt und unruhiger Geist

Charakteristisch für Maiers problemgeschichtliche Betrachtungen ist die Kombination der lokalen mit der universalhistorischen Perspektive. Liest oder hört man Maier, mag man glauben, sein Temperament habe ihn für die Aufgabe des Ausgleichs prädestiniert, der Vermittlung zwischen den Konfessionen oder säkularer und religiöser Welt. Aber sein heiteres Gemüt ist verbunden mit einem unruhigen Geist, der sich ausgerechnet in der Hinwendung zum Lokalen zeigt. Es gibt Druckorte oder auch Orte im Bücherregal, an denen ruhigere Geister unbeirrbar vorbeieilen würden. Maier arbeitet wirklich mit dem „Arbeitstext“ aus dem Erzbischöflichen Seelsorgeamt und findet in dem Stück Gebrauchsliteratur aus dem kirchenbürokratischen Dauerdialog Winke für seine große Frage, welche Gestalt ein Religionsfrieden haben kann, der zwar noch auf Garantien des staatlichen Rechts beruht, aber nicht mehr auf Kongressen von Fürsten und Kardinälen, sondern im Alltag ausgehandelt wird.

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