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#Darmbakterien schärfen Hummel-Gedächtnis

Darmbakterien schärfen Hummel-Gedächtnis

Mikrobielle Drahtzieher im Visier: Auch bei Insekten spielt die Darmflora eine erstaunlich vielschichtige Rolle für den Organismus, verdeutlicht eine Studie: Forscher haben bei Hummeln spezielle Vertreter der Darmbakterien identifiziert, die ihre Gedächtnisleistungen beim Nektar-Sammeln fördern. Neben der Bedeutung für die Insektenforschung kann die Studie auch Hinweise auf die komplexen Wechselwirkungen zwischen Darm und Gehirn bei anderen Tieren und dem Menschen liefern, sagen die Wissenschaftler.

Die Natur ist von faszinierenden Interaktionen zwischen Organismen geprägt – dieses Prinzip findet sich dabei auch auf der individuellen Ebene wieder: Lebewesen werden von Mikroben besiedelt, die teilweise wichtige Funktionen für sie übernehmen. In den letzten Jahren wurde dabei die komplexe Bedeutung der menschlichen Darmflora immer deutlicher. Es zeigte sich, dass die Mikrobengemeinschaften in uns neben zahlreichen körperlichen Wirkungen auch Hirnfunktionen beeinflussen: Bestimmte Merkmale des menschlichen Mikrobioms wurden etwa mit der Entwicklung von Demenzerkrankungen oder Depressionen in Verbindung gebracht. Die Bedeutung dieser sogenannten Darm-Hirn-Achse ist deshalb momentan ein wichtiges Forschungsfeld.

Im Fokus der Studie eines Teams aus chinesischen und britischen Forschern stand nun allerdings nicht der Mensch, sondern die Hummel (Bombus terrestris). Aus früheren Studien ist bereits bekannt, dass auch Insekten wie Bienen und Hummeln eine Darmflora besitzen, deren Zusammensetzung sich offenbar auf unterschiedliche Körperfunktionen auswirken kann. Zudem zeigten zahlreiche Untersuchungen, dass die lange für eher simpel gehaltenen Insekten zu teils erstaunlichen kognitiven Leistungen fähig sind. So wurde auch dokumentiert, wie gut Hummeln lernen und wie sinnvoll sie ihr Gedächtnis anschließend bei der Futtersuche einsetzen können.

Darm-Hirn-Achse bei Hummeln?

Für die Erforschung der Darm-Hirn-Achse ist zudem ein spezieller Aspekt bei den Hummeln interessant, erklären die Forscher: Sie besitzen im Vergleich zu Säugetieren eine eher einfach zusammengesetzte Gemeinschaft von Darmmikroben, was sie zu einem idealen Modell macht, um die Rolle spezifischer Darmbakterien bei der Kognition zu untersuchen. „In dieser Studie haben wir nun ausgelotet, inwieweit spezifische Darmmikroben mit kognitiven Unterschieden zwischen einzelnen Hummeln verbunden sein könnten“, schreiben die Forscher.

Um zunächst die individuellen Gedächtnisleistungen von Hummeln zu erfassen, führten sie Tests mit verschiedenfarbigen Kunstblumen durch: Bei fünf Farben fanden die Versuchstiere eine süße Zuckerlösung vor, bei fünf anders kolorierten Blüten war der Saft hingegen mit einer bitter schmeckenden Substanz vergällt. Wie sich zeigte, konnten die Versuchstiere die Bedeutung der Farbe lernen: Sie flogen zu den positiv assoziierten Kunstblumen und mieden Versionen mit einer Farbe, bei der sie zuvor Negativerfahrungen gemacht hatten. Drei Tage später konfrontierten die Forscher die markierten Hummeln dann erneut mit dem farbenfrohen Kunstblumen-Sortiment und erfassten, inwieweit sie sich an das Erlernte noch erinnerten. Parallel dazu untersuchten sie durch genetische Methoden die Zusammensetzung der Darmbakterien bei den Versuchstieren.

Laktobazillen im Visier

Bei den Vergleichen beider Teiluntersuchungen zeichnete sich dann ab: Je stärker der Darm einer Hummel von einer speziellen Art aus der Gruppe der Laktobazillen besiedelt war, desto besser war ihre individuelle Gedächtnisleistung. Um den vermuteten Zusammenhang beider Aspekte zu bestätigen, führten die Forscher anschließend Fütterungsexperimente durch: Sie verabreichten den Hummeln gezielt die Laktobazillen über die Nahrung, um deren Anteil an der Darmflora zu erhöhen.

Bei den anschließenden Untersuchungen der Gedächtnisleistungen konnten sie die Verknüpfung dann bestätigen: „Unsere Ergebnisse deuten nicht nur darauf hin, dass die natürliche Variation in der Menge eines bestimmten Darmbakteriums das Gedächtnis beeinflusst, sondern zeigen auch einen kausalen Zusammenhang – dass die Zugabe der gleichen Bakterienart zur Nahrung der Hummeln ihr Gedächtnis verbessern kann“, resümiert Erstautor Li Li von der chinesischen Universität Jiangnan. Senior-Autor Wei Zhao von der Jiangnan Universität sagt dazu: „Wir waren selbst überrascht, dass wir die spezifischen gedächtnisfördernden Bakterien identifizieren konnten“. Weitere Untersuchungen lieferten dann auch erste Hinweise darauf, dass bestimmte Substanzen, die durch die Bakterien gebildet werden, dem Effekt auf das Gehirn zugrunde liegen.

Die Ergebnisse liefern damit nun Hinweise auf die möglichen Hintergründe von kognitiven Unterschieden in Hummelpopulationen, schreiben die Forscher. Dabei ist hervorzuheben, dass die Hirnleistungen der Tiere eine wichtige Rolle bei ihrer Überlebensfähigkeit besitzen. Worauf die beobachteten Variationen im Mikrobiom der Einzeltiere zurückzuführen sind, bleibt bisher allerdings unklar. Möglicherweise führen individuelle Unterschiede bei der Aktivität der Tiere und verschiedene Umwelteinflüsse zu einer unterschiedlichen Entwicklung der Besiedelung durch die Darmbakterien, sagen die Forscher.

Abschließend betonen sie erneut auch die übergeordnete Bedeutung der Studie: „Unsere Ergebnisse ergänzen die wachsenden Belege für die Relevanz der Wechselwirkungen zwischen Darm und Gehirn bei tierischen Lebewesen“, sagt Co-Autor Lars Chittka von der Queen Mary University of London. Li ergänzt dazu: „Es sollten nun weitere Untersuchungen durchgeführt werden, um herauszufinden, ob und welche Bakterienarten eine ähnliche Wirkung beim Menschen haben könnten“, so der Wissenschaftler.

Quelle: Queen Mary University of London, Fachartikel: Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-021-26833-4

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