#Das bedrohte Erbe der Inuit
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„Das bedrohte Erbe der Inuit“
Von kalten Meeresströmungen umgeben, beherbergt Grönland eine äußerst karge Flora. Selbst im vergleichsweise milden Klima an der südwestlichen Küste ist spärliches Weidengebüsch das stattlichste Gehölz. Dennoch finden sich dort auch Hölzer von veritablen Waldbäumen: Treibholz aus Sibirien und Kanada etwa war seit jeher als Feuerholz begehrt. Es wurde von den Ureinwohnern auch gern als Werkstoff genutzt. Im Permafrost sind Produkte einschlägiger Handwerkskunst der Inuit dann teils jahrtausendelang erhalten geblieben.
Bisher wurde von dem tiefgefrorenen Erbe, das Grönlands Ureinwohner hinterlassen haben, erst ein kleiner Bruchteil ausgegraben. Wobei Bemerkenswertes zum Vorschein kam: So sind Archäologen auf ein reiches Sortiment hölzerner Jagdausrüstung gestoßen: Speerschäfte und zugehörige Schleudern, Pfeilschäfte und Bogen sowie Paddel und Spanten von Booten. Bjarne Grønnow vom Dänischen Nationalmuseum in Kopenhagen identifizierte auch Teile von 4500 Jahre alten hölzernen Reifen, über die einst ein Trommelfell gespannt war. Offenkundig konnten schon die ersten Einwanderer Grönlands solche Rahmentrommeln bauen. Wie aus historischer Zeit bekannt, spielte dieses Musikinstrument eine wichtige Rolle in der Kultur der Inuit, auch als unverzichtbares Ausrüstungsteil der Schamanen.
Es bleibt zu hoffen, dass auch künftige Generationen von Archäologen noch spektakuläre Entdeckungen machen werden. Doch der Klimawandel, der in der Arktis rasanter verläuft als hierzulande, könnte den Wissenschaftlern vielerorts zuvorkommen: Der Special Report des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) „The Ocean and Cryosphere in a Changing Climate“ vom September 2019 prognostiziert nicht nur, dass steigende Temperaturen die arktischen Böden länger und tiefer auftauen lassen. Die Erwärmung könnte auch dazu führen, dass die obere Bodenschicht austrocknet und vermehrt Sauerstoff eindringen lässt.
Dass destruktive Pilze, die von solchen Veränderungen profitieren, bereits auf der Lauer liegen, haben kürzlich dänische Wissenschaftler um Nanna Bjerregaard Pedersen vom Dänischen Nationalmuseum in Brede entdeckt. Gemeinsam mit Robert A. Blanchette von der University of Minnesota in St. Paul und Gry Alfredsen vom Norwegian Institute of Bioeconomy Research in Ås nahmen sie elf archäologische Fundstellen unter die Lupe, vom 61. Breitengrad an Grönlands Südzipfel bis zum 77. Breitengrad hoch im Norden. Das Alter der untersuchten Holzproben reichte von rund 4500 Jahren bis zur heutigen Zeit.
Schlauchpilze sind der größte Feind
Wie die Forscher in den „Scientific Reports“ berichten, ließen sich die meisten Hölzer, die bei den Ausgrabungen ans Tageslicht gekommen sind, Fichten oder Lärchen zuordnen. Kiefern- und Weidenholz waren meist selten. Die Pilzfäden, die auf geeignetem Kulturmedium aus den Holzproben wuchsen, konnten die Forscher anhand ihrer DNA zum größten Teil als Schlauchpilze identifizieren. Darunter waren viele, die Moderfäule hervorrufen. Fast alle Proben aus dem archäologischen Kontext zeigen Spuren dieser Holzfäule, die typisch ist für ein ständig feuchtes Ambiente. Auch grönländisches Weidenholz, das auf feuchtem Boden herumliegt, wird von Moderfäule befallen. Das spricht dafür, dass entsprechende Schlauchpilze in Grönland seit jeher das natürliche Recycling übernehmen: Im Boden überall präsent, stehen diese Organismen bereit, sich über jede Art von Holz herzumachen.
Anders als Schlauchpilze vertragen Ständerpilze meist keine Staunässe und benötigen mehr Sauerstoff. Kein Wunder, dass die Forscher um Pedersen Vertreter dieser Pilzgruppe nur vereinzelt nachweisen konnten. Vierzig Prozent der Holzproben aus archäologischen Fundstellen zeigten allerdings typische Zeichen von Braunfäule. Hervorgerufen wird sie von Ständerpilzen, die sich mit Vorliebe über Zellulose hermachen und einen Großteil des bräunlichen Lignins übrig lassen. Anscheinend gehören solche Spezies ebenfalls zum Inventar der grönländischen Pilzflora.
Nach Einschätzung von Pedersen und ihren Kollegen sind Pilze, die Moderfäule hervorrufen, für archäologische Objekte weniger gefährlich. Sie zersetzen das Holz eher langsam und lassen den äußersten Teil der Zellwand samt der Mittellamelle zwischen den Holzzellen weitgehend unbeschadet. Wenn ein hölzernes Objekt auf diese Weise Substanz verliert, wird es zwar fragil, seine Form bleibt aber zunächst erhalten. Bedrohlicher sind Pilze, die Braunfäule erzeugen, aber auch Weißfäulepilze, die sich bevorzugt über Lignin hermachen und Zellulose verschmähen. Wo beispielsweise Zitterlinge oder Verwandte des Zunderschwamms ein passendes Ambiente vorfinden, können sie Holz in relativ kurzer Zeit komplett abbauen. Wie flott sie mit ihrem Zerstörungswerk vorankommen, hängt davon ab, wie stark sich Grönland künftig erwärmt und ob aufgetaute Böden zeitweilig austrocknen. Sicher vor Pilzen ist grönländisches Holz jedenfalls nur, solange es im Permafrost eingebettet bleibt.
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