Mit dem Hundeschlitten durch Schnee und Eis

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Wenn es um die Statur eines nahezu perfekten Wintersportathleten geht, denkt der ein oder andere vielleicht an Johannes Høsflot Klæbo. Mit seinen rund 80 Kilogramm Gewicht, verteilt auf 183 Zentimeter Körpergröße rast der norwegische Langlauf-Star von einem Sieg zum nächsten. 50 Kilometer in weniger als zwei Stunden? Kein Problem für den mehrmaligen Olympiasieger.
Doch wenn es um Ausdauer und Kraft geht, ist selbst Klæbo nicht unantastbar: Randi misst 50 Zentimeter, ist 25 Kilogramm schwer und überwindet in nur wenigen Tagen 600 Kilometer durch die Schneelandschaft Norwegens – dabei einen massiven Schlitten hinter sich herziehend. Die Hündin ist Teil des Gespanns der Deutschen Nina Kraft, die am diesjährigen Finnmarksløpet teilgenommen hat. Das Hundeschlittenrennen ist nicht nur das längste Europas, sondern auch das nördlichste der Welt – und bringt vor allem die Vierbeiner an ihre Grenzen.
Beim Wettkampf setzt Kraft, als sogenannte Musherin (Lenkerin des Hundegespanns), auf den Alaskan Husky. Wegen der schlanken und robusten Statur ist dieser Hund besonders geeignet für Ausdauerrennen. Mehr als hundert Kilometer täglich sind für Randi und ihre sieben Mitstreiter im Gespann bei durchschnittlichen 20 Kilometern pro Stunde kein Problem, auch wenn sie dabei Pulverschnee und eisigen Winden trotzen.
„Das ist schon in ihrer Genetik vorhanden“
„Ich finde diese Hunde faszinierend. Jeder in meinem Gespann hat seinen eigenen Charakter“, sagt Kraft, die in Norwegen als Hundetrainerin arbeitet. „Sie sind extrem menschenbezogen und leicht zu trainieren. Das ist schon in ihrer Genetik vorhanden, diese Lust zum Laufen und zum Ziehen.“ Der Sport selbst ist in Norwegen allerdings noch nicht so tief verwurzelt. „Das hat vor ungefähr 50 Jahren angefangen und unser Rennen gibt es seit 1981“, sagt Finnmarksløpet-Pressesprecher Trond Anton Andersen.
„Anders als vielleicht in Nordamerika kann man also nicht sagen, dass der Sport seit langem ein Teil der norwegischen Kultur ist.“ Wie lange dieser noch bestehen wird, bleibt offen. Denn auch im hohen Norden Norwegens würde man die Auswirkungen des Klimawandels spüren, sagt Andersen. Die Wetterextreme seien zunehmend heftiger. Die Temperaturen hätten während des diesjährigen Rennens um fast 30 Grad Celsius geschwankt und sogar die Null-Grad-Marke überschritten. „Wir hatten schon in den Jahren zuvor harsche Bedingungen“, sagt Andersen. „Doch die Häufigkeit, mit der diese nun auftreten, ist auffällig.“
Ein weiteres Problem liege in den gestiegenen Kosten des Sports, die sich auch auf die Teilnehmerzahlen auswirken. Zwar sei die kürzere Strecke von mehr als 200 Kilometern beim Finnmarksløpet sehr beliebt, anders sehe es bei der Königsdisziplin aus mit ihrer Länge von 1200 Kilometern, die mehr Zeit, mehr Hunde und somit mehr Geld erfordere. Eine Herausforderung, welche die großen Traditionsrennen Nordamerikas seit Jahren kennen, ist es, Sponsoren zu finden. Das hängt unter anderem mit dem Ruf zusammen, der dem Sport anhaftet – Tierquälerei.
„Hunde in den Rennen verheizt“
Das weiß auch Lukas Sommer. Der gebürtige Ostwestfale lebt ebenfalls seit Jahren in Norwegen, hat an kleineren Rennen teilgenommen und ist auf den Spuren des Finnmarksløpet unterwegs, allerdings mit Touristen, die er mit seinen Hunden auf Abenteuerfahrten mitnimmt. Sommer trainiert seine Tiere zwar auch auf Leistung, aber nicht wie Kraft auf Höchstleistung. Von negativen Beispielen aus der Welt des Hundesports hat er ebenfalls gehört. „Ich kenne Fälle in den USA, wo man Hunde in den Rennen verheizt hat oder, wenn sie zu alt zum Ziehen wurden, erschossen hat“, sagt er. Das sei ein Verbrechen.

Beim Finnmarksløpet sollen strenge Auflagen und Regeln das Risiko für die Tiere minimieren. So gibt es während des Rennens bei den Checkpoints Pflichtpausen und Untersuchungen durch Tierärzte, die verletzte Hunde direkt aus dem Rennen nehmen. Doch trotz der Fürsorge zahlen die ausdauernden Tiere oft einen schmerzhaften Preis für so einen Wettkampf: Zu den häufigsten Leiden gehören Überlastungsverletzungen an Vorderbeinen und Hüften, sowie Magenprobleme.
Von Seiten des deutschen Tierschutzbundes heißt es auf Anfrage der F.A.Z., dass nichts dagegensprechen würde, die Lauffreude eines Hundes zu nutzen und auch mit Sport zu verbinden. Problematisch sei es da, wo es um Leistungssport ginge und die Ziele des Menschen über dem Wohl des Hundes stünden.
Das Wohl ihres pelzigen Teams steht für Kraft an oberster Stelle, wie sie sagt. „Wenn Randi als Führungshund müde und unkonzentriert wird, kann ich das zwar korrigieren, aber wenn sie nicht mehr laufen will, dann kann ich nichts daran ändern“, sagt die 45-Jährige. „Ohne den Willen und die Unterstützung der Hunde geht halt nichts mehr.“ An beidem fehlt es nicht beim diesjährigen Rennen. Auf Rang 21, aber mit einem unversehrten Gespann rast Kraft nach dreieinhalb Tagen über die Ziellinie. Nach kurzem Jubelruf umarmt sie schließlich ihre erschöpften, aber fröhlichen Vierbeiner.
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