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#Wie öffentlich soll Privates sein?

„Wie öffentlich soll Privates sein?“

Die letzten Tage beherrschte es die Berichterstattung über Finnland: Unbekannte veröffentlichten ein Video, das die Regierungschefin Sanna Marin zeigt, wie sie mit Freunden ausgelassen tanzt. Vereinzelte Kritiker Marins brachten die Aufnahmen mit Drogenkonsum in Verbindung – doch Gemurmel aus dem Video wurde offenbar falsch verstanden. Marin sah sich genötigt, einen Drogentest zu machen, der negativ ausfiel.

Fast alle Medien verbreiteten das Video: Teils, indem sie Ausschnitte als Tweet in Onlinemeldungen einbetteten, wie auch die F.A.Z. – teils wurden sie in eigene Beiträge übernommen. So etwa von der Deutschen Welle (DW), deren Video oft geteilt wurde – allein auf Twitter gab es mehr als eine Million Ansichten. Marin kam selbst zu Wort: Sie distanzierte sich von Drogenkonsum und betonte, dass es ihr übel aufstoße, dass das im privaten Raum aufgenommene Video öffentlich gemacht wurde. Doch nicht nur Kritiker, auch Unterstützter Marins teilten das Video – offenbar um zu zeigen, wie cool die 36-jährige Premierministerin ist.

Bei ihr handele es sich um eine Person von öffentlichem Interesse, auch sei die gesellschaftliche Diskussion relevant, „die durch das Video weltweit ausgelöst wurde – durchaus auch mit positiven Konnotationen für Frau Marin“, erklärt ein DW-Sprecher. Der Sender habe dies abbilden wollen, „und zum besseren Verständnis der Nutzer war es nach unserer Einschätzung nötig, einen Ausschnitt aus dem in den Sozialen Medien verbreiteten Video zu zeigen“. Neben dem Material, das unbekannten Ursprungs sei, nicht aber verdeckt gedreht worden sei, sei Marin auch zu Wort gekommen. „Die DW hat sachlich und ausgewogen und nicht etwa sensationsheischend über die öffentliche Diskussion, die die Aufnahmen ausgelöst haben, berichtet.“ Es sei davon auszugehen, dass es sich um ein zeitgeschichtliches Ereignis von hohem öffentlichem Interesse handele – im Ergebnis sei es gerechtfertigt, die Aufnahmen zu zeigen und nicht nur zu beschreiben, auch da Marin in sozialen Medien regelmäßig Einblick in ihr Privatleben gebe und auch zuvor ihre Freizeitgestaltung diskutiert worden sei.

Kein öffentliches Interesse

Auch der MDR verteidigt seinen Beitrag im ARD-Magazin „Brisant“: Er habe die weltweite Debatte um die Party aufgegriffen und eingeordnet. Die Redaktion habe dem Publikum die Möglichkeit geben wollen, „sich ein eigenes unabhängiges Bild zu machen“.

Der Journalismusprofessor Tanjev Schultz von der Universität Mainz sieht die Verwendung des Videos kritisch. „Auch eine Ministerpräsidentin hat das Recht, privat zu feiern, ohne dass davon Bilder veröffentlicht werden, wenn sie das nicht möchte“, sagt er. „Ich sehe kein öffentliches Interesse, das hier überwiegen würde.“ Die Neugier könne nicht ausschlaggebend sein, das Video habe keinen Skandal offengelegt. Auch dass es bereits auf Plattformen kursierte, sei kein ausreichendes Argument. Ein solches Video rufe natürlich Reaktionen hervor und zwinge Marin, Stellung zu beziehen, was es medial wiederum interessanter mache. Doch sieht Schultz keinen ausreichenden Grund, es zu verbreiten. „Dieses Verhalten und diese Art der Argumentation halte ich für ethisch nicht sauber“, sagt er.

Für Marin ist die Diskussion um ihr Privatleben erst mal noch nicht vorbei. Am Dienstag entschuldigte sie sich für ein Foto, das an ihrem Amtssitz in Helsinki entstanden ist und zwei küssende, halb nackte Frauen zeigt, die über ihren Brüsten ein Schild mit der Aufschrift „Finnland“ präsentierten. Sie habe Freunde eingeladen und sei selbst nicht anwesend gewesen, erklärte Marin – das zuerst über Tiktok verbreitete Foto sei unpassend gewesen.

Unklar ist weiterhin, wie es zu den Veröffentlichungen kam. „Natürlich ist es kein Zufall“, erklärte Roderich Kiesewetter (CDU) am Montag auf Twitter zum Partyvideo – er ist Vizevorsitzender des die Geheimdienste kontrollierenden Parlamentarischen Kontrollgremiums und Obmann der Unionsfraktion im Auswärtigen Ausschuss. „Nachdem sie Finnland in die NATO geführt hat und einen klar prowestlichen Kurs verfolgt, ist sie Opfer der russischen (hybriden) Kriegsführung geworden“, sagte er – Belege hierfür blieb er jedoch schuldig. In jedem Fall dürfte Moskau sich über den Aufreger gefreut haben: Dass nach Aussage des finnischen Verteidigungsministeriums russische Kampfjets vergangene Woche offenbar finnischen Luftraum verletzt haben, ging im Vergleich zum Partyvideo weitgehend unter.

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