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#Das Esszimmer Singapurs steht jetzt unter Artenschutz

Das Esszimmer Singapurs steht jetzt unter Artenschutz

Hotelpool auf der Dachterrasse, das Nachtrennen der Formel-1, Ferraris statt Golfs auf den Straßen  – so wird die Inselmetropole Singapur nicht erst seit dem Film „Crazy Rich Asians“ wahrgenommen. Unter der glitzernden Oberfläche des Finanzplatzes mit der höchsten Millionärsdichte der Welt liegt aber eine andere Stadt: Eine, die Menschen gehört, die hart arbeiten, die in staatlich geförderten Wohnungen leben, und die auch mit 80 Jahren noch Taxi fahren, um ihren Kindern ein Studium zahlen zu können. Das Bindeglied dieser beiden Welten des südostasiatischen Stadtstaates ist die Hawker-Kultur: Das Essen für ein paar Dollar in Imbisszentren. Denn die Laksa oder das noch nach Großmutters Rezept angerichtete Char Kway Teow mögen alle – vom Banker bis zum Rentner. Und: Hawker-Essen ist ein Magnet für den Tourismus. Vor allem aber ist es sozialer Klebstoff in einer Stadt der unterschiedlichen Einkommensklassen, Ethnien und Religionen. Diesen Küchenschatz haben die Vereinten Nationen nun als kulturelles Welterbe geschützt.

Christoph Hein

Christoph Hein

Wirtschaftskorrespondent für Südasien/Pazifik mit Sitz in Singapur.

„Hawker Centre sind die Esszimmer unserer Stadtgemeinschaft“, sagt Singapurs Ministerpräsident Lee Hsien Loong. Nun steht das Esszimmer Singapurs unter Artenschutz. So wie belgisches Bier, Yoga in Indien, die Windmühlen Hollands oder der Orgelbau in Deutschland, seit dieser Woche auch das Laternenfest Yeon Deung Hoe in Südkorea und die mechanische Uhrenkunst der Schweizer – sie alle finden sich in der „repräsentativen Unesco-Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit“.

Verpflichtung zur Bewahrung des Erbes

Die Aufnahme in das Register kommt mit Verpflichtungen. Der Staat muss das Erbe bewahren, sonst landet es auf einer Liste der gefährdeten Erben, und das ist mindestens rufschädigend. Für Singapur ist die Aufnahme der Esskultur ein zweiter Ritterschlag der UN – schon sein Alter Botanischer Garten aus dem Jahr 1859 wurde bei der Unesco-Tagung in Bonn 2015 zum Weltkulturerbe ernannt. In seiner Eingabe unter der Nummer „01568“ verknüpft Singapur nun seine Hawker zudem mit einem „multikulturellen Kontext“. „Geboren aus der Tradition der Straßenküchen sind die Hawker-Zentren Aushängeschilder des multikulturellen Stadtstaates geworden und verbinden chinesische, malaiische, indische und andere Kulturen. Viele spezialisieren sich auf ein Gericht, weiterentwickelt über viele Jahre, und übergeben ihre Rezepte, ihr Wissen und ihre Erfahrungen dann der nächsten Generation“, heißt es in der Selbstdarstellung.

So hat auch Yu Zhen Kai angefangen. Schon früh morgens hängt er sein Char Siew, einen  Schweinebauch, in den Höllenofen mit seinen 400 Grad. Drei Stunden geröstet, kunstvoll zerlegt und nett angerichtet mit Reis und ein paar Gurkenstreifen landet er dann für 3,80 Singapur Dollar (2,35 Euro) auf dem orangen Plastikteller. Der Singapurer Self-Made-Koch regiert eine sechs Quadratmeter kleine Garküche im Imbissmarkt an der Old Airport Road. Hier arbeitet er mit vier ehemaligen Häftlingen. Gelernt hat Yu einst bei Kentucky Fried Chicken, dann schwere Jungs mit leichten Mädchen versorgt, schließlich bei seinem Onkel in Malaysia das Entscheidende abgeschaut: Ein Rezept, Schweinebauch so kross zu rösten, wie es kein anderer kann.

Köche wie Yu und deren Kunst hat auch Tommy Koh im Sinn, wenn er sagt: „Einer der Klebstoffe, die unser junges Land mit seinen verschiedenen Ethnien zusammenschweißt, ist unsere Straßenküche.“ Koh, Singapurs freundlichstes Gesicht und zugleich alt gedienter Ambassador-At-Large, schiebt nach: „Alle Singapurer, egal zu welcher Religion sie zählen, ganz gleich, wo sie herkommen, egal, was ihre Muttersprache ist, lieben dieselben klassischen Gerichte. Sie lieben unsere Hawker.“

Straßenküche als Wirtschaftsfaktor

Nicht nur in der Krise sind Singapurs Straßenköche aber auch ein Wirtschaftsfaktor – hier gibt es „Economy Rice“ für ein paar Cent, der noch jeden Magen füllt. 6000 Hawker Stalls sind in Singapur angemeldet, verteilt auf 114 Hawker Centres. Hochgerechnet servieren die kleinen Köche Singapurs rund 1,8 Millionen Essen pro Tag – und das bei 5,5 Millionen Einwohnern in der Stadt. Kostete eine Mahlzeit nur rund 5 Singapur Dollar führt das – statistisch betrachtet – zu einem Umsatz von mehr als 3 Milliarden Singapur Dollar jährlich. Zugleich hat die Stadt erkannt, dass die manchmal nur 4 Quadratmeter großen Stände, die billig verpachtet werden, auch Nachrückern einen verlässlichen Arbeitsplatz bieten. Die Voraussetzung: Der Koch muss kreativ, belastbar und schnell sein. Denn ist er gut, bilden sich lange Schlangen vor den Ständen. Bis zu 300 Essensportionen verkauft ein Hawker im Mittel am Tag – die berühmten unter ihnen kommen auf mehr als tausend Mahlzeiten. Den ganzen Tag vom Frühstück bis zum späten Essen in der Nacht bleibt die Küche offen. 80 Prozent der Singapurer gehen mindestens einmal in der Woche bei ihrem Hawker essen.

Die Stadt fördert ihren Wirtschaftsfaktor „Hawker“ mit zunehmender Kraft. Neuerdings gibt es Kochkurse, wo Nachwuchsköche die tradierten Rezepte lernen. Neue „Food-Courts“ bieten einigen Chic, modifizierte Gerichte, aber immer noch niedrige Preise. Steuern brauchen die Hawker nicht zu zahlen. Koh erzählt, wie der Self-Made-Millionär mit seinem Bentley halt macht vor einer der Garküchen, um dort seine geliebte Laksa zu löffeln, die scharfe Suppe oft mit Kokos und Garnelen. Essen verbindet in Singapur mehr als anderswo auf der Welt, Freundschaft geht hier durch den Magen. Bei dem mit einem Michelin-Star gekürten Chef Chan Hon Meng mit seinem Hong Kong Soya Sauce Chicken Rice dauert es mittags schon eine gute Stunde, bis die Köstlichkeit auf dem Plastikteller landet.

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