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#Das geldpolitische Helfersyndrom ist weit verbreitet

Das geldpolitische Helfersyndrom ist weit verbreitet

Inflation ist wieder zu einem Thema geworden. Ob die Inflation nach mehreren Jahrzehnten erstmals wieder zu einem ernsthaften Problem wird, ist aber noch nicht ausgemacht. Ein starker Anstieg der Rohstoffpreise, ein Wegfall der Mehrwertsteuersenkung in Deutschland und eine höchst wahrscheinliche Belebung der Wirtschaft im Jahresverlauf könnten nach Schätzungen die Inflationsrate in Deutschland bis zum Jahresende auf rund 3 Prozent treiben.

Beruhigte sich der Preisauftrieb anschließend wieder, müsste man sich um diesen Einmaleffekt in einem Jahr, in dem die Volkswirtschaften hoffentlich den Schreckensmantel der Pandemie abwerfen, nicht sorgen. Verfestigten sich aber erst die Erwartungen auf ein weiter spürbar steigendes Preisniveau und zögen in der Folge die Preise auch im kommenden Jahr weiter an, würde die Inflation zu einem Problem. Das muss nicht so kommen, aber es kann so kommen.

Inflation fällt nicht einfach vom Himmel. Inflation ist auch kein unausweichliches Schicksal, sondern kann wirksam bekämpft werden. Entscheidend wird daher sein, wie die Geldpolitik auf dauerhafte Inflationsgefahren reagiert. Hier hilft der Blick in die Geschichte nicht recht weiter, denn das Selbstverständnis der Notenbanken hat sich in den vergangenen Jahrzehnten erheblich verändert.

Als permanent empfundener Notstand

Zwischen 1979, dem Amtsantritt Paul Volckers an der Spitze der Fed, und 2006, dem Jahr des Rückzugs Alan Greenspans von der Fed, erweckten Geldpolitiker nicht nur in den Vereinigten Staaten gerne den Eindruck, sie könnten angesichts ihrer Macht und ihres souveränen Umgangs mit den wirtschaftlichen Herausforderungen auf dem Wasser laufen. Ihr Ansehen beruhte auf ihrem erfolgreichen Kampf gegen die Inflation, ihre Macht auf der verbrieften Unabhängigkeit von Regierungsweisungen. Die Frage nach der demokratietheoretischen Verankerung einer Bürokratie, die unablässig gewählte Regierungen kritisierte, sich mit Verweis auf ihre Unabhängigkeit Kritik an ihrem Handeln aber verbat, stellte der damalige Zeitgeist nicht.

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Spätestens mit dem Ausbruch der Finanzkrise vor gut zehn Jahren begann das Ansehen der Notenbanken zu leiden. Deutlich wurde, dass ausgerechnet der von weiten Teilen des amerikanischen Ökonomen-Establishment verklärte Greenspan keineswegs auf dem Wasser laufen konnte, sondern auch nur mit Wasser kochte.

Seitdem treten Geldpolitiker bescheidener auf. Aber an die Stelle übertriebener Souveränität ist im Laufe der vergangenen Jahre ein Helfersyndrom getreten, in dem Notenbanken sich zunehmend als eine Art Reparaturbetrieb für einen vermeintlich nicht mehr funktionierenden Kapitalismus verstehen. Eine gut begründbare, im Notfall auch massive geldpolitische Unterstützung in akuten Krisen, gegen die nichts einzuwenden ist, droht sich in ein Verwalten eines zunehmend als permanent empfundenen wirtschaftlichen Notstands zu verwandeln.

Was wird aus der Unabhängigkeit?

Dieses Helfersyndrom unterminiert die Unabhängigkeit der Notenbanken. Weil immer mehr Teilnehmer an den weiterhin gegen Krisen nicht immunen Finanzmärkten und Regierungen hochverschuldeter Länder die Geldpolitik in der selbstverständlichen Pflicht sehen, sie vor Schaden zu bewahren.

Und so spricht in einer Zeit, in der die Anleihemärkte steigende Inflationserwartungen spiegeln und selbst namhafte keynesianische Ökonomen vor den Inflationsgefahren einer überdimensionierten Finanzpolitik in den Vereinigten Staaten warnen, der aktuelle Vorsitzende der Fed, Jay Powell, von der unveränderten Notwendigkeit, im Interesse des Wirtschaftswachstums eine sehr expansive Geldpolitik fortzusetzen. Gleichzeitig verbindet in Europa die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, die steigenden Anleiherenditen vor allem mit der Gefahr schlechterer Finanzierungsbedingungen für Staaten und Unternehmen.

Eine Dramatisierung der Inflationsgefahren wäre ebenso verhängnisvoll wie eine Unterschätzung. Haben sich in den Unternehmen und den privaten Haushalten die Erwartungen auf dauerhaft steigende Inflationsraten aber erst einmal verfestigt und fangen Unternehmen und Privathaushalte in Erwartung eines dauerhaft steigenden Preisniveaus an, ihre Ausgaben deutlich zu steigern, würde die Bekämpfung der Inflation unangenehmer.

Es gliche einem historischen Versagen, wenn die Notenbanken ihre gesetzlich verankerte Pflicht zur Sicherung des Geldwertes ausgerechnet in einer Zeit vernachlässigten, in der sie sich mit dem Kampf für das Weltklima und gegen Ungleichheit Ziele auf die Fahnen geschrieben haben, die in keinem Pflichtenheft stehen. Auch wer nicht zur Dramatisierung neigt, müsste ein solches Versagen als ein Menetekel für das Konzept unabhängiger Zentralbanken betrachten.

Gerald Braunberger

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