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#Das Geräusch, das dem Beben vorausgeht

„Das Geräusch, das dem Beben vorausgeht“

Goethe geht ja immer, aber Brecht war vielleicht nie so nah wie nach diesem neuen Roman von Esther Kinsky. Dem alten Meister ist mit seinem „Denn unfühlend / Ist die Natur: / Es leuchtet die Sonne / Über Bös’ und Gute, / Und dem Verbrecher / Glänzen wie dem Besten / Der Mond und die Sterne“ nicht viel entgegenzusetzen, doch der moderne Lyriker drängt sich nun vor, wenig edel zwar, womöglich aber hilfreich, und mault: mehr Mensch!

Der Reihe nach. Im Mai und September 1976 zerstören im Friaul Erdbeben ganze Orte, Hunderte von Menschen sterben. Kinskys Roman „Rombo“ ist nach dem Geräusch benannt, das diesem Beben vorausgeht. Er beginnt mit einem italienischen Zitat aus Dantes „Gött­licher Komödie“, dem kein Hinweis auf die Übersetzung am Ende beigegeben ist, im Anschluss wechseln sich Auslassungen zu naturwissenschaftlichen Themen mit den Beobachtungen einer quasi allwissenden Person ab, die Land und Leute beschreibt. Die einzelnen Fragmente sind recht kurz. Im Schaffen Kinskys ist all das kein Novum, zu denken ist an den preis­gekrönten Geländeroman „Hain“ oder an die Gedichtsammlung „Schiefern“. Doch gilt bei jedem Werk aufs Neue: You never get a second chance to make a first impression. Und hier ist der erste, der anfängliche Eindruck schlecht.

Da mäandert die Sprache der Natur hinterher, da weiß jemand um ihr Fühlen. „Beim Eintritt aus den Bergen in die Moränenlandschaft knickt der Fluss von seinem Verlauf nach Osten in Richtung Süden ab und nimmt die Fella von Norden auf, zögernd, unschlüssig beide, türkis und weiß, die Unschlüssigkeit hat ein riesiges dreieckiges Kiesel- und Schotterfeld entstehen lassen, das die Karnischen Alpen von den Julischen Voralpen trennt, eine helle Fläche wie Versehrung, ein Zögerraum vor dem Hintergrund der Bergtäler, vor den abgeschiedenen Zonen mit ihren eigenen, von schwindender Nutzung abgestumpften Sprachen, ihren schrillen, hilflosen Liedern und ihren vertrackten Tänzen.“ Bei Kontinentalplatten, denen „so, wie sie liegen, nicht wohl ist“, geht es personal zur Sache, während kurz darauf der Blick der be­obachtenden Person auf einen Mann mit weißem Haar und schlimmen Zähnen fällt, der meint, die „Erinnerung ist ein Tier, das aus vielen Mäulern bellt“.

Folklore ist viel da

Darauf folgt ein „Anselmo“ betiteltes Stück, das ebendiesen alten Mann vorstellt. „Er verwickelt die Grabbesucher gern in Plaudereien und bietet sich auswärtigen Hinterbliebenen als Vertrauensperson an.“ Weitere Erinnerungsfragmente liefern Lina, Mara, Olga, Silvia, Gigi und Toni, gleichwohl bleibt alles Tun der Menschen lange passiv dargestellt: „Vieh wurde auf Almen getrieben, Kalksteine zum Brennen gebracht, geschlagenes Holz wird zu Tal geführt.“ Ein Netz von Spuren dagegen „führt um Schluchten herum und sucht Furten“. Erst nach etwa einem Viertel des Romans gesteht Kinsky ihren Figuren die Ich-Perspektive zu. Die Geschichten, die sie dann erzählen, sind brüchig; vereinzelt schimmert durch, dass einige miteinander befreundet oder verwandt waren, das meiste bleibt jedoch Stichwort: italienische und slowenische Partisanen, Arbeitsmigration, Träume, Scheidungen, Sprache. Am deutlichsten wird noch die Folklore er­hellt. Den Eindruck vom Anfang können sie nicht mehr wettmachen, entscheidend ist jedoch ihre Beliebigkeit: Die Erinnerungsfundstücke bedeuten keinen Per­spektivwechsel und fügen sich nicht zu einem Ganzen. Fiele eines weg, würde das nur den Umfang des Textes ändern.

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