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#Das Geschäft mit der Verzweiflung

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Das Geschäft mit der Verzweiflung

Der Mann könnte einem Hip-Hop-Video entsprungen sein: Trainingsanzug, klobige Silberkette und Armband, drei überdimensionierte Ringe an seinen Fingern. Er entschuldigt sich für die Verspätung. „Es war eine lange Nacht.“ Er will nur Abu Ali genannt werden, ein Name, der so viel Rückschlüsse auf seine Identität zulässt, als würde sich ein Deutscher als „Herr Schmidt“ vorstellen. Für seine Vorsicht hat er gute Gründe: Abu Ali schlägt sich die Nächte um die Ohren, weil er Menschen über die Grenze aus dem Libanon nach Syrien schmuggelt.

In seinem Heimatort Madschdal Anschar, einem verschlafenen Nest in der Bekaa-Ebene nahe der Grenze, weiß das jeder. Die Leute scheint es nicht zu stören. Sie grüßen herzlich, bleiben auf der Straße stehen, um kurz zu plaudern. Manchmal wirkt es, als statte ein Prominenter seiner alten Heimat in der Provinz einen Besuch ab. Aber Abu Ali geht eigentlich nie von hier weg, weil das sicherer für ihn ist. Besser die Behörden nicht unnötig provozieren. Regelmäßig wechselt er das Auto.

Gute Zeiten für Schmuggler im Libanon

Denn Abu Ali wird mit Haftbefehl gesucht, und Festnahmen sind schlecht fürs Geschäft. „Es läuft sehr gut“, sagt er, dann lacht er und sagt: „Du solltest für mich arbeiten.“ Wenig später zeigt er auf seinen Freund. „Der war gut in der Schule, ist zur Universität gegangen – und jetzt verdiene ich viel mehr Geld als er.“ Es sind gute Zeiten für Schmuggler im Libanon. Sie bringen vom libanesischen Staat subventionierte Güter in das vom Krieg zerstörte und vom Regime ausgepresste Syrien: Treibstoff, Zucker, Mehl. Von dort kommt Tabak für Wasserpfeifen oder Baumwolle. Vor allem aber floriert ein anderes Geschäft: das mit der Verzweiflung der syrischen Flüchtlinge, die eine heimliche Rückkehr oder die gefährliche Reise nach Europa ihrer Not im Libanon vorziehen.

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Der Zusammenbruch der libanesischen Wirtschaft trifft sie mit voller Wucht. Schon viele Einheimische können wirtschaftlich kaum noch überleben, seit der Wert der Währung verfallen ist, die Preise explodiert sind, die Stromversorgung kollabiert ist und seit es für die allermeisten eine nervenaufreibende Tortur geworden ist, Treibstoff aufzutreiben. Die Flüchtlinge, an welche die Zumutungen des Alltags für gewöhnlich weitergegeben werden, sind noch deutlich schlechter dran. „Fast jeden Tag bringe ich dreißig bis siebzig Syrer über die Grenze“, sagt Abu Ali. Genauer genommen übernehmen das Leute, die er bezahlt. Abu Ali arbeitet am Telefon, hält Kontakt zur Kundschaft und mit anderen Schleusern in Syrien – auch an der Grenze zur Türkei.

Viele seiner Klienten reisen aus Syrien weiter, wiederum ein großer Teil mache sich von der Türkei aus auf den Weg nach Europa, sagt der Schleuser. Nur etwa ein Drittel, fügt er an, wolle in Syrien bleiben. Diese Leute wählen einen illegalen Heimweg, weil sie fürchten, vom Assad-Regime in die Streitkräfte zwangsrekrutiert zu werden oder in dessen Folterkellern zu verschwinden. Es kann ausreichen, dass Verwandte vom Regime gesucht werden. Oder die Menschen wollen vermeiden, dass ihre Namen von den Listen der Vereinten Nationen gestrichen werden. Sie kommen dann regelmäßig zurück, um sich die Finanzhilfen des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR abzuholen. Damit sich das lohnt, kommt Abu Ali ihnen mit dem Preis entgegen. „Stammkunden bekommen Ermäßigung“, sagt er und grinst.

Ein offizieller Grenzposten zwischen dem Libanon und Syrien


Ein offizieller Grenzposten zwischen dem Libanon und Syrien
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Bild: Chérine Yazbeck

Es ist einer dieser Momente, in denen seine straßenschlaue Jovialität nicht so recht zu dem harten und skrupellosen Geschäft passt, mit dem er sein Geld verdient. Wenn er davon erzählt, klingt es fast, als sei das für ihn alles nur ein Spiel. „Man verdient viel Geld, kauft sich ein schönes Auto, dann wird man erwischt, verliert alles – und fängt wieder von vorne an“, sagt er, als wäre das ein ganz normaler Karrierezyklus. Und dann berichtet Abu Ali, als wäre das eine launige Episode aus seiner Jugend, wie er ins Gefängnis kam, weil er auf die Sicherheitskräfte geschossen habe, weil er dachte, sie wollten ihn festnehmen.

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