Nachrichten

#Das Haus, das Verrückte macht

Das Haus, das Verrückte macht

Um zu beweisen, dass beide keine Götter sind, stellt der römische Kaiser den Galliern Asterix und Obelix eine Reihe unmöglicher Aufgaben. Eine davon besteht darin, in der Präfektur Roms den Passierschein A38 zu beschaffen. Für diese „Formalität verwaltungstechnischer Art“ braucht es eine Reihe von Formularen, die an unterschiedlichen Schaltern mit jeweils wechselnden Öffnungszeiten beantragt werden können. Mittendrin lässt Obelix sich auf den Boden fallen und seufzt: „Hier kommen wir nie mehr raus.“

Ausweglosigkeit ist für viele auch das Gefühl dieser Zeit, sie ist so etwas wie ein Leitmotiv der Corona-Pandemie. Die lehrt seit Monaten, dass auf jede gute Nachricht mindestens eine schlechte folgt, wie die Debatte über die Nebenwirkungen des Impfstoffs von Johnson & Johnson wieder einmal zeigt.

Ohne Zweifel haben neue Varianten des Virus und unvorhergesehene Rückschläge bei der Herstellung und der Verteilung der Impfstoffe manch eine Planung zunichtegemacht. Doch so ist es in jedem Land und mit jeder Impfkampagne, wenn auch in unterschiedlicher Weise. Zwar leidet Europa zusätzlich unter der rückblickend empörend zögerlichen Bestellpraxis der EU-Kommission. In Deutschland kommt noch etwas hinzu. Im Zusammenhang mit der Impfkampagne werden die Menschen Zeugen eines Unvermögens der Politik, dessen Ausmaße sich immer deutlicher abzeichnen.

Ein vorläufiger Höhepunkt war erreicht, als vor ein paar Tagen klar wurde, dass das zuständige Bundesgesundheitsministerium kurzfristig entschieden hatte, Betriebsärzte sowie die hausärztlichen Privatpraxen vorerst doch nicht in die Impfkampagne einzubeziehen – und zwar, nachdem etliche Mediziner schon Impfstoff für ihre Patienten bestellt hatten. Apotheken mussten die Aufträge stornieren, teilweise klappte das Umleiten auf die vertragsärztlichen Praxen nicht – und so mancher Arzt dürfte sich gefühlt haben wie Asterix bei dem Versuch, in der römischen Präfektur den ersehnten Passierschein zu erhalten.

Wie schlecht Deutschland dasteht, zeigt ein Blick auf die Zahlen. In Amerika sind bereits 22 Prozent der Bürger vollständig gegen das Virus geschützt, in Chile sind es mehr als 24 und in Israel sogar 57 Prozent. Deutschland kommt nur auf 6,2 Prozent. Im Mittel der EU liegt dieser Wert bei 6,9 Prozent. Weil jeder Mitgliedstaat gemessen an der Bevölkerung denselben Anteil an Impfstoff bekommt, entspricht die Differenz zum europäischen Durchschnitt den Verlusten durch die hiesige Impfkampagne. Wäre Deutschland in Europa beim Impfen nur Mittelmaß, dann müssten heute eine dreiviertel Million Bürger mehr gegen Corona geschützt sein.

Für ein Land, das sich zugutehält, eines der besten Gesundheitssysteme der Welt zu haben, ist das blamabel. Doch es gibt eine Erklärung. Die beschämende Impfbilanz hat vor allem etwas damit zu tun, dass Bund und Länder an ihrer politischen Entscheidung festhalten, das an sich sehr leistungsfähige Gesundheitssystem bei den Impfungen weitgehend zu übergehen. Noch immer geht in jeder Woche doppelt so viel Impfstoff an die Impfzentren wie an die Ärzte – und es ist nicht abzusehen, wann die Betriebs- und Fachärzte sowie die hausärztlichen Privatpraxen aktiviert werden.

Bevor die Impfungen Ende des vergangenen Jahres begannen, haben Städte und Gemeinden Bemerkenswertes geleistet. In den Rathäusern und Kreisverwaltungen wurden gut 400 Impfzentren geplant und binnen kurzem aus dem Boden gestampft. Doch von Anfang an war klar, dass die großen Zentren nur eine erste Antwort auf die Pandemie sein können – eine Art Brücke also und nicht eine dauerhafte Strategie. Fachleute kritisierten schon früh, dass die Zentren samt der dahinterstehenden Logistik zu behäbig sind, um schnell auf eine veränderte Lage reagieren zu können.

Die Ärzte und Helfer in den Impfzentren haben ohne Frage Großes geleistet. Doch seit Monaten bleibt in den Zentren immer wieder Impfstoff ungenutzt. Auch derzeit beträgt die Quote der verimpften Einheiten nur knapp 82 Prozent. Fast vier Millionen Dosen liegen herum.

Richtig wäre es, jede Ampulle an die Ärzte zu geben

Den politisch Verantwortlichen fehlt der Mut, die richtige Konsequenz aus ihrem täglichen Scheitern zu ziehen. Die Impfzentren haben ihre Aufgabe weitgehend erfüllt. Richtig wäre es jetzt, jede verfügbare Ampulle den Ärzten zur Verfügung zu stellen. Stattdessen zweigen die Regierungen den Löwenanteil des Impfstoffs noch immer für die Impfzentren ab – zu Lasten der Bürger, die ein deutlich verlangsamtes Impftempo ertragen und im äußersten Fall mit ihrer Gesundheit bezahlen müssen.

In der Gleichgültigkeit, mit der Bundesgesundheitsminister Spahn, die Ministerpräsidenten und die Gesundheitsminister der Länder diesen Zustand hinnehmen, liegt der eigentliche Affront. Ohne Not haben Bund und Länder die Impfkampagne zu einer römischen Präfektur gemacht, in der vor lauter Formularen und Vorschriften niemand mehr den Überblick hat. Die Behörde trägt übrigens einen Namen, der auch für die deutsche Impfkampagne passend wäre: „Das Haus, das Verrückte macht“.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!