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#Das letzte große Ding

„Das letzte große Ding“



Kopist am Werk: Die Zeitungen, aus denen Rainald Goetz als Hintergrund für seinen Berliner Vortrag eine Galerie vergrößerter Ausrisse auf Papier statt der heute üblichen digitalen Projektion komponierte, erschienen am 9. Februar 2022, 2. März 2017, 8. Dezember 2000 und 27. April 2013.

Bild: Maurice Weiss/Ostkreuz/Agentur Focus

Der Semesterapparat wummert, der Copyshop läuft: Rainald Goetz hat in Berlin einen Vortrag gehalten, der euphorisch rezipiert wird, weil er Stoff liefert für die Selbstwertschöpfungskette der Geisteswissenschaften.

Bald haben nicht nur alle, die dabei waren, sondern auch noch alle diejenigen, die nicht dabei waren, den Auftritt von Rainald Goetz im Wissenschaftskolleg zu Berlin am 22. Februar kommentiert. Die öffentliche Blattkritik der Zeitschrift für Ideengeschichte (ZIG) hatte unter anderen Harry Nutt, Redakteur der „Berliner Zeitung“, verpasst. Die zahlreichen Be­richte über den Abend veranlassten ihn schließlich dazu, sich in einem Artikel zu seiner „Scham“ über das dusselige Übersehen der Einladung zu dem Abend zu be­kennen, die ihn bis in seine Träume verfolgte.

Auslöser dürfte der allgemeine Tenor der Berichterstattung sein. Allein die Tatsache, dass der Büchnerpreisträger Rainald Goetz, der sich seit mehreren Jahren nicht mehr öffentlich geäußert hatte oder aufgetreten war, zu einem Publikum sprach, gilt darin als Ereignis. Das hat sich allerdings nicht das Feuilleton selbst ausgedacht, der Autor hat daran mitgebastelt. Die Kulisse für den Abend waren hochskalierte Kopien von Zeitungsseiten, die Ausschnitte eines Gerhard-Richter-Gemäldes, den Literaturwissenschaftler Stephan Porombka beim Erklimmen seiner Privatbibliothek (Überschrift: „Du bist, was du liest“), den Kreuzabnahme-Altar von Rubens und einen Footballspieler zeigten. Goetz hatte die Papierbahnen am Tag des Auftritts noch schnell aus dem Copyshop abgeholt.

Großes Hallo also anlässlich der Blattkritik, die, für das Format eher ungewöhnlich, von einem Autor gehalten wurde, der zur Frühjahrsausgabe selbst einen Text mit dem Titel „Absoluter Idealismus“ beigesteuert hatte. Eigensinnig ausgeführt war die Blattkritik auch insofern, als sie die Zeitschrift eher als Abschussrampe für alle möglichen Überlegungen denn als Ge­genstand einer genauen Analyse nutzte. Aber das sollte so sein. Die eigentliche Businessveranstaltung mit Gesamtschau auf einen ganzen ZIG-Jahrgang fand ei­nen Tag später intern statt.

Die Kritiker wollen von Goetz geliebt werden

Wie Goetz die Zeitschrift öffentlich als „ANREGUNGSMASCHINERIE“ genutzt hatte, war am 1. März in „Die Zeit“ in voller Länge auf zwei ganzen Seiten nachzulesen; einen Tag später ging die Videoaufzeichnung seiner Rede auf der Seite des Wissenschaftskollegs on­line. Die Zahl der Zeugnisse zum Auftritt und der Analysen wächst weiter, dieser Artikel hier gehört ja auch dazu. Damit verlängert sich weniger das Ereignis, als dass sich eine Standardsituation der Goetz-Rezeption wiederholt. In einem Ar­tikel zu Goetz’ Roman „Johann Holtrop“ schrieb Julia Encke 2012: „Man denkt ja immer, Schriftsteller wollten von Kritikern geliebt werden. Im Fall Rainald Goetz ist das umgekehrt. Da wollen die Kritiker von Rainald Goetz geliebt werden, ganz so, als wäre dessen Wertschätzung der Ritterschlag, jede Geste der Zu­wendung eine Art Rainald-Goetz-Superkritikerpreis.“ So zu lieben und geliebt werden ist für alle Beteiligten weder gut noch einfach. Das heißt nur nicht, dass man damit aufhören kann.

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