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#De-de-de-deh, de-de-de-deh

De-de-de-deh, de-de-de-deh

Wer kann es sich leisten, seinen Arbeitsplatz dauerhaft in Cafés und amerikanische Diners zu verlegen? Zu arbeiten, wo andere zum Vergnügen hingehen, ist noch utopischer, als es das Homeoffice für viele Menschen war. Zwar gibt es mittlerweile eigene Ratgeber, die das Arbeiten in Café-Umgebung zum Thema machen. Doch auch diese können nicht garantieren, dass man dort mehr Geld verdienen wird, als man für Kaffee und Essen – also indirekt für die Miete des Sitzplatzes – ausgibt. So fällt das fragwürdige Wunschbild sehr schnell in sich zusammen. Die Vorgesetzten müssen hier durch eine eiserne Selbstregulation ersetzt, der Konflikt mit ihnen in die eigene Psyche verlagert werden: Jetzt bloß nicht abdriften und aus dem Fenster gucken, sonst ist die Konzentration beim Teufel.

Der amerikanischen Singer-Songwriterin Suzanne Vega ist dieses Kunststück gelungen. Ihr Lied „Tom’s Diner“, das sie 1987 auf ihrem zweiten Album veröffentlichte, schrieb Vega bereits 1981 in einem New Yorker Diner namens „Tom’s Restaurant“. Von diesem handelt der Song auch. Gleich zu Beginn des Lieds wird das Setting ausgebreitet: 

I am sitting in the morning
At the diner on the corner
I am waiting at the counter
For the man to pour the coffee

Vega starrt an diesem Morgen im Restaurant eigentlich nur Löcher in die Luft, notiert sich Banales. Sie ist die Urmutter des Abwartens und Teetrinkens. Der Lauf der Zeit spielte ihr in die Hände. 1990, also erst neun Jahre später, legten zwei englische DJs einen soghaften Beat unter „Tom’s Diner“ und vertrieben die Version an Diskotheken. Vega war nicht gefragt worden, aber später mehr als einverstanden mit dieser Urheberrechtsverletzung. Ihre Plattenfirma kaufte den Remix, um ihn selbst zu veröffentlichen. Die Rechnung ging auf, „Tom’s Diner“ wurde zu einem Welthit. Er begründete Vegas weitere Karriere und ging vor dreißig Jahren als erster Nummer-Eins-Hit des wiedervereinigten Deutschlands in die Geschichte ein.

Der Remix erst machte das Lied massentauglich und tanzbar. Suzanne Vegas ikonisches „De-de-de-deh, de-de-de-deh“, das eigentlich am Ende des gesamten Texts folgt und ihn abrundet, dient im Remix als Refrain, den noch heute viele auf Anhieb erkennen. Die restlichen Lyrics wurden in Strophen aufgebrochen. Kritiker heben den Mehrwert des Remixes gegenüber dem Original hervor.  Und tatsächlich hat die A-Cappella-Version einen ganz eigenen Reiz.

So kommt der eigentümliche Gesang Vegas darin besser zur Geltung. Karlheinz Brandenburg, ein Entwickler des mp3-Formats, fand ihre Stimme so ungewöhnlich warm, dass er „Tom’s Diner“ sogar zum Prüfstein für den Fortschritt von mp3 erklärte. Hinzu kommt, dass die besondere Sprechsituation im Original authentischer hervortritt. Vegas Strophen sind derart gleichförmig und ihre Intonation ist so streng, als sagte sie Trochäen für den Schulunterricht auf. So wirkt der Song gleichzeitig verspielt und improvisiert. Vega zählt Silben wie Zuckerwürfel ab, hüpft sie wie Kästchen aus Straßenkreide aus. Sie füllt den Rhythmus mit Beobachtungen aus dem Diner, die nur scheinbar trivial, nur vermeintliche Lückenbüßer sind.

I am waiting at the counter
For the man to pour the coffee

And he fills it only halfway
And before I even argue
He is looking out the window
At somebody coming in

Was für ein schlechter Service. Vegas Tasse wird an diesem Morgen nur zur Hälfte gefüllt, aber sie bekommt gar keine Gelegenheit, das zu beanstanden („And before I even argue“). Der Kellner lässt sie links liegen, er wird von einer anderen Person („somebody coming in“) abgelenkt. Normalerweise dient einsamen Gästen das Personal als Anlaufstelle und als Trostspender. Dieses Motiv findet sich nicht nur bei Thomas Mann, sondern in unzähligen anderen Gastronomie-Geschichten. Hier wird dieses Klischee sehr schnell enttäuscht.

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